Personalmagazin plus 4/2023

Trends im Recruiting personalmagazin plus: Trends im Recruiting 28 Was müssen die Arbeitgeber in ihren Recruiting-Prozessen ändern, um sich auf die geänderte Arbeitsmarktlage besser einzustellen? Noch sind die Prozesse zu langsam und umständlich. Mir hat man in meiner Schulzeit gesagt: „Die Bewerbung ist die erste Arbeitsprobe, die du abgibst. Deshalb muss sie gut sein, denn ansonsten wirst du nicht eingestellt.“ Heute funktioniert es umgekehrt: Wenn der Bewerbungsprozess redundant, langsam und intransparent ist, wenn zum Beispiel keine Gehaltsangaben genannt werden oder wenn sich das Unternehmen nicht zurückmeldet, ziehen die Bewerberinnen und Bewerber entsprechende Rückschlüsse auf die Unternehmenskultur. Da sie mit mehreren Unternehmen im Gespräch sind, entscheiden sie sich für dasjenige, das gute und wertschätzende Prozesse hat und das einen leichten Zugang ermöglicht. Wir haben mittlerweile eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten, solche Prozesse digital zu optimieren und schneller zu machen. Gewinnt der Faktor Gehalt bei der Entscheidung für eine Stelle an Bedeutung – angesichts stark gestiegener Energie- und Lebenshaltungskosten? Wir sehen, dass gerade stark auf das Gehalt geachtet wird. Aber grundsätzlich muss man festhalten, dass es immer wichtig war. Die Menschen achten zusätzlich auf andere Faktoren und das bleibt auch so, weil sie die Verhandlungsmacht haben. Der neue Trend ist Gehaltstransparenz –da sind die USA uns wie immer einige Jahre voraus. Ab diesem Jahr müssen in Kalifornien und anderen Staaten Gehaltsspannen in Stellenanzeigen verpflichtet genannt werden. Auch wir haben vor einiger Zeit festgestellt, dass fehlende Gehaltsangaben einer der größten Pain Points für Stellensuchende sind. Dadurch wird eine Verhandlungsposition generiert, die nicht auf Augenhöhe ist, weil es die Stellensuchenden nicht entscheidungskompetent macht, ob der Job für sie in Frage kommt oder nicht. Deswegen haben wir das bei uns diskutiert und veröffentlichen auf der Plattform Gehaltsspannen. Für mich ist Gehaltstransparenz ein Trend, der durch die steigenden Lebenshaltungskosten noch befeuert wird. Die Menschen wollen sofort sehen, ob eine Stelle finanziell für sie in Frage kommt oder nicht. Wie hat sich das Suchverhalten verändert? Die erfreuliche Nachricht für Unternehmen ist, dass die Menschen flexibler, wechselbereiter werden. Das sehen wir auch in den Suchen – zumindest auf unserer Plattform. Wir sehen 53 Prozent mehr Jobsuchen gegenüber Anfang 2020. Aber die Stellensuchenden sind anspruchsvoller geworden. Sie verzeihen keine ineffizienten und langsamen Prozesse mehr. Wir müssen bessere Prozesse aufsetzen, damit Menschen schneller mit Menschen sprechen. Die Stellensuchenden wollen schneller in Kontakt mit einer Recruiterin oder einem Recruiter kommen. Denn letztlich geht es auf dem Arbeitsmarkt um nichts anderes, als Menschen mit Menschen zu verbinden. Aber das funktioniert nur auf der Basis eines guten Matches, wenn das Digitale gut abgebildet und so schnell und effizient wie möglich gemacht wird, damit der Kontakt schnell zustande kommt. Hat sich mit dem Wandel zum Arbeitnehmermarkt auch das Selbstbewusstsein der Stellensuchenden geändert? Ja, sie kennen ihren Wert und fordern selbstbewusst Angebote wie Benefits, Flexibilität, Individualität ein. Die Personalabteilungen stehen zunehmend vor der kulturellen Frage: Wenn alles individuell wird, wo bleibt dann das Gemeinsame? Individualität ist ein wichtiger Trend. Die Personalabteilungen müssen auf die einzelnen Menschen eingehen. Eine weitere Entwicklung ist, dass Stellensuchende in Vorstellungsgesprächen nach konkretem Handeln in Sachen Diversity und Nachhaltigkeit fragen. Es reicht nicht mehr, die Stichworte irgendwo zu erwähnen, sondern die Menschen fragen: Was macht ihr konkret? Wie steht ihr zu euren Werten? Wird das Recruiting künftig auseinanderdriften: Einerseits Arbeitgeber, die mit Blick auf Krise und Inflation ihre Recruitingaktivitäten stark zurückfahren, andererseits Arbeitgeber, die ihr Recruiting weiter ausbauen? Ich denke, dass wir diese Entwicklung sehen werden. Die Unternehmen, die jetzt die Chance ergreifen, können sich einen gigantischen Wettbewerbsvorteil schaffen, indem sie Personen für sich gewinnen, die später nicht mehr auf dem Markt sind. Dieser Wettbewerbsvorteil wird sich fortsetzen. Ich glaube, wir werden in zehn Jahren auf die heutige Zeit zurückschauen und sagen: „Das war die Zeit, in der es noch vergleichsweise einfach war, Personal zu finden.“ Das klingt imMoment vielleicht etwas kontraintuitiv, aber so wird es sein, wenn wir uns vor Augen führen, wie viele Millionen Menschen in den nächsten Jahren fehlen werden. Diejenigen Unternehmen, die das Recruiting jetzt gut umsetzen, schaffen sich einen Wettbewerbsvorteil, der über kurz oder lang nicht mehr einzuholen ist. „ Die erfreuliche Nachricht ist: Die Menschen werden flexibler und wechselbereiter.“

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