Arbeitswelten personalmagazin plus: Arbeitswelten 50 Bild Seite 48: SIGNORINAH (Rinah Lang, Berlin) können extern Moderierende weit unbefangener erkennen als Involvierte aus dem eigenen Team oder Unternehmen. Und noch eines wird weit unterschätzt: Es braucht Anleitung, weil Menschen wenig Erfahrung haben, anders zu arbeiten, als sie es jetzt tun. Den Raum ohne den Prozess zu entwickeln, ist eine Illusion. Man kann Mitarbeitende in Techniken trainieren, doch New Work steht auch für einen neuen, größeren Horizont, einen anderen Umgang miteinander und auch eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen den Ebenen eines Unternehmens. Selbst in neuen Arbeitstechniken Geübte messen ihre Nutzerperformance bisher nicht, um auszuwerten, wo und unter welchen Bedingungen sie am besten funktionieren. Unser Grad an Bewusstheit wird weit höher beurteilt, als er tatsächlich ist. Untersuchungen haben ergeben, dass wir mit zunehmendem Alter genau wissen, wie wir uns darstellen, welche Statements wir transportieren und wie wir uns zeigen. Und gleichzeitig handeln wir immer weniger danach. Was Homeoffice nicht kann Ist es nicht ein lustiger Zufall, dass wir beim Wort „gewohnt“ nicht sofort unterscheiden können, ob es von Gewohnheit kommt oder vom Wohnen? Vielleicht entstand im Deutschen diese Analogie aus dem Umstand heraus, dass wir zeitlebens und immer wohnen und die Gewöhnung daher so nahe ist. So ist unser Zuhause auch meistens eingerichtet: Gemütlich wie ein gewohntes Bild in einem Stil, der uns Geborgenheit und Heimat verspricht. Lieblingsfarben, Lieblingsformen und Materialien, Bewohntes und Gewohntes, wohin man sieht. Das war vor 20 Jahren schon das erfolgreiche Konzept bei der großen schwedischen Möbelmarke, die anstatt Abteilungen für Couchen oder Schränke ganze Raumkonzepte (Kojen) zeigte, die vermittelten, dass dieser Bereich tatsächlich in Benutzung ist. Sie ahnen schon: bahnbrechende Veränderungen, kreative Prozesse und sprühende Inspiration, ohne auf irgendeine Form in den Austausch mit anderen zu gehen, muss im Ansatz bei komplexen Themen scheitern. Doch neue Gewohnheiten zu entwickeln, bedeutet für das Gehirn Lernen. Und das ist zunächst einmal Stress, wenn auch ein Eustress, die angenehme Form einer Herausforderung, die uns lösbar erscheint und in den Flow bringt. Dafür empfiehlt die Gehirnforschung eine kreative und emotional anregende Umgebung. Also passt weder der weißgraue, neutrale Schulungsraum ohne Ablenkung und mit viel Disziplin, noch die minimalistische Klosterzelle des einsamen Denkers. Und auch nicht das Wohnzimmer, das uns mit Lieblingsthemen schmeichelt, uns zum Entspannen und passiv Rückziehen auffordert. Gesucht ist eine anregende Umgebung, in der eine Gruppe von unterschiedlichsten Menschen im gemeinsamen, oft gespannten Prozess kreativ sein darf. Und wo vielleicht auch infrage gestellt wird, ob wir uns den richtigen Fragen widmen. Ziel ist, aus allen Richtungen und aus jeder Charaktereigenschaft der Diversität etwas Sinnvolles herauszukristallisieren, was morgen nützlich sein kann. Wir brauchen dafür Vorgesetzte und Moderierende, die diesen Prozess anleiten und vorantreiben. Und wir brauchen Platz, der uns viel Raum zum abschweifenden Experiment anbietet und auch ein provokatives Alles-in-Fragestellen möglich macht. Dieser Erlebnisraum kann kein fader Konferenzraum sein, wir brauchen ein Kreativzentrum, das optimale Bedingungen schafft: Grünpflanzen, die uns verbinden mit der Natur, Farben und Bildwelten, die herausfordernde Emotionswelten antriggern, akustisch wirksame Materialien, die eine angenehme Atmosphäre im Raumklang schaffen. Ein Raum zum Spielen und Experimentieren, wo man auch die Möbel umräumen, neugruppieren und rausstellen darf. Unsicherheit und Ungebundenheit zu erzeugen, ist in der Arbeitswelt weiter verbreitet, als man denkt. Und es ist sehr subjektiv, wie die einzelnen Faktoren erlebt werden. Im Coaching und in Therapie angesprochene Themen sind Territoriumsverlust, (interner) Konkurrenzdruck, Kontrolle, Aufgabenlast, fehlende Ressourcen und Spielraum, zu wenig Kommunikation, Unpersönlichkeit, Ignoranz und Desinteresse. Ein Großteil davon wird von einseitiger Flächeneffizienz begünstigt. Zu wenig Freiräume und den dazugehörenden Raum für die Vermeidung von Unsicherheit und Ungebundenheit zur Verfügung zu stellen, ist eine unkluge Entscheidung. Die Flächen neu zu bespielen, heiß, dass am Ende deutlich mehr Raum nicht nach klassischer Arbeit aussieht. Umgestaltung Schritt für Schritt Bei all dem stellt sich die Frage: Wie geht man eine Neu- oder Umgestaltung für neues Arbeiten im Raum an? Selbstverständlich unvollständig, fragmentarisch und nicht Beratung ersetzend, aber in Kurzform hier das Wichtigste: Gesucht ist eine anregende Umgebung, in der eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen im gemeinsamen, oft gespannten Prozess kreativ sein und auch alles infrage stellen darf.
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==