Verwalterbrief 12/2019
2.2 Problemfall Angehörige Nicht jeder Wohnungseigentümer hat einen Angehörigen. Bis zum 30.9.2017 konnten in- des Lebenspartnerschaften zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts begründet wer- den. Ferner gibt es im Ausland begründete Le- benspartnerschaften, soweit auf sie deutsches Recht anwendbar ist. Die Einzelheiten regelt das Lebenspartnerschaftsgesetz. Nach dessen § 11 Abs. 1 gilt ein Lebenspartner als Fami- lienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. 2.3 Problemfall Verbände Der BGH klärt mit der jetzt vorliegenden Ent- scheidung, was für juristische Personen gilt. Diese unterfallen einer Vertreterklausel, kön- nen sich aber durch jeden Mitarbeiter und manchmal durch den eines Schwesterunter- nehmens vertreten lassen. Einer Klärung harrt hingegen, was gilt, wenn ein Wohnungseigentum im Eigentum einer Personengesellschaft steht, z. B. einer Gesell- schaft bürgerlichen Rechts (GbR), einer OHG, einer KG oder GmbH & CO. KG, oder im Eigen- tum des Staates, etwa einer Anstalt, Gebiets- körperschaft oder einer Stiftung. Bis der BGH auch so einen Fall entscheiden muss, sollte ein Verwalter im Grundsatz davon ausgehen, dass die jetzige Entscheidung zu ju- ristischen Personen auf diese „Verbände“ ent- sprechend anwendbar ist. Dies bedeutet, dass sich Verbände bei Geltung einer Vertreterklau- sel durch einen Verbandsmitarbeiter vertreten lassen können. Dieser Mitarbeiter kann auch einem anderen Verband angehören, wenn die Verbände als „Schwestern“ oder „Mutter“ und „Tochter“ angesehen werden können. 2.4 Problemfall Treu und Glauben Im Einzelfall ist es den anderen Wohnungsei- gentümern auf Grund besonderer Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Übri- gen verwehrt, sich auf eine Vertreterklausel zu außenstehender Dritter anzusehen. Für die Wohnungseigentümer mache es keinen Un- terschied, ob eine juristische Person einen ei- genen Mitarbeiter oder einen Mitarbeiter der für die Verwaltung des Wohnungseigentums zuständigen Konzerngesellschaft mit der Ver- tretung bevollmächtige. Das bedeutet für Sie: 1. Sinn und Zweck von Vertreterklauseln Ein Wohnungseigentümer ist von Gesetzes wegen nicht gezwungen, selbst an einer Versammlung teilzunehmen. Er ist vielmehr berechtigt, sich einen oder mehrere Vertre- ter zu nehmen. Diese Vertreter können den anderen Wohnungseigentümern allerdings „unlieb“ sein. So kann es z. B. liegen, wenn ein Wohnungseigentümer – was zulässig wäre – seinen Rechtsanwalt, seine Schwiegermutter und seinen Steuerberater als Gesamtvertreter in die Versammlung entsendet. Der Zweck von Vertretungsklauseln besteht vor diesem Hintergrund darin, die Versamm- lungen der Wohnungseigentümer von „ge- meinschaftsfremden Einwirkungen“ freizuhal- ten. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen sich die Wohnungseigentümer nur durch bestimm- te, dem eigenen Kreis nahestehende Personen vertreten lassen dürfen. 2. Auslegung einer Vertreterklausel 2.1 Überblick Eine Vertreterklausel schränkt das Recht ein, irgendeinen Dritten mit der Ausübung der Rechte eines Wohnungseigentümers in der Versammlung zu bevollmächtigen. Diese Ein- schränkung stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz der unbeschränkt zulässigen Vertre- tung dar. Dies führt nach herrschender Mei- nung dazu, eine Vertreterklausel nicht zu eng auszulegen. Bei der Auslegung ist ferner der Bedeutung des Stimmrechts, das nach stän- diger Rechtsprechung zu einem „Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte“ gehören soll, Rechnung zu tragen. net sei, sich durch jede beliebige Person ver- treten zu lassen. 4. Zweite Auslegung: Vertretung durch Mitarbeiter Eine juristische Person könne sich nach ei- ner Auslegung allerdings nicht nur durch ihre organschaftlichen Vertreter (im Fall: ih- ren Geschäftsführer), sondern auch durch ir- gendeinen ihrer Mitarbeiter vertreten lassen. Durch die Teilnahme eines aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dem Unternehmen der juris- tischen Person mit den Angelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft vertrau- ten Mitarbeiters werde nämlich dem mit der Vertretungsklausel verfolgten Zweck Rechnung getragen, da von ihm gemeinschaftsfremde Einwirkungen nicht zu erwarten seien. Daher wäre es sachlich nicht zu rechtfertigen, wenn eine juristische Person, die ihre Interessenver- tretung nicht in die Hände des Verwalters oder eines anderen Wohnungseigentümers legen wolle, nur durch ihren organschaftlichen Ver- treter an der Versammlung teilnehmen dürfte. 5. Dritte Auslegung: Vertretung durch Mitarbeiter einer Schwester-GmbH Eine juristische Person könne sich in der Ver- sammlung nicht nur durch einen unterneh- menseigenen Mitarbeiter vertreten lassen. Eine Vertretungsklausel sei regelmäßig – und so auch im Fall – vielmehr dahingehend er- gänzend auszulegen, dass sich eine juristische Person in der Versammlung jedenfalls auch von einem Mitarbeiter einer zu demselben Konzern gehörenden (weiteren) Tochtergesell- schaft vertreten lassen dürfe, wenn diese für die Verwaltung der Wohnungseigentumsrech- te zuständig sei. Einer natürlichen Person sei es grundsätzlich allerdings nicht gestattet, sich von anderen als den in der Vertreterklausel genannten Perso- nen vertreten zu lassen; insbesondere könne ein Wohnungseigentümer, der einen Sonderei- gentumsverwalter mit der Wahrnehmung aller sein Wohnungseigentumsrecht betreffenden Angelegenheiten betraut habe, diesen nicht als seinen Bevollmächtigten an der Versamm- lung teilnehmen lassen. Eine solche Beschrän- kung gelte auch für juristische Personen. Diese könne sich also nicht durch einen Mitarbeiter eines beliebigen anderen Unternehmens ver- treten lassen. Handele es sich aber um den Mitarbeiter ei- nes Unternehmens, das ebenso wie die ju- ristische Person als Tochterunternehmen mit derselben Muttergesellschaft verbunden sei (Hinweis auf § 290 Abs. 1 HGB), und sei das Tochterunternehmen nach der konzerninter- nen Aufgabenverteilung für die Verwaltung der Wohnungseigentumsrechte zuständig, sei der Mitarbeiter dieses Unternehmens nicht als www.haufe.de/immobilien 10 Deckert/Elzer kompakt Das Recht, eine Vereinbarung für die Woh- nungseigentümer verbindlich auszulegen, haben allerdings nur die Gerichte. Diese müs- sen ermitteln, welches Ziel die Wohnungsei- gentümer mit der Vereinbarung verfolgt ha- ben. Der BGH selbst fragt dabei im Fall nach dem hypothetischen Willen des teilenden Ei- gentümers und sucht, welche Regelung die- ser bei einer angemessenen Abwägung der berührten Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise getroffen hätte, wenn er den von ihm nicht geregelten Fall bedacht hätte. Diese Frage war aber eher nicht zu stellen, da es doch auf den Willen der Wohnungs- eigentümer ankommen muss. Wie eine letztlich mehrdeutige Vertreter- klausel im Einzelfall auszulegen ist, kann der Verwalter nicht bestimmen. Er kann den Wohnungseigentümern nur vorstellen, wie die Rechtsprechung Vertreterklauseln versteht. Ferner kann und sollte ein Ver- walter die Wohnungseigentümer bitten, ihn anzuweisen, wie er eine mehrdeutige Vertreterklausel in der Praxis umsetzen soll. Eine solche Weisung ist möglich, obwohl die Wohnungseigentümer nach h. M., die ich selbst nicht teile, keine Beschlusskompetenz haben, ihre Vereinbarungen auszulegen. HINWEIS:
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