Personalmagazin plus 4/2023

Trends im Recruiting personalmagazin plus: Trends im Recruiting 8 Erfassung persönlicher Daten auf Portalen wurden am ehesten akzeptiert. Vergleichsweise beliebt waren auch One-Click-Bewerbungen oder Bewerbungen mithilfe mobiler Applikationen der Arbeitgeber beziehungsweise Verlinkungen mit dem eigenen Xing- oder Linkedin-Profil. Tendenziell abgelehnt wurden jedoch der Rückgriff auf Kurzmitteilungsdienste wie Whatsapp, Videoaufzeichnungen und vor allem Online-Interviews mit Chatbots. Diese drei Optionen verweigern mehr als ein Drittel der Befragten. Die Studie macht deutlich, wie wichtig ein persönlicher beziehungsweise individueller Kontakt ist. Die Befragten unterstreichen die Bedeutung eines Ansprechpartners, der bei Rückfragen jederzeit kontaktiert werden kann. Genauso wichtig ist ihnen im Bewerbungsprozess die Transparenz über den jeweiligen Stand. So überrascht es auch nicht, dass eine Möglichkeit, jederzeit elektronisch den aktuellen Status abrufen zu können, überwiegend begrüßt wird. Als relativ unwichtig wird dagegen die Option eingestuft, sich mithilfe eines Smartphones oder Tablets bewerben zu können. Empfehlungen fürs Recruiting Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Digitalisierung der Rekrutierungsprozesse Sinn macht, wenn die relevanten Zielgruppen dies akzeptieren und schätzen. Es empfiehlt sich, auf digitale Lösungen insbesondere in der Phase zu setzen, in der auf interessante Kandidatinnen und Kandidaten zugegangen wird. Dabei sollte jedoch eine individualisierte und möglichst persönliche Ansprache angestrebt werden. Undifferenzierte Kontaktanfragen oder Mails, wie sie noch immer in der Praxis vorkommen, sind definitiv fehl am Platz. Digitales Recruiting darf zudem nicht bedeuten, dass die zahlreichen Wege, um mit Talenten direkt in Verbindung zu treten, ausgeblendet oder vernachlässigt werden. Der Einsatz von Linkedin und anderen IT-gestützten Austauschplattformen kann bei der Personalgewinnung weiterhelfen. Gerade bei der Pflege und Aktivierung bestehender Kontakte sind diese Plattformen zweifelsohne sehr wertvoll. Alleine reichen sie aber nicht aus. Wird aus einer potenziellen Bewerberin eine aussichtsreiche Kandidatin für eine zu besetzende Position, dann sollte so persönlich wie möglich mit ihr umgegangen werden – im weiteren Auswahlverfahren, aber auch beim Onboarding bis hin zur vollständigen Integration. Digitale Lösungen sind dann nur noch zurückhaltend einzusetzen. IT- oder KI-basierte Auswahlinstrumente sollten die Ausnahme bleiben. Die persönliche Kommunikation sollte der automatisierten vorgezogen werden. Ansonsten riskiert das Unternehmen, dass sich die Kandidatin nicht wertgeschätzt fühlt und zu einem Wettbewerber abspringt, noch bevor sie im neuen Job gestartet ist. Digital und individuell sind kein Widerspruch Digitalisierung und Individualität müssen sich jedoch nicht widersprechen. Nicht alle digitalen Lösungen sind unpersönlich und werden den einzelnen Personen nicht gerecht. Werden Algorithmen richtig eingesetzt, zum Beispiel für eine automatisierte und differenzierte Vorselektion, können die Recruiterinnen und Recruiter dadurch wertvolle Freiräume gewinnen. Diese sollten für eine individuelle Ansprache der so ermittelten Talente genutzt werden. Sehr schnell erkennen diese nämlich, inwieweit sich jemand intensiv damit beschäftigt hat, wie gut ihr Qualifikationsprofil den Anforderungen der zu besetzenden Position entspricht. Auch in anderer Hinsicht hat die Digitalisierung Vorteile: Kandidatennetzwerke und Talentpools können mithilfe digitaler Tools vergleichsweise einfach aufgebaut und persönlich gepflegt werden. Sind diese Netzwerke tragfähig, können sie von den Recruiterinnen und Recruitern auch dazu genutzt werden, sich von ihren Kontakten interessante Talente empfehlen zu lassen. Gelingt die Verknüpfung der Rekrutierungsvariante „Mitarbeiterempfehlungen“ mit den existierenden digitalen Plattformen oder mit einfach zu bedienenden Apps, kann dies einen großen Mehrwert für das Recruiting bringen. Eine wichtige Voraussetzung ist jedoch: Die Empfehlenden müssen aus freien Stücken heraus und mit wenig Aufwand handeln können. Fazit: Soziale Grenzen beachten Technologiebasierte Lösungen bieten einige Chancen für das Recruiting. Viele finden bei den Kandidatinnen und Kandidaten weitgehend Akzeptanz. Die Unternehmen, die Personal für sich gewinnen wollen, sind gefordert, ihre Rekrutierungsprozesse so auszugestalten, dass die mit der Digitalisierung möglichen Vorteile wie Schnelligkeit, Effizienz, Flexibilität und Nutzerfreundlichkeit sichergestellt werden. Dies ist ein Muss und steht eigentlich nicht mehr zur Diskussion. Allein reicht dies aber nicht aus. Die menschliche Seite darf nicht zu kurz kommen, wenn neue Mitarbeitende gewonnen werden sollen. Auf dem heutigen Arbeitsmarkt müssen Arbeitgeber konsequent auf die Wünsche der Kandidatinnen und Kandidaten achten – und für die gehört zu einem professionellen Bewerbungsmanagement auch die Möglichkeit, bei Bedarf problemlos auf Ansprechpartner im HR-Bereich zugehen zu können. Die endgültige Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber wird auch auf absehbare Zeit unter dem Eindruck des persönlichen Austauschs mit dessen Verantwortlichen getroffen werden. MARKUS-OLIVER SCHWAAB ist Professor für Personalmanagement an der Hochschule Pforzheim. Die Schwerpunkte des Prodekans der Business School und Leiters des Career Centers liegen in der Lehre und Forschung in Bereichen des innovativen Personalmarketings, der Arbeitsmarktforschung, des kennzahlengesteuerten Personalmanagements und der Corporate Social Responsibility.

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