Digitalisierung 25 Angebote wie Axiom.ai ermöglichen es jeder Person, einfache intelligente Helferlein (Bots) zu erstellen, die beispielsweise Unternehmen beobachten oder anderweitig Karriereinformationen vorstrukturieren. Für die Seite der Unternehmen bedeutet das, dass sie sukzessive den Auswahlprozess, den man bislang als Bewerbung und Bewerbungsauswahl verstanden hat, wegfallen lassen können. Ist das gleichzeitig der Tod der Stellenanzeige? Klare Antwort: auf keinen Fall. Die Stellenanzeige wird in diesem Szenario zur Matching API, gegen die Kandidatinnen und Kandidaten ihre digitalen Tools laufen lassen. Gleich im Anschluss daran erfolgt der direkte Sprung in die persönlichen Gespräche, die es auch in Zukunft noch geben wird. Uns muss klar werden, dass eine stärkere Digitalisierung des Prozesses in keinemWiderspruch zur Vermenschlichung desselben steht. Ganz im Gegenteil: Durch die Orchestrierung von Tools auf beiden Seiten entsteht mehr Zeit für die zwischenmenschliche Komponente. Das Metaverse steht vor der Tür Zukunftsvisionen des Bewerbungsprozesses können seit dem vergangenen Jahr nicht mehr ohne die Berücksichtigung des Metaverse vorgenommen werden. Das Thema erscheint vielen noch weit weg, aber tatsächlich haben sich die Entfernungen von Entwicklungszyklen derart verkürzt, dass man davon ausgehen kann, dass nicht nur Meta (ehemals Facebook) den angestrebten Drei-Jahres-Plan realisieren wird. Die Auflösung des Raumgefühls und die Verbindung der verschiedenen Wirklichkeiten (VR/AR/Real Life) wird den Bewerbungsprozess massiv beeinflussen. Durch die Verlagerung des Matchings und der Auswahl auf die Kandidatenseite werden sich Unternehmen wieder deutlich stärker im Erstkontakt positionieren müssen. Hier sind wir zwar im Kontext der Bewerbung unterwegs. Aber auf den gesamten HR-Bereich projiziert, werden wir wesentliche weitere Baustellen zu bearbeiten haben. Vor allem der Bereich Retention wird hierbei von herausragender Bedeutung sein. Fragt man aktuell die Beschäftigten nach den Herausforderungen ihres Unternehmens im Jahr 2022, so lautet die Top-Antwort: Mitarbeiterbindung. Im Kontext der Bewerbung wird es in naher Zukunft vor allem das Metaverse sein, in dem sich Unternehmen positionieren sollten. Durch den Paradigmenwechsel, der hier vollzogen werden muss – es handelt sich nicht lediglich um das Upgrade von Web 2.0 auf Web 3.0. –, wird es Unternehmen nicht leichtfallen, dies rechtzeitig zu erkennen. Das HR-Bewusstsein für das Metaverse fehlt Wechseln wir wieder in die beiden Perspektiven, mit denen wir diesen Beitrag begonnen haben, wissen wir, dass die Kandidatinnen und Kandidaten den Unternehmen voraus sind. Unsere Zahlen zeigen, dass sich bereits heute knapp 60 Prozent der berufserfahrenen Beschäftigten vorstellen können, mit einer virtuellen Brille zu arbeiten. Fragt man nach einer „Augmented-Reality-Brille“ steigt der Wert derer, die sich das bei ihrer täglichen Arbeit vorstellen können, sogar auf knapp 80 Prozent (Quelle: Trendence HR Monitor). Dazu passende Daten der HR-Bereiche der Unternehmen liegen uns nicht vor. Meine These ist aber, dass das Bewusstsein, dass beginnend mit 2023 das Metaverse-Zeitalter seinen Lauf nimmt, hier noch nicht vorhanden ist. Dieses Bewusstsein zu bilden, wird die wesentliche Herausforderung sein, nicht die technische Ausstattung. Personalabteilungen müssen sich lediglich jetzt und heute fragen, ob sie bereit wären, im Januar 2023 im Metaverse den Arbeitsplatz zu beziehen. Wer genau an dieser Stelle zuckt, weil er glaubt, nicht vorbereitet zu sein, oder aber denkt, dass es noch fünf Jahre dauert, bis sich solche Fragen stellen, könnte selbst schneller überholt werden, als ihm oder ihr das lieb sein könnte. Die Geschwindigkeit, mit der Technologien in HR Einzug halten, ist schon seit Jahren höher als die Anpassungsgeschwindigkeit der HR-Bereiche selbst. Das bedeutet, ist der Anpassungsprozess bei der scheinbar neuen Technologie noch nicht ganz abgeschlossen, winkt schon die neue Technologie. Die Grenzen zwischen virtuell und real schwinden Wir laufen also in eine Zeit, in der es keine Grenzen mehr zwischen virtuellen und realen Arbeitswelten geben wird. Wichtiger noch: Wir werden deutlich andere digitale Möglichkeiten haben, den gesamten Prozess zu gestalten. Dinge, die heute nur in wenigen Firmen fester Bestandteil des Prozesses sind, wie Gespräche von Bewerbenden mit „echten“ Mitarbeitenden, können viel leichter in die Bewerbung integriert werden. Der Fokus kann auf die Einstellung gelegt werden, natürlich aus dem Blickwinkel beider Parteien. Wir haben festgestellt: Der Bewerbungsprozess wird sich in Zukunft stärker in Richtung der Kandidatinnen und Kandidaten verschieben. Die Auswahl im Bewerbungsprozess wird auf ihrer Seite liegen. Das bedeutet für Unternehmen: Die Stellenanzeige und die darin enthaltenen Informationen müssen viel aussagekräftiger werden, um einen echten Matchingalgorithmus gegenlaufen lassen zu können. Alle darauffolgenden Prozessschritte können künftig entfallen, bis zum finalen Interview in Persona. Zudem werden wir einen weiteren Sprung in Richtung einer stärkeren Technologisierung erfahren. Kandidatinnen und Kandidaten sowie Recruiterinnen und Recruiter werden Bot-Armeen und Algorithmen orchestrieren. Auf der anderen Seite gilt aber auch: Der Mensch sowie dessen Haltung rückt in den Vordergrund. ROBINDRO ULLAH ist Managing Director des Trendence Instituts. Trendence betrachtet seit 23 Jahren den Arbeitsmarkt und untersucht Trends und Veränderungen in Bezug auf die Personalgewinnung und Personalentwicklung.
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