Personalmagazin plus 9/2023

„First we shape our buildings; thereafter they shape us”. Die einst als Mahnung formulierten Worte Winston Churchills zur prägenden Wirkung von Räumen sind die vermutlich kürzeste Erklärung dafür, warum es sich gerade in Phasen des Wandels lohnt, über das Büro, seine Nutzung und Einrichtung nachzudenken. Seit Beginn der Industrialisierung haben wir unsere Arbeit in meist lineare Prozessschritte unter- und auf unterschiedliche „Funktionsträger“ verteilt. Entsprechend sahen dann auch die Büros aus, relativ uniform, mit persönlich zugewiesenen Arbeitsplätzen und einer klaren, auf Effizienzsteigerung und Produktivität ausgerichteten Struktur. Um Effizienz und Produktivität geht es in der Arbeitswelt nach wie vor, aber die alten Mittel haben ausgedient. Gefragt ist nicht mehr präzises Abarbeiten – das können Algorithmen meist besser – sondern Kreativität, Teamwork und Problemlösungskompetenz. Das Büro muss zum Ort der Innovation werden. Den Wandel unterstützen Wie notwendig das ist, zeigt ein Blick auf den Global Competitiveness Report des World Economic Forum. Demnach ist Deutschland führend in Forschung und Entwicklung, fällt aber auf die Plätze fünf und sieben zurück, wenn es darum geht, aus diesem Wissen etwas Greifbares zu machen. Dass sich diese Innovationslücke als fatal erweisen könnte, liegt auf der Hand. Laut einer McKinsey-Umfrage im Jahr 2021 geht die überwiegende MehrEin Kommentar von Helmut Link Räume voller Möglichkeiten heit der CEOs in Deutschland davon aus, dass binnen fünf Jahren die Hälfte der Umsätze mit Produkten und Leistungen erzielt werden, die zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht auf dem Markt waren. Die gute Nachricht: Die Mehrzahl der 20- bis 40-Jährigen, also derjenigen, die in den kommenden Jahren die Weichen in den Unternehmen stellen werden, sieht den Herausforderungen positiv entgegen. Die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, ist also da, es gilt nur noch, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Räume können dazu einen konkreten Beitrag leisten, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die persönliche Begegnung am Arbeitsort gehört zu den wesentlichen Bindungskräften in Unternehmen. Gleichzeitig schafft sie beste Voraussetzungen, um Innovationskraft zu entfalten – wären da nicht die alten Bürostrukturen, die noch weit davon entfernt sind, das neue Mindset zu unterstützen. Dabei sind die Anforderungen an die Räume der Zukunft klar. Das Büro muss zum Ort der Möglichkeiten werden, zufälligen Begegnungen wieder mehr Raum geben und strukturierte Innovationsprozesse unterstützen. Schließlich brauchen Design Thinking und Agiles Arbeiten eine andere Umgebung als die sequenzierten Tätigkeiten in früheren Zeiten. Zu der neuen Arbeitswelt gehört auch ein anderer Bezug zu Gesundheit, Wohlbefinden und nachhaltigem Handeln. Das Bewusstsein für die Bedeutung dieser drei Faktoren ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Entscheidender im Umgang damit ist aber, dass wir einen anderen Blick auf alle drei Bereiche gewonnen haben. Ein neuer Blick auf Gesund- heit und Nachhaltigkeit Traditionell wird Gesundheit im Büro mit Ergonomie gleichgesetzt. Ein gutes Niveau schien erreicht. Doch seitdem wir vermehrt hybrid arbeiten, tun sich wieder Lücken auf: Es gilt, die Arbeitsplätze im Homeoffice und an anderen Orten mitzudenken, ebenso wie die Anforderungen, die sich aus Videokonferenzen und den damit verbundenen Belastungen ergeben. Weil das vielerorts noch nicht umgesetzt ist, haben die Krankschreibungen aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen erstmals wieder zugenommen. Noch besorgniserregender ist der Anstieg psychischer Erkrankungen. Berichte über Beschäftigte, die Psychopharmaka konsumieren, um leistungsfähig zu bleiben, wechseln sich ab mit solchen über Führungskräfte, die mit Psychedelika experimentieren, um ihre Kreativität zu pushen. Auch hier ist die Arbeitsplatzgestaltung kein Retter in der Not, aber sie bildet die Basis für gute Arbeit, beginnend bei scheinbaren Selbstverständlichkeiten wie der Vermeidung von Störungen über die Möglichkeit zur Nutzung unterschiedlicher Arbeitsbereiche bis hin zu Rückzugsorten. Vor allem das Ausruhen kommt fast überall zu kurz. Unter anderem, weil agiles Arbeiten in hohem Maße auf Aktion und Interaktion ausgerichtet ist, aber oft vergessen wird, Arbeitswelten 14 personalmagazin plus: Arbeitswelten

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