Personalmagazin 12/2021
25 Schwerpunkt: Da geht noch mehr Vollständige Beitragsgarantien haben aus gedient. Versicherer geben grünes Licht für die Beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ). Richtig gestaltet, soll sie Arbeitgebern Rechts sicherheit bieten und für Beschäftigte die Chance auf eine auskömmliche Betriebsrente erhöhen. In der privaten Altersvorsorge verlieren Kapitalgarantien schon seit Jahren an Bedeutung. Der Grund: die anhaltend nied- rigen Zinsen. Zum 1. Januar 2022 sinkt der Höchstrechnungszins von 0,9 auf seinen vorläufigen Tiefpunkt von 0,25 Prozent. Der Garantiezins verliert somit nicht nur augenscheinlich an Rele- vanz, sondern schiebt nun in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) eine Zusageart ins Abseits. Gemeint ist die Beitragszusa- ge mit Mindestleistung (BZML). Denn die Versicherungswirt- schaft sieht sich künftig nicht mehr in der Lage, Tarife mit einer 100-prozentigen Beitragsgarantie zum Rentenbeginn zu kalku- lieren. „Nach Berechnungen der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) würde es künftig bei herkömmlichem Kostenansatz über 100 Jahre dauern, bis eine garantierte Leistung in Höhe der ein- gezahlten Beiträge erreicht wird“, sagt Dr. Carsten Schmidt. Der Manager und Aktuar bei Lurse Pension & Benefits Consulting ist sich sicher: „Ab 2023 wird es voraussichtlich keine Versicherung mehr geben, die eine Versorgungszusage auf Basis einer BZML versichert.“ Das bestätigt auch eine Deloitte-Umfrage vom Juli/ August dieses Jahres: Danach will nur eine Lebensversicherung von 18 befragten Versicherungsgruppen hier in Einzelfällen Ausnahmen zulassen. Mit anderen Worten: Freie Bahn für die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ). Arbeitgeber müssen sich auf das neue Angebot der Versicherer einstellen „Ab 2022 werden wir ausschließlich die BOLZ anbieten“, bestä- tigt Ute Thoma, Leiterin Betriebliche Vorsorge Vertrieb bei der Bayerischen, und fügt hinzu: „Das war schon in der Vergangen- heit überwiegend der Fall.“ Arbeitgeber sind nun gefordert, ihre Versorgungsordnung oder Betriebsvereinbarung dahingehend zu prüfen, ob diese ab 2022 für Neuverträge angepasst werden muss. Für bestehende Verträge ändere sich laut Thoma hingegen nichts, da der dort vereinbarte höhere Rechnungszins erhalten bleibe. Die Allianz verabschiedet sich Ende 2022 gänzlich von der BZML. „Wir haben unsere Kunden im Juli über unsere Pläne informiert, und es gibt inzwischen eine große Anzahl von Fir- menkunden, die den Zeitpuffer gar nicht nutzen, sondern schon jetzt auf eine BOLZ umstellen wollen“, sagt Erika Biedlingmeier, Abteilungsleiterin Kundenlösungen und Grundsatzfragen der bAV bei dem Versicherer (siehe Interview S. 27) Abgesenkte Garantien bei BOLZ möglich Anders als vor rund einem halben Jahr hat sich unter bAV-Ex- pertinnen und -experten inzwischen offenbar die Auffassung durchgesetzt, dass eine abgesenkte Garantie durch eine BOLZ gedeckt ist. „Bei Arbeitsrechtlern hat es hier in jüngster Zeit einen Meinungsschwenk gegeben“, berichtet Schmidt und verweist vor allem auf zwei Sachverhalte: Das Betriebsrentengesetz definiert die BOLZ in § 1 derart, dass der Arbeitgeber eine Leistung zusagt, die aus den Beitragszahlungen finanziert wird. Auf eine bestimmte Leistungshöhe oder gar einen vollständigen Beitragserhalt ver- weist das Gesetz jedoch nicht. Zudem habe das Bundesarbeitsge- richt (BAG) in seinem „Casino“-Urteil von 2016 eine „Leitplanke“ dahingehend gesetzt, dass der Arbeitgeber schon zum Zeitpunkt der Beitragszahlungen festlegen muss, in welcher Höhe Beschäf- tigte zum Rentenbeginn mindestens eine Leistung erhalten. Die zweite „Leitplanke“ hat das BAG bereits 2009 mit seinem „Zillmerung“-Urteil festgelegt. Danach ist es erforderlich, dass bei vorzeitigem Ausscheiden von Beschäftigten, also sogenann- ten Störfällen, eine angemessene Leistung weiter zur Verfügung steht, sagt Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgar- ter Vorsorge-Management und bAV-Generalbevollmächtigte der Stuttgarter Lebensversicherung. Zusätzlich verlangt das Betriebs- rentengesetz eine Wertgleichheit der Entgeltumwandlung. „Das ist aber nach der bisherigen Rechtsprechung keine wirkliche Hürde. Denn hier wird auf versicherungsmathematische Grundlagen ab- gestellt, die bei Versicherungsverträgen eigentlich immer gegeben sind, sofern sie aufsichtsrechtlich zulässig sind“, erklärt Meissner. Transparenz und Risikoaufklärung „In Sachen Transparenz ist es meines Erachtens unerlässlich, dass der Arbeitnehmer an vorderster Stelle darüber informiert wird, dass der Tarif auf eine abgesenkte Garantie abstellt, und
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