Personalmagazin plus 4/2023

übernahmen gemeinsam die Rolle der Senior Vice President Human Resources Hydro.“ Das klappte so gut, dass Jobsharing als Option systematisch verankert wurde und nun prinzipiell für alle offen steht. Auch ein rein männliches Tandem gab es bei Voith schon. „Jobsharing ist ein wichtiges Instrument zur Förderung von Chancengleichheit“, so Wang-Rührnößl. Es sei zwar ein Nischenmodell, biete aber Potenziale, die gerne häufiger genutzt werden könnten. „Unternehmen sollten Jobsharing strategisch einsetzen“, findet Wang-Rührnößl, „zum Beispiel indem sie Nachfolge-Tandems etablieren, um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, wenn eine Führungskraft ausscheidet. Oder indem man ein Tandem besetzt, das sich in den Kompetenzen optimal ergänzt.“ Zugang zu neuen Bewerberzielgruppen Letzteres ist auch für Andrea MorganSchönwetter, Head of Talent Acquisition bei der VW-Tochter Cariad, einer der großen Pluspunkte von Jobsharing. Bei dem 2020 gegründeten Softwareunternehmen gibt es bislang noch kein Jobsharing-Tandem, wohl aber im Mutterkonzern VW. Und Andrea Morgan-Schönwetter hat in einer früheren Position bei der Telekom selbst schon eine Zeit lang im Tandem gearbeitet. Nicht nur deshalb ist sie eine überzeugte Verfechterin des Modells: „Unternehmen können auf diese Weise ein viel breiteres Skill-Set und einen breiteren Erfahrungshintergrund für eine Position bekommen – viel mehr als eine Einzelperson mitbringen könnte.“ Jobsharing biete einen Zugang zu einem neuen, bisher noch nicht bespielten Arbeitsmarkt an qualifizierten Teilzeitkräften. „Insbesondere für uns als Tech-Unternehmen sehe ich darin eine hervorragende Möglichkeit, den Frauenanteil zu erhöhen, wenngleich das Modell natürlich auch Männern offen steht.“ MorganSchönwetter will deshalb künftig grundsätzlich jede Stelle auf Führungsebene mit Jobsharing-Option ausschreiben. Die Recruiting-Plattform Pair to Share kommt dabei gerade richtig. Auch Silke Ewald, Head of Employer Branding, HR-Marketing & HR Quality bei der Drägerwerk AG will Pair to Share künftig nutzen. Neben ihrer Linienfunktion verantwortet die Managerin auch das unternehmensinterne Programm „Vereinbarkeit“, das 2016 von Firmeninhaber Stefan Dräger persönlich ins Leben gerufen wurde. Neben Vereinbarkeit im engeren Sinne geht es hierbei auch um die Themen „Diversity“ und „Frauen in Führung“. Im Zuge des Programms möchte Ewald auch Jobsharing etablieren. Sie plant, im nächsten halben Jahr etwa fünf bis zehn Positionen mit Jobsharing-Option auszuschreiben. Auf die Erfahrung eines erfolgreichen Tandems kann Dräger bereits zurückblicken. Drei Jahre lang teilten sich zwei Frauen eine Führungsposition, bevor eine der beiden Ende 2022 eine neue Herausforderung suchte. Sowohl die Mitarbeitenden als auch die Führungsebene darüber waren sehr zufrieden, berichtet Ewald. „Die Führungskräfte lobten die stets sehr reifen und durchdachten Entscheidungsvorlagen, weil das Problem oder die Fragestellung eben vorher schon aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet wurde. Die Mitarbeitenden schätzten es, dass immer jemand ansprechbar war, auch während Urlaub oder Krankheit.“ Jobsharing-Tandems: produktiv, agil, belastbar Dies deckt sich auch mit den Erfahrungen anderer Unternehmen, die Jobsharing nutzen. Eine Studie der Hochschule Heilbronn in Kooperation mit The Jobsharing Hub und Twise ergab, dass Jobsharing-Tandems als produktiver, agiler und belastbarer wahrgenommen werden als eine Einzelperson in Vollzeit. Aufgrund solcher positiven Erfahrungen wie auch durch den Wandel der Arbeitswelt allgemein ist Svenja Christen zuversichtlich, dass Jobsharing in den Unternehmen künftig häufiger zum Einsatz kommt. „Es herrscht ein ganz anderes Mindset als noch vor der Pandemie“, sagt sie. Das Thema Vereinbarkeit sei viel stärker in den Blick geraten, aber auch alte Paradigmen wie die Vollzeit-Anwesenheitspflicht von Führungskräften wurde durch die Pandemie aufgebrochen. „In der hybriden Arbeitswelt ist es selbstverständlich, dass man auch remote führen kann, dass zeit- und ortsflexibel gearbeitet wird und dennoch die Produktivität nicht leidet“, meint Christen. „Und die Unternehmen sind mutiger geworden, Neues einfach mal auszuprobieren.“ So funktioniert „Pair to Share“ Pair to Share hat eine Schnittstelle zu allen gängigen Bewerbermanagementsystemen. „Unser Tool ,Tarec‘ (Tandem Recruiter) bindet sich automatisiert an alle gewünschten Vollzeitausschreibungen auf der Karriereseite des Unternehmens und führt Interessenten mit einem Klick ins Tandembewerbungsverfahren auf unsere Plattform Pair To Share“, erläutert Gründerin Svenja Christen. Ein forschungsbasierter MatchingAlgorithmus schlägt passende Tandempartner vor, die sich ebenfalls für die Stelle interessieren. Die Interessenten können sich untereinander vernetzen, ausloten, ob sie sich vorstellen können, die Stelle gemeinsam zu übernehmen und sich dann über das Tool als „fertiges“ Tandem bewerben. Die Tandembewerbung, inklusive Matchingquote und Tandemprofil, landet direkt im Bewerbermanagementsystem des Unternehmens. Ebenso sind Pendantausschreibungen (Suche nach einem Tandempartner für die eigene Stelle) sowie Matching und Bewerbung interner Mitarbeitender möglich. Das Ganze läuft voll automatisiert und ohne Integrationsaufwand für das Unternehmen. MELANIE RÖSSLER ist Redakteurin beim Personalmagazin. Das Thema Vereinbarkeit ist ihr besonders wichtig. 25 Jobsharing

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