Verwalterbrief 11/2019
dereigentums auf eigene Kosten austauschen lassen, kann man fragen, ob er insoweit Ersatz seiner Kosten verlangen kann. Nach der jetzt vorliegenden Entscheidung ist diese Frage in allen denkbaren Konstellationen zu verneinen. Denn dem böswilligen, bewusst eigenmächtig handelnden, aber auch dem gutwilligen, sich irrenden Wohnungseigentümer werden vom BGH jegliche Ersatzansprüche verweigert. Die- se Klärung muss jeder Verwalter wissen und als Ergebnis auf Nachfrage berichten können. Allerdings kann man fragen, ob die anderen Wohnungseigentümer ein Ermessen haben, jedenfalls dem gutwilligen, sich irrenden Wohnungseigentümer Ersatzansprüche zu ge- währen – jedenfalls teilweise. Der BGH muss- te diese Frage weder im Fall noch bislang im Rahmen der ihm im Übrigen vorliegenden Fälle beantworten. Ich selbst würde sie, wie auch bislang, bejahen. Denn objektiv haben die Wohnungseigentümer natürlich einen Vor- teil davon, wenn marodes gemeinschaftliches Eigentum von einem einzelnen Wohnungsei- gentümer auf eigene Kosten repariert wurde. Ich selbst fände es im Gegenteil unbillig, ei- nen Wohnungseigentümer auf seinen Kosten sitzen zu lassen, wenn eine objektive Berei- cherung feststellbar ist. Erneuerung der Fenster sei Aufgabe der einzel- nen Wohnungseigentümer. Dieser Irrtum ändere aber nichts. Denn die besseren Argumente sprä- chen auch in dieser Fallkonstellation gegen jeg- lichen Ersatzanspruch. Ein Ausgleich nach den allgemeinen Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Bereicherungsrechts lie- fe nämlich den schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümer zuwider. Die Wohnungseigentümer müssten ihre private Fi- nanzplanung nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit, auf die sie keinen Einfluss hätten nehmen können, herangezogen werden. Schwierigkeiten entstünden auch bei einem zwischenzeitlichen Verkauf von Wohnungsei- gentum. Hinzu komme, dass es in tatsächlicher Hinsicht häufig schwierig sei, irrtümliches von eigenmächtigem Handeln abzugrenzen. Das bedeutet für Sie: 1. Kleiner Rückblick Die „Falle“, über die der klagende Wohnungs- eigentümer im Fall gestolpert ist, war eine bundesweit verbreitete Klausel in Gemein- schaftsordnungen. Der BGH erläutert in der ak- tuellen Entscheidung insoweit nicht sein Den- ken, warum diese Klausel nicht anzuwenden ist, sondern verweist auf seine diesbezügliche Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2012. Dort ging es um die Frage, wer die Kosten für die eigenmächtige Reparatur eines Dachfens- ters zu tragen hat. Der BGH meinte damals, alle Wohnungseigentümer müssten die Kosten tragen, da die Vereinbarung im dortigen Fall, die mit der jetzigen im Kern identisch war, unklar und daher unwirksam sei. Warum? Der BGH meinte mit Blick auf die Anordnung, dass die Erneuerung des Außenanstrichs Aufgabe aller Wohnungseigentümer sei, der Begriff der „Instandhaltung und Instandsetzung“ nicht die vollständige Erneuerung umfassen könne, son- dern nur „die übliche Pflege, die Wartung und die Reparatur der vorhandenen Fenster“. Be- hielten sich die anderen Wohnungseigentümer schon den Außenanstrich vor, müsse dies erst recht für die vollständige Erneuerung gelten. 2. Ersatzansprüche eines Wohnungseigentümers Hat ein Wohnungseigentümer ungeachtet der Rechtslage ein Fenster im Bereich seines Son- Die Wohnungseigentümer hätten zwar die Möglichkeit, zur Frage der Verwaltung und der Kostentragung eines Fensters etwas anderes zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung müsse aber „klar und eindeutig“ sein. Eine solche Re- gelung gebe es hier aber nicht. Weise nämlich eine Vereinbarung die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung eines Fensters im räumli- chen Bereich des Sondereigentums einzelnen Wohnungseigentümern zu, nehme sie aber zugleich den Außenanstrich aus, sei eine voll- ständige Erneuerung des Fensters grundsätzlich eine Sache aller Wohnungseigentümer. 3. Fehlender Erstattungsanspruch 3.1. Der Grundsatz Ungeachtet dessen könne der klagende Woh- nungseigentümer von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keine Erstattung sei- ner Reparaturkosten verlangen. Denn ein solcher Erstattungsanspruch käme im Fall nur nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Bereicherungsrechts in Betracht. Diese Vorschriften könnten aber als Anspruchsgrundlage für den Zahlungsan- spruch nicht herangezogen werden. Sie wür- den durch das wohnungseigentumsrechtliche System und dessen speziellere Normen, Erhal- tungsmaßnahmen zu organisieren, dafür Mit- tel aufzubringen und den Zeitpunkt für sie zu bestimmen, jeweils verdrängt werden. 3.2. Die bisherige Ausnahme Dies gelte selbst dann, wenn die von einem Wohnungseigentümer durchgeführte Maßnah- me „ohnehin“ hätte vorgenommen werden müssen. Zwar sei nach der bisherigen BGH- Rechtsprechung ein Ersatzanspruch dann in Betracht gekommen, wenn eine Maßnahme ohnehin hätte beschlossen oder vorgenommen werden müssen, weil sich das den Wohnungs- eigentümern zustehende Ermessen bei der Entscheidung über eine Instandsetzung oder Instandhaltung also auf null reduziert hatte. Diese Ausnahme sei aber nicht aufrechtzu- erhalten. Denn der Vorrang des WEG schließe einen Ausgleich des Wohnungseigentümers für eigenmächtige Maßnahmen nach allge- meinen Vorschriften auch dann aus, wenn diese hätten zwingend vorgenommen werden müssen. Hierfür sprächen bereits die durch diese Sichtweise entstehenden Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten. Außerdem sei es jedem Wohnungseigentümer zumutbar, in jedem Fall das durch das WEG vorgegebene Verfahren einzuhalten. 4. Die Besonderheiten des Falles Im Fall sei die Situation allerdings besonders gelagert, weil die Wohnungseigentümer auf- grund der fehlerhaften Auslegung ihrer Gemein- schaftsordnung davon ausgegangen seien, die www.haufe.de/immobilien 10 Deckert/Elzer kompakt Die Annahme, es gäbe jetzt gar keine Er- satzansprüche mehr, wäre allerdings ein Irrtum. Ersatzansprüche sind nämlich zu be- jahen, wenn ein Wohnungseigentümer aus- nahmsweise als berechtigter Notgeschäfts- führer gehandelt hat und es also vor einer Reparatur keine Zeit gab, die anderen Woh- nungseigentümer einzuschalten (dass der Verwalter auch ein solches Notgeschäfts- führungsrecht hat, muss man dabei im gel- tenden Recht wohl ignorieren). Ein solcher, freilich seltener Fall liegt z. B. vor, wenn ein Wohnungseigentümer bei einem nächtli- chen Heizungsausfall oder einem Rohrbruch einen Werkvertrag für Notmaßnahmen ge- schlossen hat und insoweit Ersatz begehrt. Diesen Ersatz schuldet dabei nach neuerer Rechtsprechung nicht der andere Woh- nungseigentümer, sondern stets die Ge- meinschaft der Wohnungseigentümer. Der Verwalter sollte allerdings keinesfalls freiwillig aus dem Verwaltungsvermögen Ersatz leisten. Vielmehr ist die Frage eines Ersatzes auf einer Versammlung zu einem TOP zu machen. Der Verwalter muss den Wohnungseigentümern dort berichten, was passiert ist, was ein Wohnungseigentümer unternommen hat und welche Kosten entstanden sind. Die anderen Wohnungs- eigentümer müssen dann durch Beschluss entscheiden, ob dem Notgeschäftsführer HINWEIS: Im Ergebnis bleibt es also in allen Woh- nungseigentumsanlagen, in denen sich eine vergleichbare Vereinbarung findet, bei dem Grundsatz, dass der Austausch von Fenstern Sache aller Wohnungseigentümer ist und alle Wohnungseigentümer die Kos- ten für den Austausch tragen müssen. HINWEIS:
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==