Personalmagazin plus 8/2022

Softwaremarkt Themen, Trends, Anbieter und Entwicklungen im Überblick Bewerbermanagement Was Recruiter von Cloud-Lösungen erwarten sollten Employee Experience Woran sie häufig scheitert und wie sie gelingen kann personalmagazin plus 08.22 HR-Software Markttrends und Anbieterübersicht plus

Editorial 3 Liebe Leserinnen und Leser, die Digitalisierung in HR bleibt ein Dauerthema. Einerseits, weil sich der Markt an Lösungen und Lösungsanbietern stetig weiterentwickelt, wie unsere Autorin Elke Singler in ihrem Aufmacher schreibt. Mehr Leistung, mehr Möglichkeiten, die Versprechen sind zahlreich. Ebenso die Chancen, wenn sie von Personalverantwortlichen denn ergriffen werden. Und darin liegt das Andererseits: Kürzlich unterhielt ich mich mit einem Geschäftsführer eines mittelständischen Softwareanbieters. Das Unternehmen gehörte im Jahr 2003 zu den Ersten, die eine digitale Personalakte anboten. Fast 20 Jahre später arbeitet dieser Anbieter einen Auftragsstau infolge der Coronapandemie ab. Plötzlich entdeckten zahlreiche Unternehmen, dass es ohne digitale Personalprozesse nicht mehr geht. Kaum zu glauben!? Es zeigt jedoch, wie weit die Spanne in der Digitalisierung der Personalarbeit reicht. Während heute die einen mit den Basics ringen, machen sich die anderen Gedanken über mögliche Anwendungen im Metaverse. Deshalb ist diese Ausgabe auch ein Spagat zwischen dem, was möglich, und dem, was nötig ist. Wir möchten die einen informieren und die anderen inspirieren. Lesen Sie rein! Matthias Haller Redaktion Personalmagazin personalmagazin plus: HR-Software 2022 Foto: Britt Schilling; Titelbild: DAQ Studio Inhalt 04 Marktübersicht HR-Software Entwicklungen, Trends und Anbieter im Überblick und in der Analyse 10 Bewerbermanagementsysteme Was Recruiter von einer CloudSoftware erwarten sollten 14 Selbsterneuerung und digitale Reife Wie Experimentiergeist und Neugier die digitale Transformation beflügeln 18 Datenqualität und Datensicherheit So gelingt ein strukturierter Umgang mit Daten und deren Löschung 20 Employee Experience Woran EX-Management scheitert und wie es gelingen kann 24 Buchinterview Stefan Strohmeier im Gespräch 26 Digitalisierungsrechner Wie sich die Digitalisierung von Prozessen auf die CO2-Bilanz auswirkt 30 Fallstudie Ein Mittelständler digitalisiert seine Personalprozesse 32 Firmenporträts Die Spanne in der Digitalisierung der Personalarbeit ist gewaltig. Die einen ringen mit den Basics, die anderen gestalten die Zukunft. 34 ADP 36 Agenda 38 Bremer RZ 40 Gfos 42 Hansalog 44 Haufe-Lexware 46 HR Works 48 Lexware 50 Oracle 52 Peras 54 Personio 56 Perview 58 RZ Hartmann 60 Rexx Systems 62 SD Worx 64 SP Data 66 Tisoware 68 UKG 70 Zalaris 72 Marktübersicht: Anbieter-Listings

5 Marktübersicht Von Elke Singler Die Zeiten, in denen sich HR-IT-Entscheider auf einen Anbieter fokussieren konnten, sind vorbei. Ein „Best-of-Breed“-Ansatz ist notwendiger denn je. Die Zukunft könnte in einem Kernsystem sowie vier daran andockenden Segmenten liegen. notwendiger denn je. Das heißt: HR hat eine zentrale Plattform, an die Tools für spezielle HR-Themen angedockt werden. Nach wie vor geben die US-amerikanischen Softwarehersteller die Entwicklungen und Trends vor, die den HCMSoftwaremarkt in der DACH-Region bestimmen. Egal ob etablierte Suite-Anbieter oder gehypte Start-ups: Tools, die in den USA durchstarten, kommen über kurz oder lang auch in den hiesigen Personalbereichen zum Einsatz. Ein Kernsystem, vier Andocksegmente Der Markt wächst schnell und hat sich sowohl in der Breite als auch in der Tiefe entwickelt. HR-IT-Markt-Experten wie Josh Bersin sehen bei HR-SoftwareHohe Innovationsdynamik im HCM-Softwaremarkt Wer als Personalerin oder Personaler die Hoffnung hatte, dass nach der pandemiebedingten Sonderbelastung mit Kurzarbeit und Homeoffice nun wieder Normalität zurückkehrt, wird voraussichtlich enttäuscht werden. Denn Themen wie der demografische Wandel und die geänderten Anforderungen „junger Talente“ an potenzielle Arbeitgeber nehmen gerade erst Fahrt auf. Der Digitalisierungsdruck in den HR-Abteilungen ist also weiterhin hoch und wird noch zunehmen. Bei all den technischen Neuerungen ist es nicht nur schwer, den Überblick zu behalten. Es ist auch herausfordernd zu entscheiden, welches der vielen Tools für den eigenen Bedarf das richtige ist. Denn die Zeiten, in denen sich HR-IT-Entscheider auf einen Anbieter fokussieren konnten, sind längst vorbei. Ein „Best-of-Breed“-Ansatz ist

6 HR-Software personalmagazin plus: HR-Software 2022 Ein Trend, der aus den USA herüber- schwappt, sind CreatorPlattformen für HR. anwendungen zusätzlich zum HR-CoreSystem vier weitere Segmente. Dabei stellt das erste Segment die Basis dar. Dort befinden sich alle Anwendungen für die HR-Transaktionen. Dazu gehören Tools vom Talentmanagement über das Recruiting bis hin zu HR Analytics. Der Markt für Anwendungen des zweiten Segments, Employee Experience oder Mitarbeitererfahrung, hat sich dynamisch entwickelt und bietet neben UmfrageTools Workflow Apps, Anwendungen für Feedback und Employee Intelligence. Das dritte Segment, Talent Intelligence genannt, beinhaltet Anwendungen für den Bereich der Fähigkeiten (Skills) der Mitarbeitenden. Dazu zählen Skillmanagement, Skills Database, Job Architecture, Talent Mobility, Job Matching, Karriereplanung oder auch Mentoring. Neu kommt das vierte Segment hinzu mit sogenannten Creator Tools. Damit können die Mitarbeitenden ohne vertiefte IT-Kenntnisse selbst Anwendungen anpassen. Dies ermöglicht den HR-Bereichen, zukünftig in Eigenregie beispielsweise Umfragen, Feedback-Systeme oder Lerninhalte zu erstellen. HCM- und Gehaltsabrechnungssysteme werden neu definiert Integrierte HCM- und Gehaltsabrechnungssysteme, sogenannte HCM-Suiten, wie die von Workday, Oracle, SAP Success Factors, Cornerstone, UKG, ADP und vielen anderen, sind ein fester Bestandteil des HCM-Softwaremarkts. Sie bilden meist die Basis für das HR-Ökosystem. Vor allem aufgrund des ungebrochenen Trends, HR-Daten zukünftig in der Cloud zu speichern, können sich die Anbieter über stetiges Wachstum freuen. Während die meisten dieser Anbieter mittlerweile über eine sehr breite Palette von HR-Transaktionsfunktionen (Segment 1) verfügen, kommt nun bei vielen eine eigene Employee-Experience(EX)-Ebene mit entsprechenden Anwendungen hinzu. Hier legen sie funktional auch deswegen nach, weil dieser Softwarebereich erfolgreich von spezialisierten US-amerikanischen Anbietern wie Eightfold, Gloat, Fuel 50, Hitch, Degreed oder Sky Hive bedient wird. Denn eine durchgängig gute EX und die Fähigkeit, dank Talent-Intelligence-Systemen vorhandene Fähigkeiten im Unternehmen schneller zu identifizieren und besser zu nutzen, wird in Zeiten des schnellen Wandels immer wichtiger. HCM-Suiten-Anbieter befinden sich deshalb in einer schwierigen Lage. Sie müssen ihr angestammtes Territorium, das Transaktionssegment, verteidigen und gleichzeitig die EX und die TalentIntelligence-Systeme im Auge behalten. Denn nicht nur die genannten spezialisierten Anbieter, sondern auch WorktechVendoren wie Microsoft mit Viva oder Service Now dringen immer weiter in ihr Revier ein. Employee Experience ist immer noch das Topthema Alle HCM- Software-Segmente entwickeln sich gut, besonders gut entwickeln sich allerdings Anwendungen, die sich mit dem Topthema Employee Experience (EX) – Mitarbeitererfahrung – befassen. Mit EX ist die Summe der persönlichen Erfahrungen und Eindrücke gemeint, die Mitarbeitende im Laufe ihrer Beschäftigungszeit, von der Einstellung bis zum Austritt, täglich im Unternehmen machen. Softwarehersteller, die EX als zentrales Thema in ihren Anwendungen bieten – egal ob in einer Suite, einer Plattform oder einem Einzel-Tool –, sind derzeit äußerst erfolgreich. Denn die Covid19-Pandemie und die zunehmende Etablierung hybrider Arbeitsmodelle stellten Unternehmen in Bezug auf die Bindung der Mitarbeitenden und die Produktivität vor ganz neue Herausforderungen. Das hat maßgeblich dazu beigetragen, schnell neue Technologien und Software einzuführen, um den Mitarbeitenden, die oft viele Stunden in einem digitalen Arbeitsumfeld verbringen, auch hier eine möglichst positive EX zu bieten. Um diesen Bedarf zu befriedigen und amBall zu bleiben, haben einige der etablierten Hersteller entsprechende Module bereits in ihre HCM-Suiten integriert. Das Ergebnis sind sogenannte HCX-Suiten, Human-Capital-Experience-Suiten, bei denen die positive Mitarbeitererfahrung in allen Bereichen oberste Priorität haben soll. HCM-Softwareanbieter liefern mit ihren Suiten nach wie vor die für jedes Unternehmen wesentlichen Musthave-Transaktions-Tools, doch wirklich punkten können aktuell vor allem die-

7 Marktübersicht chen den traditionellen HCM-Softwareherstellern das Leben schwer. In den Workflow integrierte TM-Anwendungen nehmen zu Möglichst viele HCM-Anwendungen in den Workflow zu integrieren ist heutzutage ein „Must-have“-Feature. Besonders wichtig ist dabei die Integration in Zusammenarbeits-Tools. Viele Unternehmen standardisieren mittlerweile ihre Kommunikations-Tools wie Teams, Zoom, Webex oder Slack. Das bedeutet, dass sich eigentlich alle neuen Lösungen in diese Systeme integrieren lassen müssen. Workday hat beispielsweise dieses Thema aufgegriffen. Nach Workday for Microsoft Teams und Slack folgt nun Workday Everywhere. Damit können Mitarbeitende innerhalb ihrer Arbeitsabläufe schnell und unkompliziert auf jenigen, die Entwicklungen im Bereich EX vorantreiben und auch Innovationen im nächsten Topthema, Talent Intelligence, vorweisen können. Denn führende Beratungsunternehmen wie Gartner raten derzeit, dass vermehrt Investitionen in diese Bereiche fließen sollen. Die Unternehmen können Gartner zufolge ihre bestehenden HCM- und ERP-Systeme bezüglich EX updaten und pflegen. Ein kosten- und arbeitsintensiver Komplettaustausch ist nicht zu empfehlen. Denn Kapazitäten und finanzielle Mittel sollten besser in Anwendungen für EX und Talent Intelligence fließen, die ergänzend oder integriert in bestehende Systeme das Unternehmen aufs nächste Level heben können. Dass dieser Ratschlag ernst genommen wird, spiegelt die Marktentwicklung wider. Neue Konkurrenten wie Microsoft Viva, Service Now oder Work Jam maDer HCM-Softwaremarkt 2022 Workday zugreifen, ohne zwischen verschiedenen Anwendungen wechseln zu müssen. Doch es wird Grenzen geben. Bei schnellen und einfachen HR-Transaktionen mag dies sinnvoll sein, allerdings werden komplexe Talent-Management-Aufgaben voraussichtlich auch in Zukunft innerhalb der HCM-Anwendung besser aufgehoben sein. Employee Listening als Basiskompetenz für EX Wenn ein Unternehmen das Topthema Employee Experience ernsthaft vorantreiben möchte, sind Anwendungen zu Employee Listening – Voice of Employee, oder anders ausgedrückt, Anwendungen, die das „Zuhören“ unterstützen, die Basis des Erfolgs. Damit können Arbeitgeber wertvolle Informationen über die Erfahrungen ihrer Beschäftigten mit dem UnHR Core ERP / Lohn- und Gehaltsabrechnung / Zeit- und Abwesenheitsmanagement / Digitale Personalakte 1. Segment: HR-Transaktions-Tools Talentmanagement / Recruiting / Onboarding / Performancemanagement / Engagement / Learning / Karriere- und Nachfolgeplanung / HR Analytics 2. Segment: Employee Experience • Employee Listening • Employee Journey • Employee Intelligence • Puls-Check • 360-Grad-Feedback • Ad-hoc-Befragungen 3. Segment: Talent Intelligence • Skills Database • Job Architecture • Talent Mobility • Talent Marketplace • Job Matching • Mentoring 4. Segment: Creator Tools Anwendungen zum Erstellen eigener Lösungen wie • Umfragen • Feedback Apps • Lerninhalten Quelle: Elke Singler 2022

8 HR-Software personalmagazin plus: HR-Software 2022 Anbieter von HCM-Suiten sind in einer schwierigen Lage. Sie müssen ihr angestammtes Territorium, das Transaktionssegment, verteidigen. ternehmen gewinnen. Resultieren daraus entsprechende Handlungen, steigen die Zufriedenheit, das Engagement und die Bindung der Belegschaft. Als adäquate Tools hierfür gelten hauptsächlich Befragungen der Mitarbeitenden. Es geht dabei nicht um Umfragen im klassischen Sinne. Vielmehr soll den Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben werden, an unterschiedlichen Kontakt- und Interaktionspunkten, sogenannten Touchpoints, auf ihremWeg durch das Beschäftigungsverhältnis, der Employee Journey, Feedback zu geben. Das sogenannte kontinuierliche Zuhören, „Continuous Listening“, ist wichtig, damit daraus Handlungen erfolgen, die den Mitarbeitenden zeigen, dass sie maßgebend an Unternehmensentscheidungen beteiligt sind. Hersteller von Tools für kontinuierliches Zuhören bis hin zu komplexen Employee-Listening-Plattformen erzielen deutliche Zuwächse. Innovative Umfragesysteme liefern derzeit eine Vielzahl an Anwendungen wie Puls-, Mitarbeiter- und 360-Grad-Multi-Rater-Umfragen, Ad-hoc-Messungen, Crowdsourcing, Video- und Audioanalysen und Engagement Surveys. Alle daraus resultierenden Informationen sollten in einer Datenbank mit tiefgehenden Echtzeitanalysen zur Verfügung stehen. Experience Intelligence sorgt dafür, dass der Unternehmensführung, den Führungskräften und dem Personalbereich diese Ergebnisse zur Verfügung stehen. Dieser Markt ist stark gewachsen. Anbieter sind Qualtrics, Peakon oder Medallia, deren Systeme bereits in einige der HCM-Suiten integriert sind. Entfalten können sich diese Tools am besten im Umfeld von agilen und moderneren TM-Strategien und -Technologien. Wichtig bei der Einführung solcher Tools ist vor allem, dass es Strukturen gibt beziehungsweise welche aufgebaut werden, die sich aktiv um die teilweise auch kritischen Ergebnisse kümmern. Denn nichts ist schlimmer, als den Eindruck zu erwecken, dass auf Mitarbeitende gehört wird, dann aber keine Taten folgen. Skill Management und Talent- Intelligence-Plattformen sind der nächste große Hype Im dritten Segment, Talent Intelligence, ist der Markt ähnlich dynamisch wie im Segment Employee Experience. Anbieter wie Eightfold, Gloat, Beamery, Fuel 50, Hitch, Sky Hive oder Tech Wolf sind in den USA die Spezialisten für Skills Management und Karriereplanung. Anwendungen zu Talent Intelligence bündeln, strukturieren und vernetzen die Themen Skills-Datenbank, Skills Graphen und Ontology, Job Architecture, Talent Mobility, Job Matching, Karrierepfade bis hin zum Mentoring und Coaching. Auch eher auf den Mittelstand abzielende Suiten wie beispielsweise die von Infoniqa oder Rexx Systems verfügen bereits über integrierte Skill Management Tools. Aktuell wird von diesen Anwendungen erwartet, dass sie auf Knopfdruck Mitarbeitende mit jobrelevanten Fähigkeiten und Qualifikationen herausfiltern, um zum Beispiel optimierte Projektteams zusammenzustellen oder die Nachfolgeplanung transparent für alle Mitarbeitenden abzubilden. Anbieter wie SAP, Workday, Oracle oder Cornerstone haben in ihren Suiten komplexere und noch stärker integrierte Lösungen, sogenannte Skills Engines oder Talent-Intelligence- Plattformen. Auch Cornerstone hat durch die erst kürzlich erfolgte Übernahme von Edcast viel Know-how in diesem Bereich hinzugewonnen. Diese KI-gestützten Systeme ermöglichen den Unternehmen unter anderem sowohl einen Abgleich interner als auch externer Bewerber auf relevante Rollen in der Organisation. Da auch Daten aus externen Systemen integriert werden müssen, ist hier auf entsprechende Schnittstellen zu achten. Talentmarktplätze etablieren sich Im Zusammenhang mit Skills und Talent Intelligence sind auch die sich mehr und mehr durchsetzenden Talentmarktplätze zu sehen. Damit die Mitarbeitenden selbstständig nach geeigneten Projekten und Aufträgen innerhalb des Unternehmens suchen können, gibt es bisher meist wenig beachtete interne Karriereportale. Diese werden nun zunehmend durch moderne Talentmarktplätze ersetzt. Mitarbeitende können damit einfacher interne Positionen, Projekte oder auch Mentoren finden und Karrierewege prüfen. Angesichts des enormen Wachstums dieses Marktsegments ist mittlerweile fast jeder Anbieter eingestiegen. Die US-Pioniere sind Gloat und Fuel 50, die jeweils mehr als eine Million Nutzer auf ihren Plattformen haben und mithilfe künstlicher Intelligenz zahlreiche Funktionen

9 Marktübersicht und Analysen liefern. Alle international vertretenen Suite-Anbieter und zunehmend auch kleinere europäische TM-Anbieter haben jedoch nachgezogen und mittlerweile Talentmarktplätze in ihre Anwendungen integriert. Stark beachtet wurde hierzulande die Übernahme des Berliner Talentmarktplatzunternehmens Tandemploy durch Phenom. Unternehmen und Anbieter erkennen infolge dieser Entwicklung, dass Talentmarktplätze durchaus in enger Verbindung zu angrenzenden Bereichen wie Mentoring und Coaching stehen. Deshalb werden Talentmarktplätze zunehmend mit Weiterentwicklungs-Tools verbunden. Sie ermöglichen auch unterschiedliche Arbeitsmodelle wie zum Beispiel Jobsharing oder unterstützen agile Projektarbeit. Die Talentmarktplätze werden so immer mehr zu einem System für interne Mobilität und Entwicklung. Bisher hat noch kein Anbieter eine marktbestimmende ganzheitliche Lösung präsentiert, und so ist auch oft noch innerhalb der großen HCM-Suiten Platz für die Lösungen der Spezialisten. Performance-ManagementSoftware entwickelt sich zu Managementplattformen Im Bereich Lernmanagement ist Virtual Reality nach wie vor ein sich stetig entwickelnder Baustein für Unternehmensschulungen. Beim Content und den Lerninhalten sind Anbieter wie Cornerstone und Skillsoft mit guten Lösungen in diesem wachstumsstarken Markt vertreten. Dank Plattformen wie dem Linkedin Learning Hub oder Viva Learning können die Beschäftigten mittlerweile exakt das finden, was sie gerade benötigen. Spezialisierte Performance-Management-Anbieter werden immer wieder von führenden HCM-Suiten übernommen. Beispielsweise wurde Peakon von Workday gekauft. Dies zeigt: Der Markt bewegt sich weg von eigenständigen Performance Management Tools hin zu viel stärker integrierten sogenannten Perfomance- Management-Plattformen. Erfolgreiche US-Anbieter dafür sind Better Works oder 15 Five. Während bisher oft ein integriertes Talentmanagement-System genügte, das die Bedürfnisse einer klassischen hierarchischen Organisation mit ihren MBO-Prozessen abdeckt, braucht es zukünftig Anwendungen, die auch agile Organisationen mit ihrem Fokus auf Teams und OKRs bedienen. Die HCM-Anbieter haben zwar jeweils Tools in diesem Bereich, aber für die wenigsten liegt der Fokus darauf. Spezialisten wie zum Beispiel Haufe Talent mit dem Team-Entwicklungs-Tool Teampact positionieren sich hier. Bei dem Thema OKRs gibt es ebenfalls spezialisierte Anbieter wie Workpath, Weekdone oder Haufe OKR, die stark auf die kollaborativen Aspekte des Themas und weniger auf die Abbildung des Transaktionalen setzen. Creator Economy wird auch HR beeinflussen Ein Trend, der ebenfalls aus den USA zu uns herüberschwappt, zeigt sich im vierten Segment, den Creator Tools. In den letzten Jahren verzeichnete die Creator Economy im Consumer-Bereich mit Tik Tok, Instagram, Snapchat, Twitter, Facebook und anderen ein immenses Wachstum. Nun wird das B2B-Segment und damit HR ins Visier genommen. Creator-Plattformen für das Personalwesen werden entwickelt. Damit können beispielsweise Lerninhalte, Employee Journeys, Feedback-Systeme oder Back-to-Work-Tools selbst erstellt werden. Experten zufolge wollen Unternehmen zukünftig nicht mehr nur vorgegebene, standardisierte HCM-Softwareanwendungen, sondern Tools, mit denen sie ihre eigenen Inhalte erstellen und innovative Ideen umsetzen können. Der Markt ist noch jung. Dennoch ist Service Now bereits mit dem Tool Citizen Developer aktiv. Damit sollen auch nicht IT-affine Mitarbeitende in der Lage sein, Anwendungen und Apps zu erstellen. Ein weiteres Beispiel liefert der Anbieter 360 Learning, der es Experten ermöglicht, Kurse und Lernprogramme eigenständig mit benutzerfreundlichen Content-Entwicklungs-Tools zu erstellen. Es wird spannend, wie sich dieses Segment in DACH entwickelt. Auch 2022 ist der HCM-Softwaremarkt äußerst dynamisch. Doch wie heißt es so schön: „Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.“ Basierend auf den Erfahrungen der Vergangenheit kann aber davon ausgegangen werden, dass sich die amerikanischen HRTech-Markttrends in DACH langsam und aufgrund der DSGVO mit gewissen Einschränkungen durchsetzen werden. ELKE SINGLER ist Beraterin und Softwarenanalystin und verfolgt die Entwicklungen und Trends im HR-Softwaremarkt.

HR-Software 10 personalmagazin plus: HR-Software 2022 Von Daniela Furkel Was braucht ein Bewerbermanagementsystem heute? Multiposting und CV-Parsing sollten dazugehören. Aber wie sieht es mit Active-Sourcing- und SEO-Unterstützung aus? Was wünschen sich die Recruiterinnen und Recruiter, und in welche Richtung entwickeln die Anbieter ihre Lösungen? Marktkenner geben Auskunft. Neue Talente gewinnen Bewerberdaten pflegen und verwalten, mit Kandidatinnen und Kandidaten kommunizieren und Bewerbungen vom Fachbereich prüfen lassen: Das sind Funktionen, die Bewerbermanagementsysteme (BMS) seit vielen Jahren mitbringen. Vor einiger Zeit kamen dann CV-Parsing (das Umwandeln von Lebensläufen in strukturierte Daten), Multiposting (das Veröffentlichen, Managen und Auswerten von Online-Stellenanzeigen) dazu, bei manchen Anbietern auch KI-basiertes Matching oder integrierte Video-Tools für Jobinterviews. Was muss ein modernes BMS mitbringen, damit die Unternehmen den ständig wachsenden Herausforderungen im Recruiting begegnen können? Den Recruitingprozess beschleunigen „Hilfreich sind die Funktionen einzelner Anbieter, mit denen sich der Recruitingprozess zentral beschleunigen lässt. Das ist zum Beispiel eine automatische Absage des Bewerbers und Schließung der Stelle, falls nach drei Tagen keine Rückmeldung des Fachbereichs vorliegt – als optionale Funktion bei bestimmten Stellen“, sagt Matthias Olten, Bereichsleitung Auditierung/ Zertifizierung bei Jobware. „Gute Unterstützung bieten auch einige wenige Anbieter, die entsprechende Hinweise zum diskriminierungsfreien Formulieren von Stellenanzeigen geben“, ergänzt er. Seine Einblicke in den Markt der Recruiting-Software basieren auf eine durch Jobware beauftragte Untersuchung von Professor Christoph Beck

Bewerbermanagementsysteme 11 (Hochschule Koblenz) und auf seinen zusammen mit Professor Wolfgang Jäger entwickelten Recruiting-Excellence-Audits, die regelmäßig in Unternehmen durchgeführt werden. Recruiting-Software muss nutzerfreundlich sein Welche Softwarefunktionen den Recruiterinnen und Recruitern im Unternehmen besonders wichtig sind, untersucht Wolfgang Brickwedde, Director des Institute for Competitive Recruiting (ICR), regelmäßig im ICR E-Recruiting-Software-Report. „Diese verändern sich von Jahr zu Jahr und korrelieren stark mit dem Arbeitsmarkt. 2015 hatten wir schon einmal das Jahr der Bewerbenden ausgerufen und im Report von 2016 stand die Nutzerfreundlichkeit für Bewerberinnen und Bewerber auf dem zweiten Platz“, berichtet er. Im aktuellen Report zählt sie erneut zu einem der wichtigsten Aspekte. Sie steht an vierter Stelle, gleich nach dem Management des Bewerbungseingangs und der Datensicherheit. Unangefochten auf dem ersten Platz steht heute – wie schon im Vorjahr – die Nutzerfreundlichkeit für Recruiterinnen und Recruiter. Fünf Jahre zuvor belegte dagegen die Datensicherheit Platz eins. „Es gab früher eine höhere Wichtigkeit für die Datensicherheit. Hinsichtlich des aktuellen Bewerbermarkts könnte ich mir gut vorstellen, dass die Nutzerfreundlichkeit für Bewerberinnen und Bewerber in diesem Jahr wieder unter die Top drei kommt“, folgert Wolfgang Brickwedde. Mehr Active Sourcing und Analytics-Funktionen Nicht nur die Bedürfnisse der Recruiterinnen und Recruiter, auch deren Zufriedenheit mit der genutzten Software unterliegt jährlichen Schwankungen: „Die mangelnden Möglichkeiten für Active Sourcing – also die über das BMS gesteuerte Suche von potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten in externen Quellen – frustriert viele Recruiterinnen und Recruiter aktuell am meisten“, weiß er. 62 Prozent geben das heute als Verbesserungsbedarf an. Vor fünf Jahren bemängelten dagegen lediglich 30 Prozent, dass sie sich eine bessere Unterstützung beim Active Sourcing wünschen würden. Eine ähnliche Entwicklung beobachtete Wolfgang Brickwedde bei der Bereitstellung von Recruiting-Kennzahlen: Auch das funktioniere 2021 für fast die Hälfte der Nutzerinnen und Nutzer (48 Prozent) noch nicht wie gewünscht. Vor fünf Jahren regten sich nur 23 Prozent darüber auf. Aktuell würden sich auch deutlich mehr Recruiterinnen und Recuiter (45 Prozent) bessere Suchmöglichkeiten in ihrer internen CV-Datenbank wünschen. 2016 äußerten lediglich 22 Prozent diesen Wunsch. Einfachere Bewerbungsmöglichkeiten schaffen Das deckt sich mit den Beobachtungen von Matthias Olten: Die Unterstützung von Active Sourcing innerhalb der Software, der Aufbau von Talent-Pools und vor allem das Bereitstellen unkomplizierter Bewerbungsmöglichkeiten seien für die Unternehmen wichtiger geworden, weiß er. In eine ähnliche Richtung gehen die Wünsche auf Bewerberseite: Auch hier steht die Nutzerfreundlichkeit ganz oben. Warum kann eine Bewerbung nicht so einfach sein wie ein OnlineEinkauf? Sicherlich hat die Entscheidung für eine neue Stelle eine deutlich größere Tragweite als der Kauf von Turnschuhen, aber trotzdem können etablierte Funktionen aus dem OnlineHandel einen großen Mehrwert für Stellensuchende darstellen: „Genau die Stelle, auf die die Bewerbung gerade erfolgt, sollte wie ein Warenkorb immer im Blick sein. Im Zweifel wird der Bewerbungsprozess sonst abgebrochen“, nennt Matthias Olten einen Punkt für die Candidate Experience. Weitere sind: „Fehler in der Anwendung, fehlende Mobilfähigkeit und insbesondere die Pflicht zu einem Login-Prozess und damit zum Double-Opt-In lassen die Abbruchquote in die Höhe schnellen.“ Die Möglichkeit zum Pausieren der Bewerbung hingegen erhöhe die Abschlussquote signifikant: „Wer gezwungen ist, die Bewerbung jedes Mal von vorn anzufangen, weil noch Unterlagen gefehlt haben, wird schnell das Interesse verlieren und aufhören“, sagt er. Die Abbruchquote wird auch durch die Anzahl der Eingabefelder – insbesondere der Pflichtfelder – negativ beeinflusst und durch ungenügende Automatisierungen: „Niemand will manuell korrigieren, was CV-Parser dem hochgeladenen Lebenslauf automatisch entnehmen. Und nicht jeder will einen Gehaltswunsch im Formular eintragen“, sagt er. Auf ein Anschreiben und Lebenslauf will indes weniger als die Hälfte der Bewerberinnen und Bewerber verzichten. Und diejenigen, die sich erstmals oder seit längerer Zeit wieder bewerben, wünschen sich Unterstützung beim Erstellen von Anschreiben und Lebenslauf. „Wer hier Hilfe anbietet, erhält spürbar mehr Bewerbungen“, rät er.

HR-Software 12 personalmagazin plus: HR-Software 2022 Wie wichtig die Nutzerfreundlichkeit für alle am Recruitingprozess Beteiligten ist, haben auch die Software-Anbieter erkannt. „Grundlegend für ein gutes Bewerbermanagementsystem sind natürlich alle Funktionen rund um die Kommunikation mit Interessenten: automatische Eingangsbestätigung, E-Mail-Vorlagen, Terminabstimmung et cetera. Das muss professionell und schnell laufen, sonst springen Talente wieder ab“, weiß Steffen Michel, CEO von MHM HR. Er weist darauf hin, dass die eigentliche Herausforderung für Unternehmen heute darin liegt, online von Stellensuchenden gefunden zu werden. „Arbeitgeber müssen in der Lage sein, ihre Stellenausschreibungen schnell und einfach auf die Anforderungen von Suchmaschinen und Stellenportalen anzupassen und sie auf mehreren Kanälen gleichzeitig zu schalten“, sagt er. Er rät deshalb dazu, eine Software einzusetzen, die ein Multiposting Tool integriert und die Möglichkeit bietet, Stellenanzeigen für Google for Jobs zu optimieren. „Zudem sollte ein gutes System HR-Analytics-Funktionen bieten, um die Wirksamkeit von Recruiting-Maßnahmen messbar zu machen und sie zu verbessern“, so Steffen Michel. Seiner Beobachtung nach treten die Themen Matching und Workflow-Automatisierung dagegen eher in den Hintergrund. „Viele unserer Kunden suchen händeringend nach geeigneten Bewerbern. Der Fokus liegt momentan ganz klar darauf, überhaupt Bewerbungen zu generieren“, sagt er. Deshalb geht er davon aus, dass Active Sourcing in den nächsten Jahren immer wichtiger wird. KI bringt nicht immer einen Mehrwert Florian Walzer, Head of Sales & Marketing bei Rexx Systems, sieht weitere Funktionen als unverzichtbar an, unter anderem ein Video-Interview-System oder die Anbindung an ein Videokonferenztool, um virtuelle Jobinterviews direkt über die Software terminieren und durchführen zu können, und die SEO-Optimierung von Stellenanzeigen: „Ein wichtiger Aspekt gerade bei sehr gesuchtem Personal wie Pflege-, Handwerks- oder IT-Fachkräften. Aus unserer Sicht ist das allerdings bereits Standard, diese Optimierung sicherzustellen“, berichtet er. Neben etablierten Software-Bausteinen wie Multiposting, CV-Parsing und einer One-Click-Bewerbung hält er Kalenderfunktionen zur automatisierten Terminabstimmung für wichtig. „Besonders in Unternehmen mit mehreren Beteiligten am Rekrutierungsprozess ist das dringend erforderlich. Es verkürzt den Weg der Abstimmung zwischen Personalabteilungen, Fachabteilungen und Bewerbenden und beschleunigt dadurch den Rekrutierungsprozess maßgeblich“, sagt er. Auch eine Bewerbung oder Kommunikation per Whatsapp oder anderer Messenger sieht er als nützlich an. Allerdings sollten Unternehmen einen solchen Service nur dann nutzen, wenn sie auch die Kapazitäten haben, diesen zu bedienen. „Ansonsten kann das schnell zu Frustrationen seitens der Bewerbenden führen“, so Florian Walzer. KI-basierte Funktionalitäten wie Chatbots oder ein automatisiertes Matching sieht er nicht unbedingt als vorteilhaft an. BeimMatching bestehe die Gefahr, dass Bewerbende mit abweichendem Werdegang zu früh aussortiert werden. Bei Chatbots sei zu berücksichtigen, dass viele Personen diesen eher kritisch gegenüberstehen. Darüber hinaus sei im Vorfeld genau zu klären, welche Informationen der Bot gibt. Er nennt ein Beispiel: „Eine Kandidatin fragt nach dem Status der Bewerbung. Der Chatbot antwortet ehrlich, dass die Bewerbung seit vier Wochen im Fachbereich liegt. Das ist realistisch, aber es stellt sich die Frage, ob das so kommuniziert werden soll?“ Er empfiehlt stattdessen die Einbindung von Videochats: „Wenn die Bewerbenden so direkt mit den Fachabteilungen in Kontakt treten können, kann die Personalabteilung deutlich entlastet werden.“ Gründe für den Softwareeinsatz Bewerbermanagementsystem ist nicht gleich Bewerbermanagementsystem. Welches BMS sich für welches Unternehmen eignet, ist abhängig von vielen Faktoren wie der Anzahl der Vakanzen pro Jahr, der Branche oder der gesuchten Berufsgruppe. Wie stark die Bedürfnisse der Unternehmen differieren, verdeutlichen die unterschiedlichen Erfahrungen der Anbieter: „Aktuell erhalten wir viele Anfragen von sozialen Organisationen und Einrichtungen. Diese stehen meist vor der Herausforderung, dass sie dezentral organisiert sind, die Personalverwaltung aber aus der Zentrale erfolgt. Da wird es beim Recruiting schnell unübersichtlich“, berichtet Steffen Michel von MHM. Die VerantwortUngefähr 90 Prozent der neu eingeführten Software für Recruiting und Bewerbermanagement werden in der Cloud betrieben.

Bewerbermanagementsysteme 13 bungen mit Vakanzen abgeglichen werden und eine Vorauswahl an geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten getroffen wird, sei im Kommen. Darüber hinaus werden seiner Ansicht nach KI-Anwendungen in unterschiedlichen Ausprägungen in die Bewerbermanagementsysteme Einzug halten, angefangen bei einer Optimierung des Matchings bis zu einer Optimierung der Stellenanzeigen hinsichtlich Diversity Recruiting. Viel Bewegung am Softwaremarkt Es tut sich also einiges amMarkt für Recruiting-Software. „Zahlreiche Softareanbieter haben ihre Software umfassend modernisiert. Einige haben sich selbst neu erfunden, andere haben Anbieter aufgekauft und in ihre Lösung integriert“, so Wolfgang Brickwedde. Er hat darüber hinaus beobachtet, dass neue Softwarefirmen mit komplett neuen Lösungen sowie verstärkt auch Anbieter aus dem US-amerikanischen Raum auf den deutschen Markt gekommen sind. Hilft das auch den Bewerberinnen und Bewerbern? Ja, meint der Recruiting-Experte. Stellensuchende könnten heute schon passende Stellenanzeigen vorgeschlagen bekommen. Dazu genüge es, einen Lebenslauf hochzuladen. Den Rest mache die KI. „Dann können sie immer noch entscheiden, ob sie sich bewerben wollen. Aber die Hauptarbeit der Suche nach einem passenden Job und passenden Arbeitgeber wurde schon ohne weiteres Zutun beantwortet. Das ist natürlich sehr im Sinne der Candidate Experience“, sagt Wolfgang Brickwedde und nennt die Karriereseiten von Rheinmetall als Beispiel für solch ein Angebot. Die etablierten Anbieter gehen voran Er übt jedoch auch Kritik: „Lösungen für das Bewerbermanagement gibt es seit 15 bis 20 Jahren. Überrascht bin ich immer wieder, dass die durchschnittliche Zufriedenheit der Nutzerinnen und Nutzer immer noch im negativen Bereich (minus 18) liegt, gemessen am Net Promotor Score, dessen Skala von minus 100 bis plus 100 reicht.“ Zwar zeige der Trend nach oben, aber noch nicht ins Positive. „Doch es gibt auch rühmliche Ausnahmen: Der Top-Wert der Besten liegt bei plus 88“, so Brickwedde. Das Feedback der Unternehmen jedenfalls wird von den meisten Software-Anbietern ernst genommen, so die Beobachtung von Matthias Olten von Jobware: „Gerade die etablierten mittelständischen deutschen Anbieter treiben die Entwicklung ihrer Lösungen marktorientiert voran, gestützt auf Kundenfeedback und Zahlen.“ In den vergangenen Jahren sind auch immer mehr Start-ups auf den Markt gekommen, die die Unternehmen beim Recruiting unterstützen wollen. Doch diese bieten oftmals nur spezielle Funktionalitäten und decken nicht den gesamten Recruitingprozess ab, oder sie richten sich an eine kleine Nutzergruppe. „Die Software der Start-ups sieht manchmal attraktiv aus. Aber manche dort zu findende Innovation muss sich erst noch bewähren oder taugt nur für eine kleine Zielgruppe“, sagt Matthias Olten. Sein Fazit zur aktuellen Marktentwicklung: „Spezialisten haben häufig gegenüber den Generalisten die Nase vorn. Nicht die Start-ups gegenüber den Etablierten.“ lichen legen daher Wert auf die digitale Einbindung aller Beteiligten in den Recruitingprozess und auf intuitive Bedienbarkeit. „Denn die Verantwortlichen in den einzelnen Einrichtungen haben oftmals Doppelfunktionen inne. Sie haben also keine Zeit, sich aufwendig in eine neue Software einzuarbeiten“, sagt er. Etwas anders ist die Ausgangslage bei den Kunden von RexxSystems, die hauptsächlich mittelständische Unternehmen von 200 bis 5.000 Beschäftigten und öffentliche Verwaltungen sind. Diesen kommt es besonders auf eine Verschlankung und Professionalisierung ihrer Recruitingprozesse an, um konkurrenzfähig auf dem Arbeitsmarkt zu sein und die Recruitingkosten in Grenzen zu halten. Die Cloud dominiert die Nachfrage Zahlreiche Firmen, insbesondere die kleineren Betriebe, arbeiten beim Recruiting noch immer mit Outlook und Excel. Sie stellen fest, dass sie attraktiver für Bewerbende werden müssen und vor allem schneller. Sie wollen mehr Transparenz erreichen und Ansatzpunkte für Optimierungen erkennen. Weil das mit einem vornehmlich händisch durchgeführten Recruiting nicht mehr möglich ist, suchen sie nach einer Recruiting-Software. Die Nachfrage ist hoch und wächst weiter mit dem steigenden Fachkräftebedarf. Sie kommt vornehmlich von Firmen, die bislang noch keine professionelle Lösung im Einsatz haben. „Die Unternehmen, die bereits ein BMS haben, wechseln ihren Anbieter eher selten, da dies mit Aufwänden wie einer Datenübernahme einhergeht. Kommt es doch zu einem Wechsel, ist dies oftmals mit einer Neuausrichtung der IT-Strategie verbunden, kann aber auch mit Unzufriedenheit – etwa durch lange Wartezeiten im Support – zusammenhängen“, so Steffen Michel. Vor allem Cloud-Lösungen sind heute nachgefragt. Steffen Michel und Florian Walzer berichten übereinstimmend von rund 90 Prozent Cloud-Anteil. „Die Entscheidung, ob Cloud oder OnPremises eingesetzt wird, hängt allerdings von der Systemarchitektur der Unternehmen ab. Auch Inhouse-SaaS als sogenannte Hybrid-Variante ist gefragt“, sagt Florian Walzer. Die Zukunft der Systeme In welche Richtung werden sich die Bewerbermanagementsysteme in den nächsten Jahren entwickeln? Einfacher, übersichtlicher und nutzerfreundlicher – oder komplexer mit noch mehr Funktionsumfang? Laut Wolfgang Brickwedde müssen sich Nutzerfreundlichkeit und Komplexität nicht ausschließen. „Die Recruiterinnen und Recruiter wollen die Systeme für sich selbst anpassen können. Früher mussten sie dafür beim Anbieter einen Change-Request einreichen. Und nur dann, wenn ihr Unternehmen groß genug war oder viele andere das auch beantragt haben, wurde dem stattgegeben. Das konnte sich schon mal ein Jahr hinziehen“, erklärt er. Heute sehe das anders aus. Bei modernen Lösungen könne jeder selber Änderungen vornehmen. „Das heißt, die dahinterstehende Komplexität schlägt sich nicht in einer schlechteren, sondern in einer verbesserten Nutzerfreundlichkeit nieder“, so Wolfgang Brickwedde. Er geht davon aus, dass Bewerbermanagementsysteme mehr und mehr als Plattform auftreten und mit leicht zuschaltbaren Ergänzungen auf dem Stand der Technik bleiben. Auch eine Teilautomatisierung des Recruitings, bei der eingehende BewerDANIELA FURKEL ist Chefreporterin des Personalmagazins und unter anderem für das Thema Recruiting verantwortlich.

HR-Software 14 personalmagazin plus: HR-Software 2022 Von Sophia Seiderer und Hans-Joachim Gergs Durch Erneuerung zur digitalen Reife

Digitale Reife 15 Welche Fähigkeiten versetzen ein Unternehmen in die Lage, sich digital zu transformieren? Warum der Schlüssel zur digitalen Reife nicht nur in der technischen Ausrüstung oder im digitalen Know-how liegt, sondern mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion und zu Zweifeln assoziiert ist. Diskussion noch kaum exploriert und empirische Daten liegen, wenn überhaupt, nur zu vereinzelten Fähigkeiten vor, die möglicherweise Unternehmen zur Erneuerung verhelfen. In einer aktuellen Studie2 der Universität Regensburg wurden diese Kompetenzen der Selbsterneuerung näher untersucht. Nachdem insbesondere die Digitalisierung Unternehmen vor enorme Herausforderungen stellt, bezogen auf ihre Flexibilität, Schnelligkeit und Transformationsfähigkeit, wurde in der Studie analysiert, inwiefern Unternehmen, die über bestimmte Kompetenzen der Erneuerung verfügen, auch bessere Voraussetzungen für die digitale Transformation mitbringen. Entwicklung eines Messmodells Für die Studie wurde ein Messmodell aus zwei Säulen entwickelt: In der ersten Säule wurden acht Dimensionen der Selbsterneuerungsfähigkeit untersucht. Bislang bestehen lediglich einzelne Konzeptualisierungen zur vorausschauenden und kontinuierlichen Erneuerung von Organisationen.3 Die Dimensionen des Messmodells in der vorliegenden Untersuchung basieren auf einer Konzeptualisierung von Gergs4, der die Prinzipien der kontinuierlichen Selbsterneuerung aus Fallstudien und Beobachtungen in der Praxis entwickelt hat. Für die Untersuchung wurden die einzelnen Prinzipien theoretisch eingeordnet und operationalisiert. Die erste Säule zur Messung der Selbsterneuerungsfähigkeit von Unternehmen besteht aus acht Dimensionen. 1. Selbstreflexion 2. Kommunikation und Vernetzung 3. Vielfalt und Paradoxiefähigkeit 4.Bezweifeln und Vergessen 5. Erkunden 6. Experimentieren 7. Fehler- und Feedback-Kultur 8. Infrastruktur der Erneuerung Die zweite Säule zur Messung der digitalen Reife von Unternehmen bezieht sich auf drei Ebenen: auf die strategische, organisatorische und individuelle Dimension der Digitalisierung. Die strategische Ebene umfasst dabei, inwiefern eine Organisation über eine klare, konsistente und systematische Corona hat Unternehmen den Spiegel vorgehalten: Innerhalb kürzester Zeit hat die Pandemie die Defizite und den Aufholbedarf bei der Digitalisierung schonungslos offengelegt. Die Auswirkungen auf die Unternehmen waren drastisch – und es wurde schnell deutlich, welche Organisationen fähig sind, sich schnell und flexibel auf Veränderungen in ihrer Umwelt einzustellen, die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse, Produkte und Dienstleistungen voranzutreiben, und welche Organisationen sich schon vor der Pandemie nur schwerfällig und langsam mit Innovation und Wandel auseinandergesetzt haben. Der Fokus hat sich damit auf Kompetenzen gerichtet, die Unternehmen dazu befähigen, sich kontinuierlich auf neue Anforderungen einzustellen und die digitale Transformation in ihrer Organisation voranzutreiben. Studien aus der Managementforschung zeigen schon länger, dass insbesondere die Unternehmen, die in der Lage dazu sind, sich kontinuierlich zu erneuern und sich sehr schnell auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen, langfristig am ehesten erfolgreich sind.1 Doch bislang ist noch weitgehend unklar, welche Kompetenzen das genau sind. Das Konstrukt der Selbsterneuerung ist in der wissenschaftlichen Zur Studie Die Universität Regensburg hat 514 Mitarbeitende deutscher Unternehmen befragt. Davon waren 73 Prozent Arbeitnehmende, 27 Prozent Führungskräfte. Die Hauptaltersgruppe in der Befragung bilden die 30- bis 39-Jährigen (37 Prozent), gefolgt von den 40- bis 49-Jährigen (23 Prozent). Es wurden eine branchenübergreifende Querschnittsbefragung durchgeführt sowie Case Studies in vier ausgewählten Unternehmen aus dem Finanz-, Medien- und Mobilitätsbereich. Es waren sowohl kleine und mittelständische Betriebe als auch Dax-Konzerne in der Untersuchung vertreten. Weiter wurde ein Abgleich zwischen zwei Gruppen mit hohem und eher niedrig ausgeprägtem digitalen Reifegrad durchgeführt, zwischen Start-ups und dem öffentlichen Dienst.

HR-Software 16 personalmagazin plus: HR-Software 2022 Digitalstrategie verfügt, die zweite, organisationale Ebene bezieht sich darauf, inwiefern diese Strategie auch schon strukturell verankert ist (digital reife Organisationen sind zum Beispiel häufiger funktionsübergreifend strukturiert; Kane et alii, 2017). Die individuelle Ebene bezieht sich auf die Möglichkeit der Mitarbeitenden, die digitale Zukunft des Unternehmens aktiv mitzugestalten, sowie auf deren digitale Kompetenzen und Entwicklungsmöglichkeiten. Valides Modell Ein zentrales Ziel der Studie bestand darin, ein theoretisch fundiertes, mehrdimensionales und empirisch geprüftes Modell zur Messung der Selbsterneuerungsfähigkeit und digitalen Reife in Organisationen zu entwickeln. Damit ging die Neuentwicklung von einer Mehrzahl an Skalen und Subskalen einher, da bislang zur Messung des Konstrukts „Selbsterneuerungsfähigkeit“ und der damit verbundenen Dimensionen noch keine geprüften Testskalen vorlagen. Das Testmodell wurde explorativ auf seine Faktorenstruktur hin untersucht (EFA) sowie eine konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) durchgeführt und relevante Testgütekriterien bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein valides und reliables Messmodell für die Messung der Selbsterneuerungsfähigkeit und digitalen Reife von Organisationen ergeben hat. Weitere Ergebnisse der Studie Aus den empirischen Untersuchungen der Arbeit lassen sich die folgenden zentralen Ergebnisse zusammenfassen. 1. Erneuerungsfähige Unternehmen sind digital reifer Je erneuerungsfähiger, desto digital reifer ist ein Unternehmen. Die Erneuerungsfähigkeit und digitale Reife sowie die damit verbundenen Kompetenzen eines Unternehmens stehen nahezu vollständig in einem positiven statistisch hochsignifikanten Zusammenhang. Wenn also ein Unternehmen über ausgeprägte Kompetenzen der Selbsterneuerung verfügt, zum Beispiel zum „Bezweifeln“ oder zum „Experimentieren“, dann ist die Organisation auch fortgeschritten bei der strategischen oder organisatorischen Digitalisierung. Es sind also nicht nur technische Infrastruktur, Geräte oder Digitalkompetenzen, die für die digitale Transformation eines Unternehmens relevant sind: Die Ergebnisse aus der Studie verdeutlichen, dass Kompetenzen wie Selbstreflexion, Fehlerkultur oder die Fähigkeit zu Zweifeln, die bislang eher als „soft skills“ betrachtet wurden, mit der digitalen Reife einer Organisation hochgradig assoziiert sind. Für Unternehmen ist es demnach sinnvoll, solche Kompetenzen zu fördern, wenn sie die digitale Transformation im Unternehmen voranbringen wollen. Die Case Studies der Untersuchung zeigen, dass die großen Unternehmen aus der Studie grundsätzlich erneuerungsfähiger sind als die kleinen Organisationen, jedoch nicht unbedingt digital reifer. Es wird deutlich, dass Mitarbeitende in großen Unternehmen offensichtlich häufiger aktiv in die Gestaltung der digitalen Zukunft des Unternehmens eingebunden werden – daher ist die individuelle digitale Reife bei den größeren Unternehmen höher ausgeprägt. Auf der strategischen und organisatorischen Ebene lassen sich bei der digitalen Reife jedoch keine Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen Untersuchungsmodell Quelle: Seiderer, S.; 2021 Strategische Digitalisierung Selbstreflexion Kommunikation und Vernetzung Vielfalt und Paradoxiefähigkeit Bezweifeln und Vergessen Erkunden Experimentieren Fehler- und FeedbackKultur Infrastruktur der Erneuerung Individuelle Digitalisierung Organisationale Digitalisierung Selbsterneuerung

Digitale Reife 17 handen – das gilt genauso für ein Start-up wie im öffentlichen Dienst. Der Wunsch nach aktiver Beteiligung der Mitarbeitenden ist in beiden Gruppen ähnlich hoch ausgeprägt. Wichtig ist, dass dieses Bedürfnis dann auch auf ein entsprechendes Empowerment durch das Management stößt und Mitarbeitende an der digitalen Ausgestaltung ihres Unternehmens beteiligt werden. Ausblick und Fazit Noch sind die einzelnen Fähigkeiten von Unternehmen, sich regelmäßig anzupassen und zu erneuern, unzureichend exploriert, und es mangelt noch an branchenübergreifenden und langfristig angelegten Studien, die zeigen können, dass Unternehmen, die über solche Kompetenzen verfügen, beispielsweise langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern oder ihre Gewinne maximieren können et cetera. Die aktuelle Studie bietet dafür jedoch einen guten Ausgangspunkt: Sie kann aufweisen, dass es eine Evidenz dafür gibt, dass Unternehmen mit bestimmten ausgeprägten Kompetenzen der Erneuerung auch fortschrittlicher sind bei der digitalen Transformation. Damit kann die Studie einen Grundstein dafür legen, den Fokus stärker auf diese sogenannten weichen Faktoren zu richten, die dynamischen Kompetenzen der Selbsterneuerung näher zu beleuchten und zu untersuchen, inwiefern solchen Fähigkeiten auch eine betriebswirtschaftliche Relevanz zukommt, wenn es darum geht, Organisationen für die Zukunft auszurichten. feststellen. Im Gegenteil, insbesondere die Analyse einer kleinen Regionalbank, die besonders hohe Ausprägungen bei der digitalen Reife erreichte, zeigte, dass kleine oder mittelständische Unternehmen Großkonzerne im digitalen Transformationsprozess durchaus überrunden können. 2. Experimentiergeist und Neugier als Voraussetzung Digital reife Unternehmen sind „Meister des Experimentierens“. Digital reife Organisationen lassen sich doppelt so häufig auf kleine, iterative Experimente ein als Organisationen, die sich noch im Anfangsstadium der Digitalisierung befinden, wie Studien aus dem amerikanischen Raum zeigen.5 Bezogen auf die „Experimentierfreude“ von Unternehmen sind deutliche Unterschiede zwischen digitalisierten und wenig digital reifen Organisationen festzustellen. Der Abgleich zwischen der Gruppe der Start-ups und der Behörden in der Studie unterstreicht diese Befunde aus vorausgegangenen Studien. Es ist ein deutlicher Unterschied bezogen auf die Experimentierbereitschaft zwischen den beiden Gruppen festzustellen. In Start-ups dürfen Projekte deutlich häufiger verfolgt werden, wenn Zweck und Ziel im Voraus noch nicht feststehen und auch eher scheitern. Die Durchschnittswerte im öffentlichen Dienst sind hier deutlich niedriger ausgeprägt. Gleichzeitig ist auch die Bereitschaft in Start-ups vonseiten des Managements deutlich höher, sich auf Experimente einzulassen. Mitarbeitende werden dort dazu ermutigt, neue Ansätze auszuprobieren. Das ist in den Unternehmen der allgemeinen Befragung und auch im öffentlichen Dienst wesentlich seltener der Fall. Die Ergebnisse aus der allgemeinen Branchenbefragung verdeutlichen, dass Organisationen bezogen auf ihre Einstellung und Bereitschaft, Neues zu erkunden und zu experimentieren, durchaus noch Aufholbedarf haben: Zwar beschreiben die meisten der befragten Mitarbeitenden aus den Unternehmen sich selbst und ihre Kolleginnen und Kollegen als wissbegierig und offen dafür, Neues zu lernen und auszuprobieren (54 Prozent stimmen eher zu oder voll zu). Weiter geben 48 Prozent der Mitarbeitenden an, dass es ihnen Freude macht, neue Strategien zu erarbeiten. Doch die Frage nach den Ressourcen spielt hier eine Rolle: Rund 40 Prozent der Mitarbeitenden stimmen eher nicht zu oder gar nicht zu, dass sie über die nötigen Ressourcen verfügen, um neue Ideen zu entwickeln. Lediglich 33 Prozent der Befragten geben an, dass sie auch mal Ressourcen für Tätigkeiten verwenden können, bei denen der Zweck und das Ziel nicht im Voraus feststehen. 3. Empowerment der Mitarbeitenden Mitarbeitende, die für Organisationen arbeiten, in denen sie aktiv in die Gestaltung des digitalen Transformationsprozesses eingebunden sind, bewerten ihr Unternehmen deutlich fortschrittlicher bezogen auf dessen digitale Reife. Das heißt, wie sehr Menschen in einer Organisation mitgestalten, die digitale Zukunft prägen und sich dabei aktiv einbringen, entscheidet aus Sicht der Mitarbeitenden auch darüber, wie fortgeschritten sie ihr Unternehmen bezogen auf die digitale Transformation einschätzen. Das muss nicht heißen, dass nur Mitarbeitende, die sich als digital kompetent sehen, hier mehr Potenzial erwarten, um sich einzubringen. Selbst wenn sie selbstkritisch anmerken, dass sie noch Berührungsängste gegenüber digitalen Technologien hegen oder nicht über ausreichende Digitalkompetenzen verfügen, der Wunsch nach aktiver Teilhabe ist dennoch vorDR. SOPHIA SEIDERER hat in Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Regensburg promoviert und sich intensiv mit der digitalen Transformation beschäftigt. DR. HANS-JOACHIM GERGS lehrt an verschiedenen Hochschulen zu den Themen Change Management und Organisationstheorie in digitalen Welten und ist Partner der Gesellschaft für empirische Organisationsforschung. 1 Vgl. Binns, A., Herreld, B. J., O’Reilly, C. & Tushman, M. L. (2013, Dezember 19). The art of strategic renewal. MIT Sloan Management Review. https://sloanreview.mit.edu/article/the-art-of-strategic-renewal/; Collins, J. (2009). How the mighty fall. And why some companies never give in. Random House; Johnson, G., Yip, G. S. & Hensmans, M. (2012, März 20). Achieving successful strategic transformation. MIT Sloan Management Review https://sloanreview.mit.edu/article/achieving-successful-strategic-transformation/; Hamel, G. (2013). Worauf es jetzt ankommt. Erfolgreich in Zeiten kompromisslosen Wandels, brutalen Wettbewerbs und unaufhaltsamer Innovation. Wiley. 2 Seiderer, S. (2021). Erneuerungsfähigkeit als Kernkompetenz für die digitale Zukunft von Organisationen. Eine organisationspsychologische Studie zu den relevanten Parametern. Universitätsverlag Regensburg. 3 Gergs, H.-J. (2016). Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung. Acht Prinzipien für ein neues Change Management. Beltz; Schumacher, T. (2013). Vorausschauende Selbsterneuerung und Führung. In T. Schumacher (Hrsg.), Professionalisierung als Passion (S. 166-179). Carl Auer; Wimmer, R. (2001). Vorausschauende Selbsterneuerung – Wie sich Organisationen mit lebensnotwendigen Irritationen versorgen. In H. H. Hinterhuber & H. Stahl, Fallen die Unternehmensgrenzen? Beiträge zur Außenorientierung der Unternehmensführung. Innsbrucker Kolleg für Unternehmensführung (Bd. 3). Expert; Weick, K. E. & Sutcliffe, K. M. (2001). Managing the Unexpected. Resilient Performance in an Age of Uncertainty (1. Auflage). Jossey-Bass. 4 Gergs, H.-J. (2016). Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung. Acht Prinzipien für ein neues Change Management. Beltz. 5 Kane, G. C., Palmer, D., Phillips, A. N., Kiron, D. & Buckley, N. (2017, Juli 13). Achieving digital maturity. Adapting your company to a changing world. Deloitte Insights. https://dupress.deloitte.com/dup-us-en/focus/digitalmaturity/digital-mindset-mit-smr-report.html.

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