Personalmagazin plus 8/2023

Datenkompetenz 21 Bräuchte es dafür auch ein neues Selbstverständnis von HR? Der „Human Touch“ wird auch weiterhin im Zentrum stehen. Dennoch wird HR in Zukunft noch stärker zahlen- und datengetrieben arbeiten müssen, um seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten zu können. Das bedeutet allerdings nicht nur, Technologien zu verstehen und einzusetzen, sondern auch zu begreifen, wie technologische Entwicklungen das Unternehmen und die Arbeitswelt als Ganzes verändern werden. HR muss verstehen, wohin sich das Geschäft entwickelt, um diese Entwicklung forcieren zu können. Ein Blick auf die Softwarelandschaft von HR Tech vermittelt den Eindruck, dass die technologischen Möglichkeiten schon ausgereifter sind als ihre Nutzung. Trügt der Schein? Ich teile Ihre Beobachtung. Die Gründe dafür sind allerdings sehr verschieden. Bereits erwähnt hatte ich den geringen digitalen Reifegrad in manchen Personalabteilungen. Doch auch bei Unternehmen, die in diesem Prozess schon weiter sind, ist die Datenqualität nicht immer ausreichend, damit die Software auch gute Ergebnisse liefern kann. Aus meiner Erfahrung hängen 70 Prozent des Erfolgs am Nutzer, 20 Prozent an den Daten und zehn Prozent am Algorithmus. werden. Deshalb arbeiten wir mit Unternehmen daran, sowohl im Kerngeschäft als auch bei Supportfunktionen geeignete Anwendungsfelder zu identifizieren. Die Personalabteilung hat eine solche Supportfunktion. Welche Potenziale sehen Sie hier? Ich sehe einen Mehrwert in allen Schritten der Wertschöpfungskette, von der Identifizierung neuer Talente, über das Bewerbungsmanagement, das Engagement von Beschäftigen bis hin zur personalisierten Weiterbildung. Wir haben erst kürzlich mit einem unserer Kunden ein solches Szenario beispielhaft durchgespielt. Dabei haben wir mithilfe einer Open AI Zielgruppen identifiziert, die besten Influencer für diese Zielgruppe ausfindig gemacht und anschließend eine Stellenausschreibung in der passenden Tonalität verfasst. Das zeigt, was bereits möglich ist. Setzen Sie als Beratung selbst KI-Anwendungen ein? Für unsere Beratungsleistungen in laufenden Kundenprojekten nutzen wir keine Open AI wie beispielsweise Chat GPT 4. Bei BCG sind wir vorsichtig am Experimentieren, haben aber einen klaren Verhaltenskodex – wir nennen das „AI Code of Conduct“. Solange Fragestellungen zur Datensicherheit, der Datenqualität, der Nachverfolgbarkeit oder dem Urheberrecht nicht vollständig geklärt sind, bleiben wir zurückhaltend. Unter den Technologieexperten gibt es diejenigen, die den Ansatz der „Explainable AI“ verfolgen. Sie fordern, dass die Entscheidungswege von Algorithmen nachvollziehbar sind. Halten Sie das für sinnvoll? Ich halte es für erstrebenswert, dass wir die Technologie so transparent wie möglich gestalten. Das sollte auch künftig eine Anforderung an die Weiterentwicklung sein. So schaffen wir Akzeptanz. Uns allein auf die „guten Absichten“ der Entwickler zu verlassen, halte ich für falsch. Trotzdem denke ich, dass eine vollständige Nachvollziehbarkeit ein frommer Wunsch bleiben wird. Für Laien sind selbst die Entscheidungsprozesse einfacher Algorithmen kaumnachvollziehbar. Liegt das Problemmöglicherweise eher beim Nutzer? Ja und nein. Generative KIs wie Chat GPT 4 sind in ihren Entscheidungswegen selbst für Experten nicht mehr vollständig nachvollziehbar. Bei weniger komplexen Systemen ist das noch möglich, setzt aber eine entsprechende Technologiekompetenz bei den Nutzerinnen und Nutzern voraus. Gerade im Personalwesen – auch das zeigt unsere Studie – gibt es in dieser Hinsicht noch deutlichen Nachholbedarf. Es genügt nicht, wenn einzelne Experteninseln innerhalb der Abteilung sich mit der Technologie und ihrer Funktionsweise befassen. Ein Grundverständnis dafür müssten künftig alle Personalerinnen und Personaler haben. Daran gilt es zu arbeiten. Denn nur in Kombination mit kompetenten Nutzern entfaltet die Technologie ihr volles Potenzial. Sie ist kein Selbstläufer oder Wundermittel. Die Jobprofile in Personalabteilungen verändern sich also durch die neuen Technologien? Ja, wobei diese Entwicklung schon etwas länger zu beobachten ist. HR braucht eine stärkere Daten- und Prozesskompetenz. „ 70 Prozent des Erfolgs liegen am Nutzer, 20 Prozent an den Daten und zehn Prozent am Algorithmus.“ MATTHIAS HALLER ist Redakteur beim Personalmagazin und beschäftigt sich mit den Themenfeldern Strategie, Führung und HR Tech.

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