Trend Wie viel Nachhaltigkeit in MBA-Programmen steckt Einblicke Absolventen berichten von ihrem Werdegang Anbieter Mehr als 200 Schulen für MBA und Master im Überblick plus personalmagazin plus 06.22 MBA-Programme Zwischen Tradition und Innovation personalmagazin.de MBA-Programme Trend Einblicke Anbieter 06/2022
Editorial 3 Liebe Leserinnen und Leser, „Sie haben Glück, dass Sie in Deutschland sind!“, sagte mir die ehemalige UN-Sonderberaterin Giselle Weybrecht zu der Frage, wie nachhaltig Business Schools sind. Anders als bei Karriereentwicklung und Gehalt haben in puncto nachhaltige Managementausbildung nicht die US-Top-Schulen die Nase vorn. Europa ist hier Vorreiter. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch viel zu tun ist. Die meisten B-Schools verpflichten sich einer breiten Managementlehre. Nachhaltigkeit bleibt da ein nettes Add-on, das sich gut als Aushängeschild eignet. Ein Umdenken findet nicht statt. Gerade die erfolgreichsten Wirtschaftshochschulen tun sich oft am schwersten, ihr altes Erfolgsmodell zu transformieren. Doch wer den Anspruch hat, den Managementnachwuchs auszubilden, muss noch eine Schippe drauflegen. Denn nur, wenn Führungskräfte nachhaltige Entscheidungen treffen können, werden ihre Unternehmen auch künftig erfolgreich sein. Klimaschutz steht ganz oben auf der Nachhaltigkeitsagenda. Aber das ist nicht alles. Die neuen Schlüsselkompetenzen drehen sich um nachhaltige Finanzen, anpassungsfähige Organisationen, verantwortungsvollen Konsum. Ob die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele oder die EU-Taxonomie – es gibt viele „grüne Tools“, die in den Werkzeugkoffer des Managements gehören. Damit all das in der Lehre ankommt, braucht es mehr Forschung, neuartige Kooperationen und konkrete Projekte. Ein nachhaltiges Lernangebot ist für Business Schools keine Kür mehr, sondern Pflicht. Stefanie Hornung Redaktion Personalmagazin plus Inhalt 04 N achhaltige MBA-Programme Wie Business Schools ihre Studierenden auf eine nachhaltige Unternehmensführung vorbereiten 10 „ Studierende möchten unternehmerisch gestalten“ David Schonthal, Professor an der Kellogg School, lebt Entrepreneurship und lehrt, wie ein Gründer zu denken 14 Führen wie beim Curling Eine MiM-Absolventin berichtet, wie sie das Studium Demut und Verantwortung lehrte 16 Gut und günstig, aber weniger wertvoll Mini-MBAs als Alternative zum klassischen MBA-Programm 20 U ngeplante Wege Wie ein Executive MBA einen Juristen dazu bringt, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit bei Tui zu befassen 22 MBA von A bis Z Akkreditierung, Kosten, Zulassung: Die wichtigsten Fakten 28 Anbieterporträts MBA/Master 50 Anbieterübersicht 50 MBA-Anbieter (Deutschland, Österreich, Schweiz) 62 Anbieter berufsbegleitender Master (Deutschland) 66 Impressum personalmagazin plus: MBA 2022 Titelbild: Paula Winkler; Foto: Ines Meier „E in nachhaltiges Lernangebot ist für Business Schools keine Kür mehr, sondern Pflicht.“ Bilderstrecke: Schritt für Schritt zum Doktorhut Für dieses Heft hat Fotografin Paula Winkler Hutmacherin Susanne Gäbel bei der Herstellung eines Doktor- oder Absolventenhuts über die Schulter geschaut.
personalmagazin plus: MBA 2022 MBA 4 Susanne Gäbel fertigt in ihrem „Salon Hüte & Accessoires“ in Berlin Charlottenburg Hüte nach Maß und in Handarbeit. Für die Herstellung eines Doktorhuts benötigt sie in etwa sieben Arbeitsstunden. In Großbritannien und den USA werden die sogenannten „mortarboards“ traditionell von Master-Absolventen getragen.
Sustainability 5 Coronapandemie, Klimawandel, Krieg in der Ukraine oder die aktuelle Energiekrise – die Nachfrage nach einer Managementausbildung mit Fokus Sustainability steigt. Doch wie gut bereiten Business Schools ihre Studierenden wirklich auf eine nachhaltige Unternehmensführung vor? Von Stefanie Hornung Nach Dürre und Waldbränden nun die schweren Stürme und endlosen Regenfälle. Die Ostküste Australiens erlebt dieses Jahr nach 2011 erneut eine Hochwasserkatastrophe. „Da steht vielerorts nichts mehr“, erzählt Stephanie Schleimer. Die Deutsche, die seit 25 Jahren in Australien lebt, hat an der Griffith University in Brisbane studiert, wurde Dozentin und ist seit 2019 an der dortigen Business School für das MBA-Programm verantwortlich. „Wir dachten, nach der Coronapandemie können wir endlich zurück auf den Campus, jetzt das.“ Auch an der Griffith University gab es Flutschäden. Für Schleimer brauchte es keine weitere Umweltkatastrophe, um sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Schon 2008, während der Finanzkrise, fing für sie alles an. „Ich unterrichtete damals Strategie und ich schämte mich für das, was da passierte“, so die MBA-Direktorin. Als sie 2013 an die B-School wechselte, nahm sie die Wirtschaftsausbildung komplett auseinander. Jeder einzelne Kurs sollte auf verantwortungsvolle Führung, nachhaltige Geschäftspraktiken und friedliche Partnerschaften einzahlen. „Diesen Umbau verfolgten wir noch strategischer, als 2015 die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen aufkamen. Wir haben uns systematisch danach strukturiert – in den Wahlkursen und im kompletten MBA-Programm.“ Studierende fordern mehr Nachhaltigkeit Die Nachfrage nach derartigen Angeboten steigt. Für die Studie „Rising Leaders on Social and Environmental Sustainability” befragte das Yale Center for Business and the Environment gemeinsam mit dem Yale Program on Climate Change Communication 2.035 Wirtschaftsstudierende an Hochschulen und Universitäten des Global Network for Advanced Management (GNAM). Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von 30 Business Schools weltweit. Laut der Befragung ist eine Mehrheit der Studierenden – 52 Prozent – sehr oder äußerst besorgt über die Auswirkungen des Klimawandels. Schon 2015 hatte das Netzwerk eine ähnliche Untersuchung durchgeführt. Während sich damals nur 21 Prozent für „sehr“ oder „äußerst“ sachkundig in Bezug auf ökologische NachNachhaltige Programme – Wunsch und Wirklichkeit
personalmagazin plus: MBA 2022 MBA 6 beinhalten nachhaltige Finanzen und Risikomanagement, den Aufbau widerstandsfähiger und anpassungsfähiger Organisationen, Wirkungsmessung, verantwortungsvollen Konsum und nachhaltiges Wachstum. Jede Kompetenz ist in die Kernkurse des Programms integriert und deckt vier Cluster ab: Klima und Natur, Gerechtigkeit und Gesellschaft, Governance und Pandemiebekämpfung. Das IMD hat sich dafür nicht nur angeschaut, was Arbeitgeber im Sachen Nachhaltigkeit suchen. Es sind auch Erkenntnisse des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) eingeflossen, eine mit Unternehmensvorständen besetzte Organisation. Neun konkrete Pfade für die Bereiche Energie, Transport und Mobilität, Lebensräume, Produkte und Materialien, Finanzprodukte und -dienstleistungen, Konnektivität, Gesundheit und Wohlbefinden, Wasser und Abwasserentsorgung sowie Ernährung sollen in Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens stehen. Alle Studierenden können im Finance-Kernkurs zudem eine Zertifizierung nach den Principles of Responsible Investment (PRI) absolvieren. Was in der Lehre ankommt Wie Business Schools Nachhaltigkeit definieren, ist unterschiedlich. Generell gehören neben Umweltaspekten aber auch Sozial- und Governance-Themen dazu – ESG (Environment, Social, Governance) lautet das Stichwort. Jenseits von Klimafragen ist die Nachhaltigkeitsagenda allerdings ausbaufähig. Der Top-Manager Otti Vogt, der viele Jahre bei ING war und selbst einen MBA der London Business School hat, setzt sich für Responsible Leadership ein. Kürzlich wurde er Zeuge eines Gastvortrags an einer Wirtschaftshochschule: Ein bekannter Unternehmer habe damit aufgetrumpft, aggressiv Kosten zu reduzieren, indem er Mitarbeitende entließ. Maximierung von Cashflows, Investorenrenditen, steigende Aktienkurse, Command and Controll – Beschäftigte gelten da als Kostenblock und Menschlichkeit als Rührseligkeit. Jeder, der mit Umstrukturierungen zu tun habe, weiß laut Otti Vogt, dass man oft schwierige Entscheidungen treffen muss. „Aber die Präsentation lief völlig unkritisch ab. Man lauschte ehrfürchtig den großartigen Einsichten einer äußerst erfolgreichen Führungspersönlichkeit.“ Wirtschaftshochschulen müssten ihre Studierenden zu kritischem Denken erziehen und sollten sich nicht nur vom finanziellen Erfolg blenden lassen, so der Manager. Wenn es um eine verantwortungsvolle Unternehmensethik und das Gemeinwohl geht, trieben nur einzelne Professoren eine Reformagenda voran – darunter etwa Henry Mintzberg an der McGill University oder Carlo Giardinetti an der Business School Lausanne/Franklin Uni. „B-Schools halten in vielen Fällen den Status quo aufrecht“, so John North, Geschäftsführender Direktor der Globally Responsible Leadership Initiative (GRLI). Seit 2003 setzen sich in der gemeinnützigen Stiftung globale Netzwerke, Unternehmen und Bildungseinrichtungen, zu denen auch B-Schools gehören, für verantwortungsbewusstes Handeln ein. Die GRLI hat die 50+20 Vision und die Agenda „Management Education for the World“ entwickelt, die kritische Fragen formuliert – zum Zustand der Welt, zu gesellschaftlichen Problemen, der vorherrschenden wirtschaftlichen Logik, dem Zweck der Wirtschaft, der Rolle der Führung und der Managementausbildung. Einige an der GRLI beteiligte Dekane arbeiten außerdem an dem neuen Kurs „Globally Responsible Leadership for Sustainable Transformahaltigkeit hielten, waren es nun 41 Prozent. Den Grund für die bessere Selbsteinschätzung vermutet die Studie darin, dass B-Schools mehr Nachhaltigkeitsthemen in den Lehrplan integriert haben. Eine direkte Kausalität lässt sich aber nicht nachweisen. Es hapert jedenfalls am Praxistransfer: 79 Prozent geben an, dass sie nur „mäßig“ bis „überhaupt nicht“ darüber Bescheid wissen, wie man die Umweltverträglichkeit von Unternehmen verbessern kann. Folgerichtig fordern die Befragten, dass die Wirtschaftshochschulen noch eine gute Schippe drauflegen. 64 Prozent wünschen sich, dass ökologische Nachhaltigkeit in die Kernlehrpläne und die Karriereberatung integriert wird. Green MBA und Master auf dem Vormarsch Viele Business Schools haben die erhöhte Nachfrage auf dem Radar. Immer mehr Studienprogramme konzentrieren sich speziell auf Nachhaltigkeit – etwa mit sogenannten „Green MBAs“. Hierzulande sieht sich die Leuphana-Universität Lüneburg als Vorreiter: mit ihrem berufsbegleitenden „MBA Sustainability Management“, den sie bereits 2003 etablierte. Seit 2021 gibt es bei den Wahlfächern neue Vertiefungsmöglichkeiten: die Spannungsfelder von Digitalisierung und Nachhaltigkeit, verantwortungsvoll und widerstandsfähig gestaltete Lieferketten oder transparente Messung von ökologischen und sozialen Fortschritten. Auch die Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter hat ihren MBA-Fernstudiengang „Umwelt- und Qualitätsmanagement“ zumWintersemester 2020/2021 umgemodelt: in einen Online-MBA „Sustainable Business Development“. Strategisches Management, Change-Management, Corporate Social Responsibility, Compliance und Führung – dazu gibt es neue Module mit Fokus Nachhaltigkeit und Klimawandel. Die ESCP Business School hat kürzlich zwei neue Masterstudiengänge initiiert: Der Master in „International Sustainability Management“ bietet breit angelegtes Wissen – mit Themen wie Umweltmanagement und -reporting, nachhaltiges SupplyChain-Management, Marketing und Innovationsmanagement. Dagegen konzentriert sich der Master in „Sustainability Entrepreneurship and Innovation“ auf die Entwicklung von eigenen, nachhaltigen Geschäftsmodellen. Auch die Mannheim Business School lancierte im September 2021 den hybriden Teilzeit-Studiengang „Master in Sustainability and Impact Management“, der auch Praktikerinnen und Praktiker einbindet. Er beinhaltet Events zu Impact Measurement und Valuation, Dekarbonisierung, Impact Investing oder Social Entrepreneurship. Zehn Schlüsselkompetenzen für Nachhaltigkeit Die meisten Top-B-Schools reichern allerdings die Managementausbildung lediglich durch Nachhaltigkeitsaktivitäten an. So etwa das IMD – International Institute for Management Development: Laut dem neuen Dekan Omar Toulan geht es bei einer neuen Nachhaltigkeitsoffensive nicht darum, der nächste grüne MBA zu werden, den nur Studierende wählen, die in einer Nachhaltigkeitsabteilung arbeiten wollen. „Das Ziel ist es, den Leuten die Fähigkeiten zu vermitteln, die sie nicht nur in ihrem ersten Job, sondern auch in fünf oder zehn Jahren brauchen werden“, sagte er dem Online-Portal Poets & Quants. Die Business School in Lausanne identifizierte zehn Schlüsselkompetenzen, die angehende Führungskräfte erlernen sollen. Diese Fähigkeiten
Sustainability 7 erklärt er MBA-Studierenden an der Business School, die der Universität angegliedert ist, wie Unternehmen Nachhaltigkeitsthemen adressieren können und auf welche Hürden sie dabei stoßen. „Inzwischen sind schon einige Alumni von uns bei Mosa Meat eingestiegen“, erzählt MBA Director Boris Blumberg. Seit Anfang 2020 widmet sich der Fulltime-MBA in seinem siebenwöchigen Wahltrack eine Woche lang gezielt dem Thema Nachhaltigkeit. Aber auch im Online-MBA gibt es inzwischen ein solches Kursangebot. „Nachhaltigkeit spielt bei uns auch in vielen anderen Kursen eine Rolle“, so Boris Blumberg. Gleichzeitig sei es wichtig, die Basiskenntnisse in Betriebswirtschaftslehre nicht zu vernachlässigen. Drei Viertel der Studierenden fehlen diese BWL-Grundkenntnisse, da sie einen anderen Background haben. In Sachen Nachhaltigkeit stehen Klimaschutz und CO2-Beziehungen im Vordergrund, getrieben vom Finanzmarkt, von Kundenwünschen und neuen gesetzlichen Regelungen. In Zusammenarbeit mit dem Supply Chain Institut der Maastricht University adressiert die Wirtschaftsschule Fragen von Nachhaltigkeit in den Lieferketten – in Bezug auf die Klimaverträglichkeit von Lieferanten, aber auch auf lokale Arbeitsbeziehungen. Am Beispiel einer Brauerei, die ihr Bier möglichst ökologisch produzieren möchte, lernen Studierende die Idee der Kreislaufwirtschaft kennen und setzen sich mit der Müllproblematik auseinander. Im Finance-Kurs wiederum spielt Sustainable Investing eine Rolle. Die Maastricht B-School arbeitet hier mit dem Case eines Pensionsfonds, um gängige Dilemmas aufzuzeigen. Der Fond hatte Shell-Aktien im Portfolio. Nachdem ein Gericht in den Niederlanden die nigerianische Tochter des Konzerns wegen Ölverschmutzung verklagte, ging es darum, die Shell-AnlageGelder nachhaltig umzuschichten. Darüber hinaus gehören für den MBA-Director auch Personalthemen auf die Nachhaltigkeitsagenda – wie die Auswirkungen des demografischen Wandels. „Wir brauchen mehr Forschung, um drängende Klimafragen wirksam lösen zu können“, unterstreicht Blumberg. Deshalb hat die Maastricht University School of Business and Economics Nachhaltigkeit als eine von drei Forschungsprioritäten bis 2025 festgelegt. Kürzlich gliederte die B-School zwei Institute ein – das Maastricht Sustainability Institute, das Klimaaspekte im Blick hat, und die School of Governance, die soziale Fragen wie Grundsicherung der Menschen oder Bildung fokussiert. Natürlich verlaufe die Zusammenarbeit nicht immer reibungslos. Wie in Unternehmen haben die Akteure an den Instituten verschiedene Rollen und Ansichten. Auch hier gibt es Silodenken, das es aufzubrechen gilt. Ummehr Kooperation zu fördern, setzt die Maastrichter Wirtschaftshochschule Anreize: Wer mit anderen Fakultäten zusammenarbeitet, kann zusätzliche strategische Mittel und Budget für kleine Konferenzen erhalten. Veränderung im Schneckentempo „Die europäischen Schulen sind bei Nachhaltigkeit definitiv führend“, sagt Giselle Weybrecht. Die ehemalige Sonderberaterin der Principles for Responsible Management Education der Vereinten Nationen beobachtet in Europa – und insbesondere in Deutschland – viele hochwertige Programme. „Häufig gibt es außerhalb Europas nicht den gleichen Druck von Seiten der Regierung, der Wirtschaft und der Studierenden“, so die Autorin des Buchs „The Sustainable MBA“. Giselle Weybrecht beobachtet, dass sich die Wirtschaftshochschulen nur sehr langsam verändern und nicht Wie Business Schools Nachhaltigkeit definieren, ist unterschiedlich. Generell gehören neben Umweltaspekten auch Sozial- und GovernanceThemen dazu. tion“ mit, der auf Vorschlag von Wayne Visser, Professor für Integrated Value und Inhaber des Lehrstuhls für Nachhaltige Transformation an der Antwerp Management School, entstanden ist. In diesem Pilotprojekt geht es darum zu untersuchen, wie man das Fachwissen mehrerer Institutionen, die sich globaler Verantwortung verschrieben haben, Studierenden institutionsübergreifend anbieten kann. Erfahrungswissen und Forschung ausbauen Laut der Studie „Rising Leaders on Social and Environmental Sustainability“ sind sich Studierende zunehmend darüber im Klaren, dass Führungskräfte bei der Bewältigung der sozialen und ökologischen Krisen eine zentrale Rolle spielen müssen. Doch oft mangelt es an Erfahrungswissen, was das konkret heißt. Das ist bei Mark Post nicht der Fall. Burger aus im Labor gezüchtetem Fleisch und somit gemindertes Tierleid und weniger CO2-Ausstoß – das ist die große Vision, die der Mit-Gründer der Firma Mosa Meat verfolgt. Seit 2002 forscht und lehrt er an der Maastricht University in den Niederlanden. Als Gastredner
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Sustainability 9 grundlegend genug. Die Zahl der Kurse mit Nachhaltigkeitsschwerpunkt wachse zwar, doch diese blieben meist Wahlfächer. Viele B-Schools befürchten wohl, dass Nachhaltigkeit als Teil der Pflichtkurse im Widerspruch zu klassischen Management-Themen stehen könnte. Nachhaltigkeit werde nur da hinzugefügt, wo es opportun erscheint. „Wenn Manager und Führungskräfte die SDGs nicht kennen und über keine praktischen Nachhaltigkeitskompetenzen verfügen, dann werden wir es schwer haben, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“ Die ehemalige UN-Sonderberaterin hat die Nachhaltigkeitsberichte von mehr als 800 Wirtschaftshochschulen untersucht, die zwischen 2015 und 2020 erstellt wurden. Ihr Urteil: Nachhaltigkeit ist oft reine Rhetorik. Prinzipiell fehlen eine kohärente Strategie und spezifische Leitlinien, wie die Schulen die SDGs in ihre Lehre integrieren möchten. Dabei böten die SDGs für die Lehrpläne und weitere Aktivitäten viele Möglichkeiten, Nachhaltigkeit voranzutreiben. Die INSEAD Business School hat beispielsweise ein SDG-Bootcamp aufgebaut, in dem Studierende Geschäftsmodelle analysieren und verbessern können. Außerdem können Teilnehmende der SDG Community Impact Challenge der B-School in Paris ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren – persönlich und beruflich. Die EM Lyon Business School in Frankreich widmet sich im Programm und in Partnerschaften jedes Jahr einem der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele. Und die EM Strasbourg vermittelt Studierenden, die Nachhaltigkeitsideen haben, Praktikumsplätze. Ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie Einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt die Griffith Business School. 2020 kletterte sie im „Better World MBA Ranking“ des kanadischen Medienunternehmens Corporate Knights an die Spitze und behauptete auch 2021 den ersten Platz. Die Brisbaner Schule baute nicht nur die Kooperation mit Wissenschaftlern anderer Fakultäten und Universitäten aus. Sie kümmert sich zudem darum, multidisziplinäre Forschungsarbeiten zu den Themen Klimaschutz, Wohlbefinden und Umweltökonomie stärker in die Kernfächer einfließen zu lassen. „Nachhaltigkeit ist bei uns nicht optional“, betont Stephanie Schleimer. Jedes Jahr überprüft die B-School, was dem Curriculum in Bezug auf die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele noch fehlt. So wurde zuletzt etwa der Buchhaltungskurs umbenannt in „Accounting for Accountability“ (Buchhaltung für Verantwortlichkeit). Die Studierenden lernen jetzt nicht mehr nur Bilanzen zu lesen, sondern auch, wie man natürliche Ressourcen, einschließlich des Wasserverbrauchs, bewertet. Die Wirtschaftshochschule tut viel für den Klimaschutz. Dazu gehören auch soziale Aspekte der Klimafolgen, zum Beispiel in Bezug auf die Lebensverhältnisse der australischen Ureinwohner. Ein erster Schritt der Umstellung auf Nachhaltigkeit bestand laut Stephanie Schleimer darin, keine Textbücher mehr zu verwenden, weil darin die Nachhaltigkeitsinhalte fehlten. Auch Prüfungen gibt es beim MBA heute nicht mehr, nur „authentische Beurteilungen“. Das heißt, die Wirtschaftshochschule arbeitet kaummit Fallstudien. Sie fördert vielmehr die Zusammenarbeit mit NGOs aus der Region oder stellt konkrete Challenges, bei denen Studierende soziale Geschäftsideen entwickeln müssen. „Case Studies sind oft zu weit weg von der unternehmerischen Realität.“ Die Studierenden, die meist berufsbegleitend studieren und aus verschiedensten Branchen kommen, sollen die Herausforderungen ihrer eigenen Unternehmenspraxis bearbeiten. Es gehe darum, Nachhaltigkeitswerte wirklich zu verinnerlichen – nicht darum, schöne Nachhaltigkeitsberichte schreiben zu können. „Nachhaltigkeit ist keine Marketingübung.“ Rankings bilden Nachhaltigkeit nicht ab Doch angehende Studierende können nicht immer vorab hinter die Kulissen blicken. Deshalb ist es schwer zu beurteilen, welche Wirtschaftshochschulen es wirklich ernst meinen. „Auch Rankings haben damit ein Problem“, meint Nachhaltigkeitsexpertin Giselle Weybrecht. Kriterien wie Gehalt und Karriereaussichten ließen sich viel leichter ermitteln als die Fähigkeiten von Absolventen, die richtigen Entscheidungen für die Menschen, den Planeten oder ein Unternehmen zu treffen. Durch Rankings könne man den Anschein erwecken, viel zu tun, indemman einfach nachhaltigkeitsbezogene Schlüsselwörter aufliste. „Deshalb muss man bei den Nachhaltigkeits-Rankings vorsichtig sein.“ Nachhaltigkeit haben viele Rankings allerdings nur marginal auf dem Schirm. Das US-Unternehmen Princeton Review bietet etwa die Rubrik „Best Green MBA“. Dieses basiert auf der Einschätzung der Studierenden, wie gut ihre Schule sie auf Umwelt-, Nachhaltigkeits- und soziale Verantwortungsthemen und auf eine Karriere in einem grünen Arbeitsmarkt vorbereitet. Auch die Financial Times hat bei ihrem Global MBA-Ranking 2022 ein neues Kriterium für ESG-Kriterien eingeführt. Es basiert auf dem ESG-Anteil der Unterrichtsstunden in den Kernfächern. Im Gesamtranking zählt dieses allerdings nur 3 Prozent, der Hauptfokus liegt nach wie vor auf der Gehalts- und Karriereentwicklung. Gerade diese Dimensionen scheinen an Bedeutung zu verlieren. Laut der Rising-Leaders-Studie würden 51 Prozent der Studierenden in Wirtschaftswissenschaften ein geringeres Gehalt akzeptieren, um für ein umweltfreundliches Unternehmen zu arbeiten – 2015 waren es noch 44 Prozent. Stephanie Schleimer hat beobachtet, dass die Haltung sich durch Erfahrungen in grünen Jobs verändert. Das Griffith-MBA-Programm haben bereits mehr als zweitausend Studierende durchlaufen. Viele kommen aus dem mittleren oder oberen Management. Ende 2021 führte die MBA-Direktorin eine Befragung der letzten 200 Absolventen durch. Das Ergebnis: Die meisten hatten eine Gehaltserhöhung zu verzeichnen, aber es war für sie nicht wichtig. „Sie haben zum ersten Mal darüber nachgedacht, was für sie bei der Karriere wirklich zählt.“ Viele hätten sich selbst nachhaltige Jobprofile geschaffen und die Nachhaltigkeitskompetenz ihrer Organisationen vorangetrieben. Eine Managementausbildung mit wertebasiertem Fokus beinhalte auch, Neinsagen zu lernen. Stephanie Schleimer hat das verinnerlicht: Wenn angehende Studierende nur auf Karriere- und Gehaltsentwicklung schauen, empfiehlt sie einen klassischen Executive MBA. „Wir sind nicht jedermanns Sache und das ist o.k.“ STEFANIE HORNUNG ist freie Journalistin und möchte ihre Arbeit nachhaltig gestalten. Termine und Reportagen nimmt sie meist virtuell oder mit ÖPNV wahr, bei der Wahl der Interviewpartnerinnen und -partner achtet sie auf Diversity.
10 MBA personalmagazin plus: MBA 2022 „ Studierende möchten unternehmerisch gestalten“ Als Clinical Professor an der Kellogg School konzentriert sich David Schonthal auf die Lehre und praktische Anwendung. Außerhalb der akademischen Welt hat er selbst in den Bereichen Design, Innovationsberatung und Risikokapital zahlreiche Produkte und Dienstleistungen entwickelt und eingeführt.
11 Entrepreneurship Personalmagazin: Herr Schonthal, ein eigenes Unternehmen gründen oder Karriere im Innovationsmanagement machen – wie attraktiv ist das für MBA-Studierende? David Schonthal: Für Vollzeitstudierende war das schon immer sehr attraktiv. Sie erhoffen sich vom MBA-Studium das Netzwerk und die Fähigkeiten, sich irgendwann selbstständig machen zu können. Ihr eigener Chef sein und zwar zu selbstgewählten Bedingungen, das ist ein Versprechen von Autonomie und Freiheit. Bei Kellogg sind Kurse für Entrepreneurship nicht Teil des Kernlehrplans, aber 70 Prozent der Studierenden entscheiden sich aktiv dafür. Einen Schub erleben wir vor allem beim Executive MBA. Den wählten in der Vergangenheit meist Leute, die berufsbegleitend studiert haben, die die nächste Karrierestufe gehen wollten und denen das Unternehmen ihren MBA gezahlt hat. Nun finanzieren zwei Drittel ihr Studium selbst. Diese Studierenden möchten immer häufiger unternehmerisch gestalten. Wie viele der Studierenden, die Entrepreneurship-Kurse belegen, haben später tatsächlich in der einen oder anderen Form beruflich mit Unternehmertum zu tun? Nach Untersuchungen der Kellogg-Fakultät liegt das Durchschnittsalter erfolgreicher Entrepreneure bei der Gründung des eignen Unternehmens bei 45 Jahren. Also gründen sie im Schnitt oft mehr als fünfzehn Jahre nach Abschluss eines Vollzeitstudiums, das die meisten mit Ende 20 oder Anfang 30 abschließen. Aber nicht alle, die Unternehmer werden wollen, sollten auch Unternehmer sein. Warum? Kannman Unternehmertum also gar nicht lernen? Nun, ja und nein. Wir können Menschen beibringen, wie sie am besten vorgehen, welche Tools sie brauchen oder wie sie Entrepreneurship scheitert meist nicht an guten Ideen, sondern an den Widerständen gegen Veränderung, meint David Schonthal, Mitautor des Buchs „The Human Element“. Diese Erkenntnis möchte er als Professor für EntrepreneurshipProgramme an der Kellogg School of Management stärker zum Tragen bringen. Interview Stefanie Hornung trotz minimaler Ressourcen ein Start-up aufbauen können. Aber wir können niemandem Resilienz, Mut oder Entschlossenheit lehren. Nicht jeder kann Unternehmertum. Die große Mehrheit kann es nicht, was zum Teil an der Veranlagung liegt. Es ist nichts Schlimmes, wenn es einem an Beharrlichkeit fehlt. Wenn man das weiß, ist es ein Vorteil: Dann kann man einen Berufsweg einschlagen, bei dem diese Eigenschaft weniger wichtig ist als bei einer Unternehmensgründung. Denn da wird man oft ein „Nein“ hören oder „Du liegst falsch“. AlanMusk hat vor einiger Zeit behauptet, dass zu viele MBAs die Fähigkeit von Unternehmen untergraben, kreativ zu denken und Kundenbedürfnisse zu erfüllen. Was ist aus Ihrer Sicht an dem Image dran, dass MBAs eher Erfüllungsgehilfen imManagement als innovative Geister sind? Nichts, aber ich verstehe das darin enthaltene Vorurteil: die Annahme, dass die meisten Business Schools ihren Studierenden beibringen, erst zu analysieren und dann zu handeln. Und dass Kundenforschung typischerweise von Marketingabteilungen und Agenturen mittels Umfragen und Fokusgruppen durchgeführt wird. Früher wurde gelehrt, dass die Aufgabe eines „Managers“ darin besteht, zu managen – und nicht, Entdeckungen in der Praxis selbst zu machen. Das galt für die meisten Business Schools, ist aber heute nicht mehr so. Wie läuft es denn stattdessen heute? Wir bei Kellogg möchten allen Studierenden beibringen, wie Gründer zu denken. Das beginnt damit, dass sie in aller Tiefe die Probleme der Menschen erforschen, die sie zu lösen versuchen. Wie Anthropologen, die selbst ins Feld gehen. Das geistige Eigentum eines Unternehmens besteht darin, etwas über Menschen herauszufinden, was andere noch nicht wissen. Dann muss man
12 MBA personalmagazin plus: MBA 2022 schnell mit Lösungen und Geschäftsmodellen experimentieren und iterieren, bis man etwas entdeckt, das wünschenswert, lebensfähig und machbar ist. Diese Fähigkeit ist auf alle Arten von Unternehmen übertragbar, nicht nur auf Start-ups. Inwiefern hat die Pandemie den Innovationsdruck auf Business Schools verstärkt? Über Videos und Podcasts kann man heute so ziemlich jede Theorie lernen. Für Business Schools ist es deshalb noch wichtiger geworden, eine einzigartige Erfahrung in ihren Klassenzimmern vor Ort und vor allem online zu bieten. Im Zuge der Pandemie habe ich persönlich einen Teil meiner Vorlesungen im Voraus aufgezeichnet und asynchron zur Verfügung gestellt. Ich verwende auch Videos von Drittanbietern, zum Beispiel Steve Blanks Udacity als „Lehrbuch“ für meinen Kurs zur Neugründung. Steve Blank ist der Begründer der Lean-Start-up-Bewegung und Pionier der modernen unternehmerischen Praxis. Warum sollten die Studierenden zu Kellogg kommen, damit ich ihnen das Gleiche erzähle, was er ihnen online und kostenlos erzählt? Studierende entscheiden sich für die Business School, um Wissen und Erfahrungen zu sammeln, die sie nirgendwo anders bekommen können. Wie bereiten Sie die Studierenden in den Kursen darauf vor, dass Unternehmertum kein Spaziergang ist? Die Kurse vermitteln nicht nur unternehmerische Fähigkeiten, sondern auch die emotionale Reise des Unternehmertums. Im Entrepreneur-Einführungskurs zeige ich den Studierenden ein Diagramm: Am Anfang sehen sie ein glückliches Gesicht bei der Aussicht, ihr eigener Chef zu sein und viel Geld zu verdienen. Dann geht die Kurve schnell nach unten, während sich die Reise von der Phase des „naiven Optimismus“ zur Phase des „informierten Pessimismus“ entwickelt – etwa, wenn sie merken, dass Märkte hart umkämpft sind. Wenn sie dann neue Methoden und Werkzeuge an die Hand bekommen, um Probleme neu zu formulieren und mit Gegenwind umzugehen, steigt die Kurve wieder an und erreicht die Phase des „informierten Optimismus“. Dies ist der emotionale Bogen des zehnwöchigen Kurses. Die Studierenden können in Echtzeit spüren, wie es ist, ein Unternehmen zu gründen – weil sie es tun. Im besten Fall stellen sie fest, dass sie von Natur aus mehr Beharrlichkeit besitzen, als sie dachten. Das ist großartig, aber nichts, was wir hervorbringen, wenn es nicht schon da sind. Sie erklären im Buch „The Human Element“, dass man im Innovationsmanagement oft den Reiz einer Idee zu erhöhen versucht, statt sichmit Widerständen auseinanderzusetzen, die sie auslöst. Wie machen Sie das den Studierenden klar? Viele angehende Entrepreneure gehen davon aus, dass eine gute Idee alle Widerstände überwindet. Wenn sie zwischen Buchtipp: „The Human Element“ In ihrem Buch entwickeln David Schonthal, Leiter der Entrepreneurship-Programme an der Kellogg School of Management, und Loran Nordgren, Kellogg-Professor für Management, ihre Fuel-andFriction-Theorie. Sie glauben, dass Innovatoren die Attraktivität einer Idee häufig überschätzen. Die andere Hälfte der Erfolgsgleichung werde übersehen: die Widerstände, die dem angestrebten Wandel entgegenwirken. Die Autoren unterschieden vier Arten psychologischer Kräfte, die dabei eine Rolle spielen: 1. Trägheit: Der überwältigende Wunsch, an dem festzuhalten, was man kennt. Menschen ziehen vertraute Dinge der Gegenwart einer ungewissen Zukunft vor, auch wenn sie sich im Klaren sind, dass der Status quo unzureichend ist. Die Trägheit ist umso größer, je größer die Abweichung oder der Bruch zum Bestehenden ist. 2. Anstrengung: Je mehr körperliche, geistige oder sogar wirtschaftliche Energie erforderlich ist, um die Änderung umzusetzen, und je mühsamer die Änderung ist oder als solche empfunden wird, desto stärker ist der Widerstand dagegen. 3. Emotionen: Jede Innovation kann unbeabsichtigt negative Emotionen auslösen. Wenn jemand bekanntes Terrain verlässt und auf ungekanntes umsteigt, ist das immer mit einer gewissen Beklemmung, Angst, Unruhe oder Nervosität verbunden. 4. Reaktanz: Wenn sich jemand durch einen Wandel unter Druck gesetzt fühlt, erhöht das den Widerstand. Je weniger Möglichkeiten Menschen haben, Veränderungen selbst zu gestalten, desto stärker wehren sie sich dagegen. Loran Nordgren, David Schonthal: The Human Element: Overcoming the Resistance That Awaits New Ideas. Wiley, September 2021
13 Entrepreneurship Idee und Umsetzung in eine Sackgasse geraten und nicht alle von einer Innovation begeistert sind, dann denken sie: „Irgendetwas an der Idee muss falsch sein. Ich erkläre sie nicht richtig oder ich setze sie nicht angemessen in Szene.“ Sie unterschätzen, wie stark die Anziehungskraft des Status quo ist. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Mit unserer FrictionTheorie versuchen wir ein Umdenken anzuregen: Es kann sinnvoll sein, zunächst zu überlegen, welche Reibungen eine Idee auslöst und warum. Klingt logisch. Aber in der Praxis ist das gar nicht so einfach, diese Art des Perspektivwechsels … Ja, Menschen neigen dazu, die Dinge durch die Brille ihrer eigenen Erfahrung zu betrachten. Wenn wir auf der Autobahn einen rücksichtslosen Fahrer sehen, der zu schnell fährt und andere riskant überholt, denken wir, da sitzt eine unfähige oder alkoholisierte Person am Steuer. Aber wer weiß, vielleicht ist jemand auf dem Weg ins Krankenhaus oder es steckt ein anderer Notfall dahinter. Wenn es um Innovation geht, führt diese Unfähigkeit, von der Innen- zur Außenperspektive zu wechseln, zu der falschen Annahme, dass wir allein die Kontrolle darüber haben, ob etwas erfolgreich ist oder nicht. Wir konzentrieren uns zu sehr auf die Idee und zu wenig auf das Publikum. Wie kannman Hindernisse auf demWeg zumEntrepreneurship am besten überwinden? Eine reibungslose unternehmerische Reise ist eine Art Oxymoron. Unternehmer stoßen immer auf Menschen und Organisationen, die sich nicht vom Status quo wegbewegen oder sich nicht die Mühe machen wollen, ihre Ideen zu prüfen. Aber es ist wie in den Marvel-Superheldenfilmen: Die X-Men sind ganz normale Menschen, die bemerkenswerte Superkräfte entwickeln, weil sie an ihren Herausforderungen wachsen. Schwierige Aufgaben spornen sie an und lassen sie erkennen, dass sie Fähigkeiten haben, die sie vorher nicht zu schätzen wussten. Ein bisschen Stress ist für Unternehmertum also ganz gut. Es gibt aber auch strukturelle Hindernisse für Gründertum, vielleicht nicht in den USA, aber anderswo schon … Das stimmt, die USA sind ziemlich einzigartig, was die Förderung von Unternehmertum angeht. Kulturell bedingt haben wir eine gewisse Toleranz für Misserfolge. In vielen Ländern der Welt, zum Beispiel in Teilen Asiens und des Nahen Ostens, wird unternehmerisches Risiko oder Scheitern überhaupt nicht geschätzt. Je nach Kultur schrecken die Menschen vor Innovationen zurück, weil Veränderungen mit Aufwand, Emotionen oder Abwehrhaltungen verbunden sind. An dieser Stelle wird die Reibungstheorie aus unserem Buch interessant: Sie kann dazu beitragen, bestimmte Hindernisse zu reduzieren. Zum Beispiel? In den Vereinigten Arabischen Emiraten galten Start-ups in den letzten Jahren als neue Energiequelle für das Land – die Zeit der großen Ölexporte in den 1990ern ist vorbei. Um Wachstum zu generieren, wollte die Regierung eine Bewegung für Unternehmertum katalysieren. Doch die Jungunternehmer – vor allem die an den Universitäten – stießen auf viele bürokratische und kulturelle Hürden. Von der Idee bis zum Launch eines Produkts verging mindestens ein Jahr. Hinzu kam: In Dubai gilt Scheitern traditionell als Stigma, nicht nur für die Unternehmer selbst, sondern vor allem für deren Familien. Ein Job in der Verwaltung oder der Regierung ist viel höher angesehen. Die Regierung in Dubai hat deshalb ein Innovationshub aufgebaut und dafür die Dubai Future Foundation (DFF) gegründet. Wie ist diese Einrichtungmit den Vorbehalten demGründertum gegenüber umgegangen? Es entstanden neue Fördertöpfe, Vernetzungsmöglichkeiten und eine Art kreative Freihandelszone mit lockeren Regelungen für die Zulassung von Businesseinheiten. Außerdem erklärte der Premierminister der VAE, seine Hoheit Sheikh Mohammad bin Rashid Al Maktoum, in einem Strategiepapier Entrepreneurship zur nationalen Aufgabe. Die Regierung von Dubai verschickte ein von dem Herrscher persönlich unterzeichnetes Dankesschreiben an die Eltern derjenigen, die das DFF-Unternehmerprogramm absolviert hatten. Dies hat viel dazu beigetragen, Unternehmertum im Land neu zu gestalten. Inwiefern beherzigen Sie als Direktor für Entrepreneurship von Kellogg ihre Friction-Theorie? In hohem Maße! Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe, Hindernisse zu beseitigen, die einer unternehmerischen Tätigkeit imWege stehen. Nicht alle Hindernisse, denn ein wenig Reibung hilft Unternehmern wie gesagt, ihren Mut und ihre Ausdauer zu entdecken. Aber bei strukturellen Hürden können wir auf jeden Fall helfen. Jede und jeder Studierende hat einen anderen unternehmerischen Weg. Wir sind bestrebt, eine Kellogg-Reise zu entwerfen, die genau auf die Bedürfnisse eines bestimmten Gründers oder einer Gründerin zugeschnitten ist – in funktionaler, akademischer, sozialer und emotionaler Hinsicht. Aber die Entrepreneur-Kurse sind freiwillig und gehören nicht zum Kernlehrplan. Welche Bedeutung haben sie für Kellogg da überhaupt? Wenn man jemanden in eine bestimmte Richtung drängt, erhöht das eher den Widerstand. Unternehmertum ist keine Karriere, sondern eine Berufung. Diese Berufung kann sich während des Studiums bei uns abzeichnen oder 15 Jahre später. Unser Ziel ist es, Studierende fachlich und geistig vorzubereiten, ein eigenes Unternehmen zu gründen oder zu kaufen. Unternehmertum ist „opt in“. Wenn 70 Prozent der Studierenden, die einen Entrepreneurship-Kurs besuchen, feststellen, dass das Unternehmertum nichts für sie ist, ist das großartig! Die Business School ist genau die richtige Umgebung, um verschiedene Zukunftsperspektiven „auszuprobieren“. Ihnen schwebt eine Art Karrierecoaching vor. Wie soll das konkret aussehen? Dass Studierende auf das falsche Ziel ausgerichtet waren, bemerkten sie früher oft erst nach 70 Prozent ihrer Ausbildung. Für uns ist es deshalb wichtig zu verstehen, warum jemand eine unternehmerische Laufbahn anstrebt. Mit einer Kombination aus Assessment Tools und Executive Coaching können wir besser sicherstellen, dass sie frühzeitig den für sie besten Weg einschlagen – ob im Entrepreneurship oder einer klassischen Unternehmenskarriere. Zwei Jahre vergehen schnell. Alles, was wir zu bieten haben, sollen Studierende in der Zeit optimal nutzen können.
14 MBA personalmagazin plus: MBA 2022 Raus aus der Komfortzone: Für ihren Management-Master in St. Gallen ließ sich die Kanadierin Azin Zeller auch auf Schweizerdeutsch ein. Nicht einfach, und etwas ganz Neues. Aber für Zeller gehört das genauso zur Studienerfahrung. Von Julia Senner Führen wie beim Curling Erst ein Lächeln in die Webkamera, dann ein kurzer Moment der Stille. Azin Zeller denkt nach. Darüber, was der Schlüsselmoment ihres St. Galler SIM-Studiums (Strategy und International Management) war. „Es gibt viele“, sagt sie dann. „Aber ich wähle bewusst diesen einen.“ Es ist ein Leitgedanke, den Direktor Omid Aschari bei der Graduierungsfeier an die Absolventinnen und Absolventen richtete: Versucht das Beste zu geben, bei allen Chancen, die ihr bekommt. Das Leben ist einmalig. Es gibt keine Wiederholungen. Eine der Devisen, die Zeller seither trägt. Der SIM war mehr als ein akademischer Abschluss für sie. Er habe vermittelt, was verantwortungsvolle Führung bedeutet. Mit 25 Jahren brach Azin Zeller von Kanada auf, um in St. Gallen ihren Master in SIM zu absolvieren. Mit im Gepäck: ihr Bachelorabschluss der Universität British Columbia, erste Arbeitserfahrungen in einem Start-up und die Vorfreude auf Europa. Denn bereits im Bachelor machte sie ein Auslandssemester in Paris. „Ich liebte Europa“, platzt es aus ihr heraus. Darum kam ihr der Gedanke, für den Master zurückzukommen. Ihre Wahl fiel auf einen Master in Management (MiM) an der Universität St. Gallen, die zum elften Mal den ersten Platz im Financial Times MiM-Ranking belegte. „Das Programm hat einen exzellenten Ruf.“ Aber noch wichtiger für Zeller: Das Studium in St. Gallen bietet ein besonderes Umfeld, voll mit Projekten und Networking. Hier treffen sich nicht nur Akademiker, sondern junge Menschen mit ganz unterschiedlichen Talenten – aus Deutschland, Europa und dem Rest der Welt. Teamarbeit und Wettbewerb Leistungsbereitschaft ist einer der Schlüssel zum Erfolg. „Der SIM ist fordernd. Und es braucht Engagement“, erläutert Zeller. Für Einzelkämpfer scheint das Programm nichts zu sein. Fast 50 Prozent der Note machen Teamleistungen aus. Dabei erlernte Zeller hilfreiche Soft Skills: organisieren, delegieren und Gruppenprozesse so gestalten, dass alle Mitglieder effektiv arbeiten können. „Am Ende bist du nur so stark wie das Team.“ Diejenigen, die nur gewohnt waren, allein zu arbeiten, taten sich schwer. Trotzdem: Wettbewerb gehört dazu. „Nur darfst du darin nicht untergehen.“ Zeller hat das geschafft und Freundschaften fürs Leben geschlossen. „Meine SIM-Freunde waren sogar auf meiner Hochzeit“, erzählt sie. Denn stressige Phasen gemeinsam durchzustehen, das schweißt zusammen. Das St. Galler Programm hat Zellers Weg stark geprägt. Ein wichtiger Schritt war auch das Pflichtpraktikum, das sie bei L’Oréal absolvierte. Ein Professor empfahl sie und Zeller überzeugte. Nach dem Masterabschluss ging ihre Karriere
15 Porträt „ Der Master in Management ist fordernd. Man braucht viel Engagement.“ dort weiter. Das laufe bei den meisten Absolventen so. „Du hast dann einfach den Fuß in der Tür.“ Im Anschluss an ihr Studium bot ihr L’Oréal eine TraineeStelle in New York. „Wer sagt da schon Nein?“ Es folgten Stationen in Paris und Toronto. Zwei Jahre war Zeller bei L’Oréal. Es waren harte Jahre, aber so entwickelte sich Zeller zur Expertin für Customer Experience. Expertise, die sie jetzt als Senior Consumer Experience Expert bei der Allianz einbringt. Dort hat sie viel Raum, den Bereich zu gestalten, zu optimieren und ihre Erfahrung einzubringen. Führung heißt Verantwortung Für Zeller war das Masterprogramm ein Investment für ihre Karriere und ihre Zukunft. „Dazu gehören nicht nur die Fähigkeiten, die wir als Studierende erwerben konnten, sondern auch der Austausch.“ Und natürlich zählt das Image des Programms. Das ist definitiv ein Faktor für Unternehmen, im Blick auf die Qualität der Ausbildung und das Netzwerk. Doch was der SIM Zeller am meisten lehrte: Dass Führung Demut und Verantwortung braucht. Denn „du musst immer daran denken, dass du für Menschen verantwortlich bist.“ Zeller vergleicht das mit demWintersport Curling. Der Spieler, der durch Wischen die Eisbahn präpariert, ist vergleichbar mit einem guten Leader. Er sorgt dafür, dass die anderen Spieler den Stein ins Ziel bringen können. Er befähigt alle Teammitglieder, zum Erfolg beizutragen. „Das ist nicht der glorreiche Job. Gefeiert werden die anderen. Aber den Leader braucht es dafür.“ Zu lernen, was verantwortungsvolles Führen heißt, spiegelte sich für Zeller in allen Programmteilen ihres Studiums. Der SIM in St. Gallen, der sich nur in Vollzeit studieren lässt, hat zwei Bausteine. Im ersten Jahr sind die Inhalte festgelegt, im zweiten Jahr besteht mehr Wahlmöglichkeit. Es gibt eine Reihe an Teamprojekten und monatliche Regulars‘ Tables. Herausforderung und Highlight zugleich war für sie die „SIMagination Challenge“, ein Social-EntrepreneurshipProjekt, das die Studierenden in kleinen Teams außerhalb der Schweiz und ihrer Heimatländer umsetzen. Zeller und ihr Team griffen ein Projekt aus dem Vorjahr auf: Junge Menschen an der High School ermutigen, Englisch zu lernen und im Ausland zu studieren. Das Projekt fand bereits in Nicaragua statt, Zeller und ihr Team brachten es nach Yizhou in China. „Dort hatten die Studierenden noch nie jemanden gesehen, der nicht aus China kam.“ Das Projekt war harte Arbeit: „Wir mussten es selbst vorbereiten, Visa beantragen, Kontakte herstellen, das Geld zusammenbringen“, erläutert Zeller. Mit Erfolg. Später arbeitete sie für das Projektmanagement von „SIMagination“ und betreute Studierende. So finanzierte sie ihr Studium, neben den Ersparnissen, die sie aus ihrem Job vor dem Master zurückgelegt hatte. Etwa 1.500 Schweizer Franken pro Semester bezahlte Zeller damals für ihr Studium, heute sind es 3.329. Im Vergleich zum MBA sind die Kosten geringer – das Netzwerk habe sie im SIM genauso erhalten. Das hält Zeller für einen Pluspunkt. „Dem Stress trotzen, raus aus der Komfortzone“: Mit dieser Einstellung trat Zeller ihren Master in Europa an. Dazu gehört auch, als Kanadierin Schweizerdeutsch zu lernen. Zumindest ein bisschen. Die Kanadierin Azin Zeller absolvierte vor zehn Jahren einen Master in Strategy and International Management an der Universität St. Gallen. JULIA SENNER beschäftigt sich als Volontärin beim Personalmagazin unter anderem mit Weiterbildungsthemen.
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Alternativprogramme 17 Gut und günstig, aber weniger wertvoll 2.900 Euro (2.400 englische Pfund) ausdrücklich an Führungskräfte mit mindestens fünf Jahren Managementerfahrung. Fünf Tage Präsenz in London oder wahlweise im virtuellen Klassenraum und rund 3.300 Euro (2.695 englische Pfund) Studiengebühren müssen Teilnehmende des Mini-MBA in Business Leadership der University of Salford Business School investieren. Dieses Angebot, das sagt die Universität ausdrücklich, soll Lust machen auf den klassischen MBA, den sie ebenfalls anbietet. Die private Bildungsorganisation Abilitie mit Sitz in Austin, Texas, setzt ebenfalls auf Mini-MBAs. Bevor Bjorn Billhardt das Unternehmen zusammen mit Partnern 2015 gründete, hatte er seinen MBA in Harvard gemacht und dort einige der ersten interaktiven Online-Führungssimulationen entwickelt. Seit Anfang des Jahres hat Abilitie aufgrund der großen Nachfrage nach Europa expandiert und einen offiziellen Sitz in London. Geworben wird unter anderem damit, dass mittlerweile mehr als 20.000 High-Potentials von Fortune-500-Unternehmen wie Coca-Cola oder Dell ausgebildet wurden. Der Rising Leader Mini-MBA ist ein 10 bis 14-wöchiges Online-Programm mit Kohorten von 10 bis 14 Studierenden für Unternehmen, die ihren Führungskräften und Direktoren eine personalisierte MBA-Weiterbildung anbieten möchten. Abilitie selbst nennt es ein „MBA-Bootcamp“. Für private Interessenten wie Nachwuchsführungskräfte, Jungunternehmer und -unternehmerinnen sowie für Unternehmen gedacht ist der Invited MBA, ein ebenfalls online laufendes Programm über 12 Wochen für 1.600 Euro. Das Besondere daran: Invited vergleicht das Programm bewusst mit einem klassischen Vollzeit-MBA. Demnach fehlt bis auf die Akkreditierung nichts, Sie heißen „Mini-MBA“, „Micro-MBA“ oder „MBA Essentials“, verfügen in der Regel über keine der bekannten Akkreditierungen, wie sie die großen Business Schools vorweisen können, sind dafür aber kurz und günstig. Fast alle setzen auf Inhalte prominenter und anerkannter Partner und Referenten. Einige konzentrieren sich auf Vollzeit-Präsenzangebote am Wochenende, andere setzen auf Online-Inhalte, die selbstgesteuertes Lernen unabhängig von Zeit und Ort ermöglichen. Viele Programme kombinieren praktisches Lernen allein und mit anderen mit projektbasierten Aktivitäten und versprechen Zugang zu professionellen Mentoren, Peer-Netzwerken und aktiven Alumni-Gemeinschaften. Ausgewiesenes Ziel ist es, den Teilnehmenden einen schnellen Zugang zu grundlegenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Geschäftsstrategien zu geben. Viele Anbieter der Mini-MBAs bieten auch den klassischen MBA an. Sie weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Mini-Variante kein vollumfängliches MBA-Studium ersetzt. Vielmehr soll so ein Kurs dabei helfen, sich für oder gegen eine klassische MBAAusbildung zu entscheiden. Mini-MBA ist nicht gleich Mini-MBA Die kürzesten Mini-MBAs dauert gerade einmal vier Tage. Die Birkbeck University of London bietet einen Mini-MBA zum Beispiel an vier Samstagen für rund 1.000 Euro (830 englische Pfund) an. Europäer vom Festland brauchen dafür ein Besucher-Visum, andere Voraussetzungen gibt es nicht. Die London School of Business and Finance LSBF richtet sich mit ihrem Vier-Tage-Mini-MBA für rund Von Gudrun Porath Das klassische und teure MBA-Studium kann und will sich nicht jeder leisten. Die Coronapandemie hat kürzeren und günstigeren Kursen und Programmen einen Schub gegeben. Sie können je nach den persönlichen Möglichkeiten und Zielen eine Alternative für eine Managementweiterbildung sein – ein Ersatz für die klassischen MBA-Programme sind sie nicht.
personalmagazin plus: MBA 2022 MBA 18 GUDRUN PORATH ist freie Journalistin und beobachtet für das Personalmagazin und die Zeitschrift „wirtschaft + weiterbildung“ die Trends auf dem Weiterbildungsmarkt. was die großen Programme ausmacht. Betont werden die intensiven Business-Simulationen, zu denen sich die Teilnehmenden virtuell treffen. Auch hier wird Wert darauf gelegt, dass die Absolventen Zugang zu einem großen Karrierenetzwerk haben. MBA Essentials: Appetithappen mit Mehrwert Lust machen auf mehr, gleichzeitig aber auch eine Grundausbildung in Business Management anbieten sollen sogenannte MBA Essentials, Online-Kurse, die zum Beispiel von der University of Stellenbosch Business School USB-Ed in Südafrika oder der London School of Economics and Political Science LSE angeboten werden. Ihr Angebot an Führungskräfte lautet, in überschaubarer Zeit die technischen Fähigkeiten entwickeln zu können, die es braucht, um bessere strategische und operative Managemententscheidungen zu treffen und zugleich das Grundlagenwissen für einen möglicherweise folgenden MBA zu erwerben. Die USBEd geht von einer Studienzeit von 15 Wochen aus, in denen die Lernenden sich acht bis 12 Stunden pro Woche intensiv mit den online zur Verfügung gestellten Inhalten befassen sollen. Wie beim klassischen MBA wird mit Fallstudien gearbeitet und Wissen in Wirtschaftswissenschaften, quantitativen Methoden und Rechnungswesen vermittelt – ausdrücklich auch, um sich als Bewerberin oder Bewerber für ein MBA-Programm zu profilieren. Inklusive Abschlusszertifikat kostet der Kurs 1.572 Euro. Die LSE hingegen weist in der Werbung für ihren zehn Wochen dauernden Online-Zertifikatskurs MBA Essentials explizit darauf hin, dass dieser keinesfalls den Zugang zu einem MBAProgramm garantiert. Die Kosten liegen bei rund 3.874 Euro. Diesen und andere Online-Zertifikatskurse nutzt die Universität als Marketinginstrument, um auf sich aufmerksam und ihr Angebot einem breiteren internationalen Publikum zugänglich zu machen. Beide MBA-Essential-Kurse laufen auf der Online-Lernplattform GetSmarter, die auch die Inhalte für das Online-Selbststudium aufbereitet hat. GetSmarter ist Teil des US-amerikanischen Bildungskonzerns 2U, über den mehr als 230 Universitäten weltweit Online-Kurse und -Programme anbieten, die bislang von rund 140.000 Menschen absolviert wurden. Ab Mitte 2021 erhalten alle aktuellen und ehemaligen GetSmarter-Studenten unbegrenzten Zugang zu 2Us Career Engagement Network (CEN) mit Tipps für die Stellensuche, Fachartikeln von Experten und der Möglichkeit, direkt Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern aufzunehmen oder die Stellenbörse zu nutzen. MBA für alle Eines der jüngsten und zugleich günstigsten Angebote am Markt ist der 2017 in Spanien gegründete ThePowerMBA für 885 Euro. Das Programm des unter ThePower Business School firmierenden Anbieters wirbt mit einem vollständigen MBA-Curriculum und folgt dem Netflix-Konzept: die Grundlage bilden 15-minütige Videos als Micro-Lerneinheiten, unter anderem von Netflix-Gründer Marc Randolph oder Blinkist-Mitgründer Tobias Balling. Das Besondere daran: die englischsprachigen Videos gibt es mit deutschen Untertiteln. Content-Partner ist außerdem Harvard Business Publishing. Durchgearbeitet werden sollen alle Lektionen in 14 Monaten. Wer das nicht schafft, hat bis zu 18 Monate Zugriff auf die Plattform. Insgesamt umfasst die Unterrichtszeit 88 Stunden. Außerdem gibt es zusätzliche virtuelle Live-Klassen und mehr als 250 NetworkingEvents im Jahr. Genau diese Events sind es, die das Angebot nach Ansicht vieler Teilnehmenden so wertvoll machen. Akkreditiert ist das Programm nicht. Der Nachfrage tut das keinen Abbruch. Aktuell ist ThePowerMBA ausgebucht, Interessenten können sich auf eine Warteliste setzen lassen. Mobile First ist das Motto der Quantic School of Business and Technology. Im Angebot sind ein MBA für Berufseinsteiger und ein Executive MBA für Führungskräfte mit einigen Jahren Berufserfahrung für jeweils 9.600 US-Dollar. Die Inhalte werden über eine App zur Verfügung gestellt, die auch als Social-Learning-Plattform für die Zusammenarbeit mit Lerngruppen dient. Die Dauer der Programme ist auf je 13 Monate ausgelegt. Zudem haben die Teilnehmenden nicht nur lebenslangen Zugang zum Quantic-Karrierenetzwerk Smartly-Talent, sondern auch zu den Lerninhalten. Eine Besonderheit des Programms: Quantic ist bei der US-amerikanischen Distance Education Accrediting Commission DEAC akkreditiert und damit offiziell in den USA anerkannt. DEAC-akkreditiert ist auch die University of the People, die sich wie Quantic und ThePower Business School das Ziel gesetzt hat, elitäre Ausbildungen zu demokratisieren und für jeden erschwinglich zu machen. Statt Kursgebühren werden für den einjährigen UoPeople MBA Bearbeitungsgebühren für die Abschlussarbeiten von 240 US-Dollar je Kurs erhoben. Wer sich für das Programm bewirbt und angenommen werden möchte, muss zwingend einen vorbereitenden Kurs bestehen. Worin liegt der wahre Wert? Wer in Beurteilungen und Kommentaren recherchiert, stellt fest: Als wirkliche Alternative werden die günstigen MBAs in der Regel nicht gesehen. Darauf weist schon die kurze Dauer der Programme hin, die vielfach außerdem noch ausdrücklich für das berufsbegleitende Studium gedacht sind. Für viele sind sie vielmehr ein Einstieg, der dazu führt, später und auf einem womöglich höheren Hierarchie- oder Gehaltslevel einen „richtigen“, akkreditierten MBA einer bekannten Business School anzuhängen. Die LSE oder USB-Ed bieten ihre MBA-Essential-Kurse auch unter diesem Label an, andere weisen in der ProgrammBeschreibung explizit darauf hin. Klassische MBA-Programme werben damit, dass sich die Investition schon deshalb lohnt, weil darauf oft ein großer Karriere- und Gehaltssprung folgt. Wer einen Harvard-MBA in seinem Linkedin-Profil ergänzt, wirbt mit der Marke Harvard auch für sich selbst. Mini-MBA-Programme sind bislang noch relativ unbekannt und tragen daher wenig zur Steigerung des persönlichen Marktwertes bei. Ein weiterer Wert von MBA-Programmen liegt in dem Karriere-Netzwerk und den Kontakten, die sie den Teilnehmenden bieten. Dessen sind sich auch die Anbieter der Mini-MBAs bewusst und werben damit.
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