Personalmagazin plus Kanzleien

7 Zukunft des Arbeitsrechts Herausforderung für die Unternehmen: Beim Thema Zeiterfassung sind die Herausforderungen schwer einzuschätzen. Es ist zu hoffen, dass der riesige Gestaltungsspielraum, den die Rechtsprechung des EuGH eröffnet, wahrgenommen wird – etwa durch die Herausnahme bestimmter Personengruppen (Leitende Angestellte, außertariflich Beschäftigte, Reisende, HomeofficeBeschäftigte – alles rechtlich möglich). Und dass in der Tat geringe technische Anforderungen gestellt werden. Wird das alles bedacht, sind Aufwände und Kosten sehr überschaubar und auch für KMU ohne Weiteres zu stemmen. Wenn nicht, können KMU das vielleicht nicht stemmen und erhalten (wieder einmal) einen Wettbewerbsvorteil gegenüber größeren Unternehmen – das ist dann für sich genommen eine Herausforderung! Ausweitung der Arbeitszeit: Ein ohne Frage wichtiges Thema. Und natürlich würde es mich freuen, wenn die Koalitionäre meinen Vorschlag aus 2023 aufnehmen: teilweise und befristet abschmelzende Erlasse auf SVBeiträge, die aus Arbeitszeiterhöhungen („Wiedereinstieg“) stammen sowie Begünstigung von RV-Einzahlungen. Aber schade, den Koalitionären fällt leider nur ein: „steuerlichen Anreiz zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten schaffen: Wenn Arbeitgeber eine Prämie zur Ausweitung der Arbeitszeit zahlen, werden wir diese Prämie steuerlich begünstigen“. Herausforderung für die Unternehmen: Sollten sich Unternehmen an dem Teufelswerk „Prämie“ beteiligen, wäre das katastrophal. Wie sollen Beschäftigte, die heute Vollzeit arbeiten oder im Rahmen von tariflichen Quotenregelungen auch über Vollzeit, noch bei Laune gehalten werden, wenn andere eine Prämie für Arbeitszeitsteigerung erhalten? Dieser Idee liegt mehr Einfalt denn Einfall zugrunde! Mehr Regulierung in der Betriebsverfassung: Als hätten wir gerade dafür nicht schon ein hinreichend überreguliertes Regelwerk im BetrVG, kommt nun noch „Für die steigenden Herausforderungen der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz in der Arbeitswelt wollen wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen“ hinzu, ergänzt durch „Wir werden die Mitbestimmung weiterentwickeln.“ Herausforderung für die Unternehmen: Hier sind die Herausforderungen nur schwer einzuschätzen. Vielleicht werden wir eine Anhebung der Arbeitszeit für Betriebsräte und HR-Kollegen benötigen, am besten doch mit Prämien? Irgendwann kommen wir in den Bereich der rechtlichen Unmöglichkeit, weil es nicht mehr genug Labour Relations Fachleute gibt, die die Bedarfe im Unternehmen abdecken können. Eigentlich eine nette Idee: Unterlassen der Mitbestimmungsrechte wegen tatsächlicher Unmöglichkeit. Online BetrVG: Endlich gehen die Koalitionäre mit der Zeit und haben sich vorgenommen: „Wir ermöglichen Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen zusätzlich als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten“. Außerdem soll die Option, online zu wählen, im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden. lesen: „Durch Öffnungs- und Experimentierklauseln in neuen und bestehenden Gesetzen sowie durch Reallabore und Abweichungsrechte werden wir die Innovationskraft Deutschlands fördern “. Vielleicht ist das gemeint? Herausforderung für die Unternehmen: Wenn der Gesetzgeber nicht eine einfache Formel findet wie „tariftreu im Sinne des Gesetzes sind Arbeitgebende, die innerhalb ihres Unternehmens einen fachlich einschlägigen im Tarifregister registrierten Tarifvertrag qua Tarifbindung für ihre gesamte Belegschaft zur Anwendung bringen; zur Anwendung gebracht wird ein solcher Tarifvertrag für nicht tarifgebundene Arbeitgebende, wenn zumindest (i) Eingruppierungen erfolgen und (ii) Vergütungen und (iii) soweit vorhanden durchschnittliche Leistungszulagen vergütet werden, und zwar pro rata der dort festgelegten zur tatsächlichen Arbeitszeit“, ist die Chance, dass hier eine praxistaugliche Regelung gefunden wird, gering. Für nicht tarifgebundene Unternehmen wird es eine interessante Aufgabe, wie sie zu Eingruppierungen finden – wenn nicht durch Tarifbeitritt. Und woher sie die Tarifverträge bekommen – wenn nicht durch Tarifbeitritt (ja, im Tarifregister, aber das ist zumindest ausgesprochen mühselig). Arbeitszeit: Eine Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes wird wohl jetzt irgendwann kommen. „Die Arbeitswelt ist im Wandel. Beschäftigte und Unternehmen wünschen sich mehr Flexibilität. Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zur konkreten Ausgestaltung werden wir einen Dialog mit den Sozialpartnern durchführen.“ Ich möchte hinzufügen, bitte nicht nur zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern des gesamten Privatlebens und Berufs. Offenbar wurde erkannt, dass die Richtlinie deutlich mehr Flexibilität zulässt als das heutige Arbeitszeitgesetz – gut so, wenn hier Regelungen gefunden werden. Herausforderung für die Unternehmen: Die Unternehmen stehen vor riesigen Herausforderungen, wenn das wirklich kommt. Bestehende Betriebsvereinbarungen zu ändern, ist vielleicht noch der kleineste Teil. Arbeitszeitsysteme anzupassen, neue Arten der Zusammenarbeit zu finden, wenn nicht in gleichen Zeiträumen gearbeitet wird, Verständnis bei den Beschäftigten zu finden, die „ihre“ individuelle Arbeitszeit sehen, aber nicht die betrieblichen Belange, sind alles schwierige Unterfangen. Mag sein, dass das, was wir heute kennen (Montag und Freitag im Homeoffice) nur ein Beginn war. Arbeitszeiterfassung: Angst macht der Satz “Wir werden die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch regeln und dabei für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregeln vorsehen.“ Wenn es unbürokratisch werden soll, weshalb werden dann für KMU Übergangsfristen benötigt? Die sind unnötig und reine Klientelpolitik: es ist nicht völlig unbekannt, dass insbesondere in KMU selten Betriebsräte vorhanden sind, die über die Einhaltung der Arbeitszeit wachen.

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