Welche arbeitsrechtlichen Veränderungen hält der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung für Unternehmen bereit? Michael Bogati: Die neue Bundesregierung möchte die Wirtschaft stärken und der Koalitionsvertrag befasst sich in diesem Zusammenhang auch mit arbeitsrechtlichen Themen. Die in Rede stehende Steigerung des Mindestlohns auf 15 Euro im Jahr 2026 ist dabei nur ein Aspekt. Spannend sind die Aussagen zur Arbeitszeit: Die elektronische Erfassung von Arbeitszeiten soll unbürokratisch geregelt werden und Vertrauensarbeitszeit soll im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie ohne Zeiterfassung möglich bleiben. Dem Wunsch nach einer größeren Flexibilisierung von Arbeitszeit soll dadurch Rechnung getragen werden, dass die Möglichkeit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit geschaffen wird. Auch die schon im Wahlkampf öffentlich viel beachtete Überlegung, Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei zu stellen, hat Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. In der Betriebsverfassung soll die Durchführung von Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen in Onlineformaten als gleichwertige Alternative zu Präsenzveranstaltungen ermöglicht werden. Wann und wie konkret die im Koalitionsvertrag verankerten Vorgaben umgesetzt werden, darf mit Spannung erwartet werden. Dasselbe gilt für den angekündigten Abbau von Schriftformerfordernissen im Arbeitsrecht, beispielsweise bei Befristungen. Vergütung muss nach objektiven Kriterien festgelegt werden. Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat ein Arbeitgeber noch, um bei der Vergütung zeptanz in der Belegschaft. Dem Flexibilisierungs- und damit auch einem Differenzierungsinteresse kann bei der Ausgestaltung variabler Zusatzvergütungen entsprochen werden. Solche Systeme können bekanntlich nicht nur auf unternehmerische Kennzahlen und Zielerreichungen abstellen und damit Zahlungen an dem Erfolg und der Leistungsfähigkeit des Unternehmens ausrichten, sondern auch an die persönliche Leistung des Mitarbeiters anknüpfen. In mitbestimmten Betrieben sind bei der Gestaltung Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten, die Erfahrung zeigt jedoch, dass allen Interessen gerecht werdende Lösungen in der Vielzahl der Fälle möglich sind. Überstundenzuschläge von Teilzeitbeschäftigten haben die Arbeitsgerichte jahrelang beschäftigt. Was müssen Arbeitgeber wissen? Die jüngere Rechtsprechung des EuGH und des BAG hat gewisse Linien vorgegeben, aber natürlich sind mit den getroffenen Einzelfallentscheidungen nicht alle offenen Fragen abschließend geklärt. Grundsätzlich muss man allerdings festhalten, dass Regelungen, die Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte erst bei Überschreiten der für Vollzeitbeschäftigte maßgeblichen Arbeitszeit vorsehen, einem hohen Unwirksamkeitsrisiko unterliegen. Das gilt ausdrücklich nicht nur für einzelvertragliche Vereinbarungen, sondern auch für tarifliche Bestimmungen und hat für die Arbeitgeber die kostspielige Konsequenz, für Teilzeitbeschäftigte die Zuschläge bei Überschreitungen ihrer individuellen Arbeitszeit zahlen zu müssen. Die in den Unternehmen angewendeten Regelungen müssen im Lichte der aktuellen Rechtsprechung kritisch geprüft werden. einzelner Mitarbeiter differenzieren zu können? Aus meiner Sicht werden „echte“ Einzelfallregelungen immer möglich bleiben. Die gefragte Spezialistin, die nur bei einer das Gehaltsgefüge übersteigenden Zahlung überhaupt zu einem Wechsel motiviert werden kann, oder die Führungskraft, die nur mit einer saftigen Gehaltssteigerung von einer Eigenkündigung und dem Wechsel zum Wettbewerb abgehalten werden kann, sind solche Fälle. Hier bleiben Differenzierungen zulässig. Ob Arbeitgeber über solche Fälle hinaus überhaupt ein wohlverstandenes Interesse haben, die Vergütung generell zu differenzieren, muss kritisch hinterfragt werden. Oftmals haben klar geregelte, transparente Vergütungssysteme, wie sie ganz klassisch in Tarifverträgen verankert sind, ein höheres Maß an Akfringspartners Interview mit Michael Bogati „ Oftmals haben klar geregelte Vergütungssysteme ein hohes Maß an Akzeptanz bei der Belegschaft.“ Michael Bogati 37
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