27 Verhandlungstaktik Und was sind auf der Arbeitnehmerseite die wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen? Auch der Betriebsrat und – sofern vorhanden – die im Betrieb vertretene Gewerkschaft bereiten sich vor und besprechen die Taktik, in welcher Grundhaltung die Gespräche geführt werden: geht es um einen Ziel- oder einen Maßnahmenkonflikt, geht es um die grundsätzliche Verweigerung oder das Optimieren von Lösungen. Was sich einfach anhört, hat taktische Wirkung. Wenn zunächst nur „sondiert“ wird, dann sind das keine Verhandlungen, sondern eben Sondierungen. Erst wenn das zuständige Gremium über ein Verhandlungsmandat entschieden hat, können die Verhandlungen beginnen. Eine Phase der Sondierung vor dem eigentlichen Verhandlungsmandat kostet schlicht Zeit, im Zweifel massiv. Für die Unternehmensseite tickt die Uhr. Auch die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat kostet Zeit. Durch das Hinterfragen der notwendigen Restrukturierung, das Lesen der Bilanzen und das Analysieren der Personalkosten kann der Betriebsrat betriebswirtschaftliche Alternativen entwickeln, Standortentscheidungen hinterfragen und Zugeständnisse bei Kosten und Auswirkungen verproben. Am Ende des Tages treffen Menschen aufeinander. Die persönliche Glaubwürdigkeit ist eine elementare Grundlage. Am Ende müssen beide Parteien „liefern“. Auf der einen Seite schaut die Unternehmensleitung auf den Abschluss und will Lösungen für das Problem der Personalkosten. Auf der anderen Seite wartet eine Belegschaft auf die Instrumente, die eine existenzielle Bedeutung haben. Die Verantwortung liegt bei beiden Verhandlungsspitzen. Am Ende geht das nur im Kompromiss. Ein bisschen wie im Sport: nur das Ergebnis zählt – umso besser, wenn es für beide Seiten vertretbar ist. zu Beginn steht die unternehmerische Entscheidung. Bevor mit dem Betriebsrat verhandelt werden kann, müssen alle Szenarien auf der Unternehmensseite einmal durchgespielt und bewertet werden. Chancen und Risiken einer Einigung, Kosten und Prognosen sind zu erstellen und zu evaluieren. Und vor allem: der Zeitplan braucht eine kritische Würdigung. Im Verhandlungsmodus geht nichts nach dem Willen des Arbeitgebers allein, es geht nur im Einvernehmen. Daher sind Zeitpläne Schall und Rauch, sobald sie auf die Wirklichkeit des Verhandlungsraums treffen. Es sind viele Gremien zu beteiligen, Kreditausschüsse, Aufsichtsräte, Beiräte, es muss abgewogen werden, welche Konsequenzen auf dem Tisch liegen, wie reagieren Märkte und Kunden, wie reagiert der Wettbewerb? Wie wirkt sich ein vielleicht mehrmonatiger Konflikt aus, der zu Arbeitsausfällen führt, sind Warnstreiks möglich, wird sich „die Politik“ einmischen, Hilfszusagen geben, Meinungsbildung betreiben? All das sind Fragen, die im Prozess der Entscheidungsfindung zu stellen und zu beantworten sind. Wichtig: niemals ohne Abwägung von Konsequenzen oder Reaktionen in eine konfliktbeladene Verhandlungssituation eintreten. Was sind die wichtigsten Punkte für die Arbeitgeberseite? Auf Unternehmensseite sind vor einer Betriebsratsverhandlung alle beteiligten Funktionen einzubinden. Das ist zum einen der Finanzbereich. Hier sind die Kosten der möglichen Betriebsänderungen zu ermitteln, der Businessplan ist aufzustellen, savings oder pay back von Personalentscheidungen sind zu berechnen. Dazu braucht es die Variablen eines in dem Stadium noch unverhandelten Sozialplans. Was kosten Abfindungen, wann amortisieren sich die Kosten des Personalabbaus und mit welchen Bandbreiten kann kalkuliert werden? Viele Personaler haben nicht den direkten Zugang zu den Finanzkennzahlen. Das ist in der Restrukturierung ein Fehler. Denn genau hier liegt der Schlüssel für einen im Unternehmensinteresse optimierten Zeitplan. Letztlich werden Restrukturierungen doch vorgenommen, um bilanziell wieder in die gesunde Zone zu stoßen. Steht der Abschluss, ist es unabdingbar, die betrieblichen Führungskräfte auf die Umsetzung zu verpflichten und eine zielorientierte Kommunikation zu steuern. Die Sprache muss klar und einfach sein, die Erklärungen unmissverständlich. Jede Betriebspartei muss in der Lage sein, die wesentlichen Punkte zu erklären und in einer Betriebsversammlung als gemeinsames Ergebnis zu zelebrieren. Die Umsetzung der Maßnahmen muss betreut und gesteuert werden, es braucht ein klares Controlling der Instrumente und Wirkungsweisen. Am Ende zählt der Wertbeitrag HR, der mit dem Ergebnis der Betriebsänderung das neue Kapitel der Unternehmensgeschichte aufschlägt und positiv in die Zukunft führt. Das Handwerkszeug der Verhandlungsführung kann man lernen. Aber es sind Menschen, die miteinander am Verhandlungstisch sitzen. Also muss man den richtigen Ton treffen, die kulturelle und unternehmenskulturelle Richtung finden. Man kann sich nicht aussuchen, mit wem man verhandelt. Das gilt übrigens für beide Seiten. „ Die persönliche Glaubwürdigkeit vor, in und nach den Verhandlungen ist eine elementare Grundlage.“
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