Technologieeinsatz 11 Zeit und Kosten einzusparen. Unternehmen, die dazu neigen, Sonderfälle für verschiedene Funktionen oder Berufsgruppen einzubauen, können leicht in eine Effizienzfalle geraten. Zusammenmit Professor Wolfgang Jäger untersuchen Sie die Karrierewebseiten der größten Arbeitgeber in Deutschland. Welche Entwicklung können Sie feststellen? In früheren Jahren fand eine stetige Weiterentwicklung statt, gerade zwischen 2015 und 2019 ist einiges passiert. Aber zwischen 2019 und 2021 gab es eine Stagnation. Corona hat der Digitalisierung in den Unternehmen zwar einen Schub gegeben, aber das galt primär für die Kommunikations- und Austauschplattformen. Für die Karrierewebseiten galt das nicht. Sie sind mehr oder weniger gleich geblieben, es gab nur einzelne Verschiebungen. Einige Unternehmen haben ihre Chatbots entfernt, andere haben welche eingeführt. Alles bewegt sich nach wie vor auf einem sehr niedrigen Stand. Worauf führen Sie das zurück? Unsere Hypothese ist, dass die Prioritäten anders gesetzt wurden. HR war stark in die Bewältigung der Pandemie involviert. Da ist die Arbeit an der Karrierewebseite wohl oft etwas liegengeblieben. Aktuell ist sie wieder stark in die Aufmerksamkeit gerückt. Auch wenn der Fachkräftemangel absolut vorhersehbar war, stellen manche Unternehmen erst jetzt fest, dass die Karrierewebseite den Recruitingerfolg stark beeinflussen kann. Wo besteht der größte Verbesserungsbedarf? In Sachen Auffindbarkeit sind die meisten Firmen gut aufgestellt. Auch die Candidate Experience ist deutlich besser geworden. Es gibt noch immer einige Karrierewebseiten, die schlecht bedienbar sind, aber da ist viel passiert. Erschreckenderweise passen die Informationen auf der Webseite nicht unbedingt zu dem, was die Zielgruppe haben will. Das ist eine grundlegende Sache und müsste erfüllt sein. Doch da findet sich nach wie vor eine Lücke. Die größte Lücke besteht aber in der Interaktivität und Funktionalität: Informationsaustausch, Kontaktaufnahme et cetera. Auch da gilt: Digital ist nicht immer besser. Man muss nicht alles haben, aber viele Unternehmen bewegen sich auf einem Level, der nicht State of the Art ist. Wie schätzen Sie Chatbots für die Bewerberkommunikation ein: Machen oder nicht machen? Wenn machen, dann gut machen. Ein Chatbot, der nicht funktioniert und wenige oder falsche Antworten liefert, sollte nicht sein. Eine Befragung hat ergeben, dass die Qualitätserfahrung im Umgang mit Chatbots nicht hoch ist. Allerdings ergeben sich durch Neuentwicklungen wie Chat GPT ganz neue Möglichkeiten. Daher bin ich davon überzeugt, dass es in einigen Jahren Standard sein wird, gute Chatbots anzubieten. Der klare Vorteil für die Nutzerinnen und Nutzer ist: Sie bekommen jederzeit eine Antwort, sie bekommen eine schnelle Antwort und es muss ihnen nicht peinlich sein, eine Frage von der Technik beantworten zu lassen, deren Antwort sie eigentlich wissen müssten. Für die Firmen erhöhen Chatbots die Effizienz, denn die Fragen sind immer wieder die gleichen. es Prozessschritte automatisieren. Springen viele Bewerberinnen und Bewerber ab, weil es zu lange dauert, muss der Prozess beschleunigt werden. Werden oft die falschen Leute eingestellt, ist das Matching zu überdenken. Auf Basis dieser Vorüberlegungen gilt es zu prüfen, welche Lösungsansätze es gibt. Wenn ich eine Software finde, die eine Lösung verspricht: Wie kann ich herausfinden, dass sie tatsächlich weiterhilft? Bei innovativen Technologien besteht immer das Problem, dass es keine großen Erfahrungswerte gibt und teilweise auch viel versprochen wird. Soweit es die Zeit ermöglicht, sollten Sie sich nach Erfahrungsberichten umhören. Haben Sie Anbieter in der engeren Auswahl, ist es wichtig, sich die Lösung im Detail zeigen zu lassen. Idealerweise sollten Sie sich nicht nur Referenzkunden nennen lassen, sondern diese auch befragen. Irgendwann ist aber der Punkt erreicht, an dem es darum geht, das Tool selbst zu testen. Gegebenenfalls können Sie das Risiko minimieren, indem Sie mit dem Anbieter eine Konstellation finden, bei der Sie ohne allzu große Kosten wieder aus der Geschichte herauskommen. Aber der größte Kostenfaktor liegt meist im Aufwand für die Vorauswahl und Einführung. Wo sollten Unternehmen auf Tools verzichten und stattdessen auf den menschlichen Faktor setzen? Ich würde zwischen objektiv-technischer Betrachtung und Nutzerakzeptanz unterscheiden. Laut Studien zur Nutzerakzeptanz besteht noch viel Skepsis. Das spricht dafür, etwas vorsichtiger an die Themen heranzugehen. Wenn es um schnelle Informationen geht, besteht durchaus die Bereitschaft, Technik zu nutzen. Wenn es um Interaktion und den Austausch geht, ist der Wunsch nach Kontakt zu Menschen noch relativ hoch. Hier sollte nicht zu viel Technik eingesetzt werden. Objektiv-technisch betrachtet sieht es anders aus? Objektiv-technisch betrachtet ist in Sachen Automatisierung mehr möglich. Studien zeigen immer wieder, dass eine datenbasierte Personalauswahl oft besser ist als die von Menschen durchgeführte. Das Bauchgefühl ist subjektiver als Daten – wenn sie verlässlich sind. In der technologischen Entwicklung passiert sehr viel und auch die Akzeptanz wird steigen. Aber ein Unternehmen muss den Einsatz von Tools genau abwägen, selbst wenn sie technisch sinnvoll wären. Das gilt gerade dann, wenn es Probleme gibt, genügend Bewerbungen zu erhalten. Dann gilt es gut zu argumentieren, weshalb es einen Vorteil bedeutet, diese Technologie einzusetzen – gerade auch aus Sicht der Kandidatinnen und Kandidaten. Ist es sinnvoll, unterschiedliche Tools für unterschiedliche Bewerberzielgruppen einzusetzen? Das könnte durchaus sinnvoll sein. In Bereichen, in denen es umMasse geht, in denen ein Unternehmen in der positiven Situation ist, aus vielen Bewerbungen auswählen zu müssen, ist es ratsam, anders damit umzugehen, als wenn es um Spezialberufe geht, bei denen es sehr wenige Fachleute gibt. Dann besteht aber auch die Gefahr, dass Effizienzvorteile wegfallen. Ein Vorteil von Automatisierung ist es, durch Standardisierungen
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