Digitale Reife 17 handen – das gilt genauso für ein Start-up wie im öffentlichen Dienst. Der Wunsch nach aktiver Beteiligung der Mitarbeitenden ist in beiden Gruppen ähnlich hoch ausgeprägt. Wichtig ist, dass dieses Bedürfnis dann auch auf ein entsprechendes Empowerment durch das Management stößt und Mitarbeitende an der digitalen Ausgestaltung ihres Unternehmens beteiligt werden. Ausblick und Fazit Noch sind die einzelnen Fähigkeiten von Unternehmen, sich regelmäßig anzupassen und zu erneuern, unzureichend exploriert, und es mangelt noch an branchenübergreifenden und langfristig angelegten Studien, die zeigen können, dass Unternehmen, die über solche Kompetenzen verfügen, beispielsweise langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern oder ihre Gewinne maximieren können et cetera. Die aktuelle Studie bietet dafür jedoch einen guten Ausgangspunkt: Sie kann aufweisen, dass es eine Evidenz dafür gibt, dass Unternehmen mit bestimmten ausgeprägten Kompetenzen der Erneuerung auch fortschrittlicher sind bei der digitalen Transformation. Damit kann die Studie einen Grundstein dafür legen, den Fokus stärker auf diese sogenannten weichen Faktoren zu richten, die dynamischen Kompetenzen der Selbsterneuerung näher zu beleuchten und zu untersuchen, inwiefern solchen Fähigkeiten auch eine betriebswirtschaftliche Relevanz zukommt, wenn es darum geht, Organisationen für die Zukunft auszurichten. feststellen. Im Gegenteil, insbesondere die Analyse einer kleinen Regionalbank, die besonders hohe Ausprägungen bei der digitalen Reife erreichte, zeigte, dass kleine oder mittelständische Unternehmen Großkonzerne im digitalen Transformationsprozess durchaus überrunden können. 2. Experimentiergeist und Neugier als Voraussetzung Digital reife Unternehmen sind „Meister des Experimentierens“. Digital reife Organisationen lassen sich doppelt so häufig auf kleine, iterative Experimente ein als Organisationen, die sich noch im Anfangsstadium der Digitalisierung befinden, wie Studien aus dem amerikanischen Raum zeigen.5 Bezogen auf die „Experimentierfreude“ von Unternehmen sind deutliche Unterschiede zwischen digitalisierten und wenig digital reifen Organisationen festzustellen. Der Abgleich zwischen der Gruppe der Start-ups und der Behörden in der Studie unterstreicht diese Befunde aus vorausgegangenen Studien. Es ist ein deutlicher Unterschied bezogen auf die Experimentierbereitschaft zwischen den beiden Gruppen festzustellen. In Start-ups dürfen Projekte deutlich häufiger verfolgt werden, wenn Zweck und Ziel im Voraus noch nicht feststehen und auch eher scheitern. Die Durchschnittswerte im öffentlichen Dienst sind hier deutlich niedriger ausgeprägt. Gleichzeitig ist auch die Bereitschaft in Start-ups vonseiten des Managements deutlich höher, sich auf Experimente einzulassen. Mitarbeitende werden dort dazu ermutigt, neue Ansätze auszuprobieren. Das ist in den Unternehmen der allgemeinen Befragung und auch im öffentlichen Dienst wesentlich seltener der Fall. Die Ergebnisse aus der allgemeinen Branchenbefragung verdeutlichen, dass Organisationen bezogen auf ihre Einstellung und Bereitschaft, Neues zu erkunden und zu experimentieren, durchaus noch Aufholbedarf haben: Zwar beschreiben die meisten der befragten Mitarbeitenden aus den Unternehmen sich selbst und ihre Kolleginnen und Kollegen als wissbegierig und offen dafür, Neues zu lernen und auszuprobieren (54 Prozent stimmen eher zu oder voll zu). Weiter geben 48 Prozent der Mitarbeitenden an, dass es ihnen Freude macht, neue Strategien zu erarbeiten. Doch die Frage nach den Ressourcen spielt hier eine Rolle: Rund 40 Prozent der Mitarbeitenden stimmen eher nicht zu oder gar nicht zu, dass sie über die nötigen Ressourcen verfügen, um neue Ideen zu entwickeln. Lediglich 33 Prozent der Befragten geben an, dass sie auch mal Ressourcen für Tätigkeiten verwenden können, bei denen der Zweck und das Ziel nicht im Voraus feststehen. 3. Empowerment der Mitarbeitenden Mitarbeitende, die für Organisationen arbeiten, in denen sie aktiv in die Gestaltung des digitalen Transformationsprozesses eingebunden sind, bewerten ihr Unternehmen deutlich fortschrittlicher bezogen auf dessen digitale Reife. Das heißt, wie sehr Menschen in einer Organisation mitgestalten, die digitale Zukunft prägen und sich dabei aktiv einbringen, entscheidet aus Sicht der Mitarbeitenden auch darüber, wie fortgeschritten sie ihr Unternehmen bezogen auf die digitale Transformation einschätzen. Das muss nicht heißen, dass nur Mitarbeitende, die sich als digital kompetent sehen, hier mehr Potenzial erwarten, um sich einzubringen. Selbst wenn sie selbstkritisch anmerken, dass sie noch Berührungsängste gegenüber digitalen Technologien hegen oder nicht über ausreichende Digitalkompetenzen verfügen, der Wunsch nach aktiver Teilhabe ist dennoch vorDR. SOPHIA SEIDERER hat in Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Regensburg promoviert und sich intensiv mit der digitalen Transformation beschäftigt. DR. HANS-JOACHIM GERGS lehrt an verschiedenen Hochschulen zu den Themen Change Management und Organisationstheorie in digitalen Welten und ist Partner der Gesellschaft für empirische Organisationsforschung. 1 Vgl. Binns, A., Herreld, B. J., O’Reilly, C. & Tushman, M. L. (2013, Dezember 19). The art of strategic renewal. MIT Sloan Management Review. https://sloanreview.mit.edu/article/the-art-of-strategic-renewal/; Collins, J. (2009). How the mighty fall. And why some companies never give in. Random House; Johnson, G., Yip, G. S. & Hensmans, M. (2012, März 20). Achieving successful strategic transformation. MIT Sloan Management Review https://sloanreview.mit.edu/article/achieving-successful-strategic-transformation/; Hamel, G. (2013). Worauf es jetzt ankommt. Erfolgreich in Zeiten kompromisslosen Wandels, brutalen Wettbewerbs und unaufhaltsamer Innovation. Wiley. 2 Seiderer, S. (2021). Erneuerungsfähigkeit als Kernkompetenz für die digitale Zukunft von Organisationen. Eine organisationspsychologische Studie zu den relevanten Parametern. Universitätsverlag Regensburg. 3 Gergs, H.-J. (2016). Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung. Acht Prinzipien für ein neues Change Management. Beltz; Schumacher, T. (2013). Vorausschauende Selbsterneuerung und Führung. In T. Schumacher (Hrsg.), Professionalisierung als Passion (S. 166-179). Carl Auer; Wimmer, R. (2001). Vorausschauende Selbsterneuerung – Wie sich Organisationen mit lebensnotwendigen Irritationen versorgen. In H. H. Hinterhuber & H. Stahl, Fallen die Unternehmensgrenzen? Beiträge zur Außenorientierung der Unternehmensführung. Innsbrucker Kolleg für Unternehmensführung (Bd. 3). Expert; Weick, K. E. & Sutcliffe, K. M. (2001). Managing the Unexpected. Resilient Performance in an Age of Uncertainty (1. Auflage). Jossey-Bass. 4 Gergs, H.-J. (2016). Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung. Acht Prinzipien für ein neues Change Management. Beltz. 5 Kane, G. C., Palmer, D., Phillips, A. N., Kiron, D. & Buckley, N. (2017, Juli 13). Achieving digital maturity. Adapting your company to a changing world. Deloitte Insights. https://dupress.deloitte.com/dup-us-en/focus/digitalmaturity/digital-mindset-mit-smr-report.html.
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