Schwerpunkt 7 Und dieser Anspruch auf mehr Sinnhaftigkeit und Stolz für die eigene Tätigkeit, erklärt Grünewald weiter, bestünde nun auch bei der Rückkehr in die betriebliche Wirklichkeit. Genau das scheint aktuell nicht mehr richtig zu funktionieren: Wie die aktuelle Job-Studie des Beratungsunternehmens EY zeigt, bewerten die Angestellten in Deutschland ihre Arbeit zwar auch heute noch nahezu durchweg positiv – 95 Prozent sagen, dass sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten – doch das Feedback fehlt. Nur 66 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass ihre Arbeitsleistung entsprechend gewürdigt werde. Das sind deutlich weniger als in der Vorbefragung 2021, als dieser Anteil noch bei 78 Prozent lag. Das wirkt sich auf die Motivation aus: Der Anteil der hochmotivierten Beschäftigten ist mit 17 Prozent der mit Abstand niedrigste Wert, seit EY diese Untersuchung durchführt. Für besorgniserregend hält Psychologe und Marktforscher Grünewald die Erkenntnis, dass viele dieser Bindungsfaktoren, die für Arbeitszufriedenheit und Loyalität stehen und – den Umständen geschuldet – während der Pandemie entwertet wurden, sich in den aktuellen hybriden Arbeitsstrukturen nicht wieder herstellen lassen. Bis zu 60 Prozent der Mitarbeitenden, schätzt Grünewald, wären deshalb im Moment schon gedanklich bei Exitstrategien. Ein weiterer, geschwächter Kohäsionsfaktor ist die Teambindung. „Teams waren Verwurzelungsinseln im Unternehmen. Mitarbeitende konnten hier andocken, sich heimisch fühlen und wurden auch gesehen,“ erklärt Grünewald. Doch plötzlich waren diese Strukturen aufgelöst, auch in Unternehmen, die auf zwei oder drei Präsenztage bestehen, finden sich die bisherigen Teammitglieder nicht unbedingt am selben Tag ein. „Die tiefen Bezüge sind nicht mehr intakt,“ lautet Grünewalds Analyse. Die Lösung könnten Teamtage sein, fest definierte Zeiten, zu denen alle Mitglieder eines bestimmten Teams im Büro sein müssen. Solche Tage sind laut Grünewald extrem wichtig, damit die ursprünglichen Strukturen sich wieder finden können. Auch Teamevents, gemeinsame Feiern, gemeinsame Ausflüge könnten helfen, damit Entkoppeltes wieder zusammenwächst. Dennoch benötige der Teambezug eine Haltung, die einerseits Raum für Privates lässt, gleichzeitig die Beschäftigten jedoch nicht zu sehr im außerberuflichen Kontext absorbiert. Denn zu familiäre Strukturen innerhalb des Teams führten zu einer sozialen Klebrigkeit, die kontraproduktiv wirken könnte. Und könnten, je nach individueller Veranlagung, auch zu Emanzipations- oder Fluchttendenzen einzelner Mitarbeiter führen. Die ideale Teamstruktur sei dementsprechend „privessionell“ – in der richtigen Balance zwischen privat und professionell. Neue Führungsaufgaben in der neuen Arbeitswelt Natürlich, ergänzt Grünewald diese Erkenntnisse, mache es einen qualitativen Unterschied, ob die Zusammenarbeit und Teambegegnungen in einer virtuellen Besprechung oder gemeinsam vor Ort entstehen. Daraus folgten neue Führungsaufgaben: Wichtig werde für Führungskräfte fortan, zu unterscheiden, ob ein Meeting als funktionale Routine-Besprechung remote stattfinden kann oder ob es wichtig, wenn auch zeitaufwendiger, ist, dass die Beschäftigten vor Ort zusammenkommen können. „Über die Räumlichkeit wird die Dringlichkeit der Aufgabe anders kommuniziert. Und auch
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