Personalmagazin plus 9/2023

Ein Hoch aufs Spiel Ich wollte diesen Text als Experiment anlegen und den ersten Entwurf von der KI Chat GPT schreiben lassen. Ich wollte ihn dann mit meinen Erfahrungen aus 15 Jahren HR und Leadership umschreiben und nur die Struktur nutzen. Nach drei Minuten hatte ich einen Text mit knapp 2.300 Zeichen. Beim ersten Durchlesen war ich sehr überrascht, wie gut der Text war. Doch mit jedem Absatz kämpfte ich dagegen an, nicht einzuschlafen. Der Text las sich wie ein 0815-Mission-Statement eines großen Konzerns, dessen PR-Abteilung einen seelenlosen Text mittels Copy & Paste erstellt hatte. In Schulnoten ausgedrückt: • Struktur und Umsetzung: Sehr gut • Kreativität, individuelle Erfahrungen, Praxis: Thema verfehlt Anhand dieses Beispiels zeigt sich, was in Zukunft am Arbeitsmarkt bleiben wird: Mitarbeitende und Teams, die es verstehen, mit der Maschine zusammen ihre Arbeit effektiv, effizient und wunderbar zu machen. Doch hierfür braucht es Menschen in Organisationen, die ihre Angst vor der Zukunft gegen die Neugierde des Kindes eintauschen, das sie einmal waren, bevor ihnen die Erwachsenen und die Schule erzählt haben, dass „null Fehler“ der einzige Weg für Erfolg ist. Das ist der Grund, warum wir Millionen von Erwachsenen auf dem Arbeitsmarkt haben, die beim Wunsch nach Fehlerkultur am liebsten zurück in die Höhle wollen und beim Thema Lernen an die Fratzen der Lehrerinnen Von Ali Mahlodji und Lehrer denken, die ihnen ihre Kindheit erschwert haben. Die große Kunst liegt darin, dass wir Mitarbeitende wieder daran erinnern, wer sie schon immer waren. Nämlich Wesen, die durch ihre Neugier und ihren Spieltrieb die zwei mit Abstand komplexesten Skills mit Leichtigkeit gemeistert haben: das Sprechen der Muttersprache und das Lernen des aufrechten Ganges. Beide Skills sind für unser Gehirn die herausforderndsten Lernaufgaben, und wir haben beide ohne aktive Unterstützung oder Nachhilfeunterricht gelernt, weil wir im Spiel und durch das Vertrauen der Eltern unsere Lernerfahrungen machen durften. Also: versuchen, hinfallen, daraus lernen, nochmal versuchen. Dieser Zyklus ist der Goldstandard für moderne Experimente und das Fundament dessen, wie Unternehmen in Zeiten der Unsicherheit das Neue erschaffen. Dafür braucht es Führungskräfte, die sich ihren Ängsten stellen und auf dieser Reise lernen, ihre Emotionen als Ankerpunkte ihrer Transformation zu nutzen. Nur wer sich seinen Emotionen stellt, hat die empathische Gabe des professionellen Perspektivenwechsels und kann Mitarbeitenden die eigene Neugier vermitteln. Transformation fordert von Führungskräften zu Mini-Psychologen zu werden, damit sie verstehen, warum Mitarbeitende Ideen blockieren oder Angst haben, ihre Ideen mit Kolleginnen und Kollegen zu teilen. Wer die Silos der Organisation abbauen will und möchte, dass die Mitarbeitenden zu Unternehmern im Unternehmen werden, muss verstehen, dass nur der Perspektivenwechsel helfen kann. Dies gepaart mit Formaten, in denen das Experimentieren und das spielerische Erkunden von Lösungen im Fokus stehen, führt zu einer Kultur, in der sich die Belegschaft als die Schöpfer des Möglichen versteht. Doch nur, wenn diese Formate von Haus aus ergebnisoffen angegangen werden. Wer von Anfang an wissen will, wie das Ergebnis eines Experiments ausgeht, der bekommt keine Lösungen, sondern Antworten der Vergangenheit. Und von dort holt sich schon Chat GPT seine Antworten. ALI MAHLODJI ist Gründer, Unternehmer, EU-Jugendbotschafter, KeynoteSpeaker, Berater und Autor. Foto: 2015 vonsteinbauer.at 58 Arbeitswelten personalmagazin plus: Arbeitswelten

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