Personalmagazin plus 8/2023

18 HR-Software personalmagazin plus: HR-Software 2023 FELIX POHL ist Senior Business Development Manager HCM bei Oracle. sen die Kernprozesse maximal effizient laufen. Nur so schaffen Personalerinnen und Personaler die zeitlichen Ressourcen, um sich diesen Transformationsprojekten widmen zu können. Heißt: Erst wenn das Fundament saniert ist, kann es die Dachkonstruktion tragen. 3. HR-Trends aus Übersee Die Digitalisierung hat unsere Welt gefühlt zu einem kleinen Ort gemacht. Vieles ist ständig in greifbarer Nähe, denn zumindest digital ist die andere Seite der Erdkugel in wenigen Sekunden erreichbar. Dabei ist leicht zu vergessen, dass die kulturellen Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern teils erheblich sind. Das gilt für Werte ebenso, wie für die Arbeitskultur. Gleichzeitig erreichen uns HR-Trends aus den USA – und inzwischen sogar aus Asien – mit kaum merklicher Zeitverzögerung. Doch nicht jeder Trend lässt sich übertragen. HR steht also vor der Herausforderung zu filtern, was relevant ist und was nicht. Das gilt insbesondere bei Trends, die sich auf die Arbeitskultur beziehen. Denn hier unterscheiden sich (traditionelle) deutsche Unternehmen mitunter deutlich von amerikanischen. Ein Bespiel dafür ist der Ansatz, den Mitarbeitenden in den Mittelpunkt des Unternehmens zu stellen. Dieser suggeriert, dass der Betrieb näher an ihre Mitarbeitenden herantreten müsse. Beruf und Privatleben sollen stärker verschmelzen, umMitarbeitenden die bestmögliche „Work Experience“ bieten zu können, so der Eindruck. bare Ansätze haben mittlerweile den Weg in viele HR-Abteilungen gefunden. Neue Angebote oder Services für Mitarbeitende entstehen auf Basis dieses Konzeptes fiktiver durchschnittlicher Mitarbeitender. Das birgt ein gewisses Risiko. Denn häufig geschieht es, dass die Personas vielmehr einen idealtypischen Mitarbeitenden beschreiben, als einen real existierenden. Dieses Wunschdenken kann zu Enttäuschungen führen. Denn die entwickelten Produkte scheitern in der Praxis, da sie der Arbeitsrealität der Beschäftigten nicht gerecht werden. Gleichzeitig ist HR aber ab einer gewissen Unternehmensgröße kaum mehr in der Lage, alle Beschäftigten persönlich zu kennen, was ein probates Mittel wäre, um einen Überblick über tatsächliche Herausforderungen und Problemstellungen zu erhalten. Hier sollen regelmäßige Mitarbeiterbefragungen helfen. Aber auch diese Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen, denn Menschen tendieren dazu, Umfragen zumindest in Teilen nicht aus der ihrer Perspektive zu beantworten, sondern aus der Sicht einer Person, die sie gerne wären. Ein besonders prominentes Beispiel der sogenannten Response-Bias sind Umfragen zum Fleischkonsum mit teils gravierenden Abweichungen zwischen Ergebnis und Realität. Beide Beispiele, sowohl der Persona-Ansatz als auch der Response-Bias, können dazu führen, dass Trends, die unter Einsatz von Zeit, Ressourcen und Technologie vorangetrieben werden, am Ende nur überschaubare Erfolge liefern. Und jetzt? Unternehmen sollten gerade bei Trendthemen achtsam sein. Nach demMarketing ist das Personalwesen der Unternehmensbereich, der bei Trends emotionsgeladen agiert und damit Gefahr läuft, Daten und Fakten zu übersehen oder gar zu missachten. Umso wichtiger ist es für HR, eine solide Datengrundlage zu schaffen, aus der heraus Softwarelösungen einen tatsächlichen Mehrwert schaffen können. Außerdem sollten Personalerinnen und Personaler – besonders wenn sie für ihre Arbeit brennen und ihnen die Beschäftigten am Herzen liegen – die Realität nicht aus den Augen lassen. Eine Wunschwelt, wie manche Softwarehersteller sie mit ihren Lösungen entwerfen, hilft beim Lösen tatsächlicher Problem nur selten weiter. Während in den USA Privat- und Berufsleben traditionell eng verwoben sind, herrscht in Deutschland auch weiterhin eine von vielen Beteiligten gewollte Trennung beider Lebensbereiche vor. Auch wenn diese Grenze im Zuge hybrider Arbeitsmodelle für einen Teil der Arbeitnehmenden allmählich verschwimmt, ist sie dennoch vorhanden – und ein tiefgreifendes Element der deutschen Arbeitskultur. Das zeigt, dass sich die Trends anderer Länder nicht immer, oder nur mit Abstrichen, auf deutsche Unternehmen übertragen lassen – auch wenn findige Softwareanbieter einen gegenteiligen Eindruck vermitteln möchten. 4. HR-Software ist Erfüllungsgehilfe, kein Per-se-Problemlöser Für jeden HR-Trend gibt es augenscheinlich eine passgenaue Softwarelösung. Insbesondere bei Trends, die übergeordnete Themen wie zum Beispiel die Unternehmenskultur aufgreifen, ist bei Softwareauswahl Vorsicht geboten. Auch wenn es hervorragende Softwarelösungen zur Unterstützung einzelner Teilaspekte gibt: Eine Arbeits- oder Unternehmenskultur zu verändern, ist in erster Linie ein inhaltliches Vorhaben, dessen Erfolg oder Misserfolg nicht an einer Softwarelösung hängt. Organisationen, die sich erfolgreich der Veränderung der Unternehmenskultur verschrieben haben, fahren mitunter jahrelange Initiativen, an deren Ende, vielleicht oder auch nicht, einzelne Softwarelösungen unterstützende Bestandteile sein können. Die Antwort auf die Fragestellung, was New Work für eine Organisation bedeutet, ist nicht eine Software. 5. Warum Trend-Vorhaben scheitern: Kennt HR seine eigenen Mitarbeiter wirklich? In der Produktentwicklung wird bei der Konzeptionierung mit sogenannten Personas gearbeitet. Eine Persona ist ein durchschnittlicher Endanwender. Dieser wird vom Produktmanagement hinsichtlich verschiedener Dimensionen charakterisiert und beschrieben, um das neu zu entwickelnde Produkt mit größtmöglicher Passgenauigkeit für die Zielgruppe zu entwickeln. Personas oder vergleich-

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==