Personalmagazin plus 10/2021
Marktübersicht 9 Aufbau von Teamstrukturen und der Besetzung von Teams. Traditionelle Stellenbeschreibungen und Rollendefinitionen sind zu starr für die derzeit geforderte Flexibilität, Agilität und Mobilität. Spezialanbieter wie Kazoo, Bloomi, 365 Talents, Degreed, Gloat, Tandemploy, Hitch oder Fuel 50 bieten für die- se neuen Anforderungen KI-unterstützte Lösungen. Nach der Übernahme von Crafty hat auch der etablierte Suiten-Anbieter Talentsoft eine Talent-Matching-Lösung, die auf intelligenten Algorithmen und einem dynamischen Fähigkeitsgraphen ba- siert. Cornerstone hat durch die Übernahme von Clustree eine KI-gestützte Skill Engine und eine umfassende Skill-Ontologie, was dazu dient, die Skills der Mitarbeitenden auf ganz gezielte Jobrollen abzustimmen. Was bedeuten diese Entwicklungen nun für die Navigation von HR im Zeitalter von HR-IT 4.0? Die Analyse von Daten wird immer wichtiger. Entscheidungen werden zukünftig auch in HR verstärkt primär datenbasiert getroffen, wobei der Trend in Richtung Ad-hoc-Daten geht. Das heißt: Die gewonnenen Daten werden nicht mehr nur zentral verarbeitet und ausgewertet, sondern für sehr konkrete Anwendungsfälle direkt im Tool der jeweiligen Nutzergruppe zur Verfügung gestellt. So können schnell Entscheidungen getroffen werden. Europäische Anbieter arbeiten hier auf Basis der europäi- schen Datenschutzrichtlinien. Bei US-amerikanischen An- bietern sollte dieser Punkt gegebenenfalls genauer überprüft werden. Im betrieblichen Alltag ist das Datenhandling der Anbieter jedoch nicht der eigentliche Engpass. Die Betriebsräte haben aus unterschiedlichen Motiven teilweise starke Vorbe- halte gegen solche Systeme, die aus ihrer Sicht „Datenkraken“ sind. Die Angst vor dem gläsernen Mitarbeitenden ist dabei nur eins der oft unbegründeten Argumente für Widerstand. Auch die sich immer noch imWandel befindliche Gesetzeslage, Stich- wort Schrems-II-Urteil, führt zu Unsicherheit und erschwert die Entscheidungen. Zum Hype-Thema Künstliche Intelligenz (KI): KI ist der Über- begriff für Anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnli- che Intelligenzleistungen wie Lernen, Urteilen und Problemlösen ELKE SINGLER ist Analystin und Beraterin und behält die Entwicklung und Trends im HR-Software-Markt im Blick. erbringen. KI wird zwar immer bedeutender, denn damit können beispielsweise Chatbots und Sprachassistenten die Arbeit verein- fachen, doch gerade im HR-Bereich gibt es bisher für zentrale Fragestellungen keine Lösung. Denn KI beruht zumeist darauf, aus großen bestehenden Daten-Pools Muster zu erkennen und auf dieser Basis Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Doch wie beispielsweise eine gendergerechte Auswahl von Bewerbern auf der Basis von Vergangenheitsdaten funktionieren soll, kann bisher niemand zufriedenstellend beantworten. Bei der Soft- ware-Auswahl für interaktionsfokussierte Themen zwischen Menschen dürfte daher die KI-Unterstützung eines Tools eher weniger von Bedeutung sein. Die Frage „Best of Suite“ (ein Anbieter deckt fast alle HR-Tech- Bereiche ab) oder „Best of Breed“ (für jeden Anwendungsbereich wird die bestmögliche Lösung implementiert) ist nun wieder offen. Während im letzten Jahrzehnt die großen All-in-one- Suite-Anbieter gute Erfolge erzielen konnten, wendet sich derzeit das Blatt im Zeitalter von Softwareplattformen und hybriden Organisationen. Spezialanbieter, die einzelne HR-Themen mit ihrer Software gut lösen und Schnittstellen zur einfachen Inte- gration bereitstellen, haben aktuell gute Chancen, von größeren Mittelständlern und Großunternehmen lizenziert zu werden. Der kleinere Mittelstand entscheidet sich je nach Organisations- modell, sei dieses klassisch-hierarchisch oder dynamisch-agil, typischerweise doch eher für einen einzigen oder höchstens eine kleine Zahl cloudbasierter HR-Software-Anbieter. Das Mitarbeitererlebnis wird künftig im Mittelpunkt aller Be- mühungen von HR stehen. Damit treten die HR-IT-Tools heraus aus ihrer Nische. Als in den Arbeitsablauf integrierter Bestandteil werden sie zu Produktivitäts-Tools und stiften täglich Mehrwert. Isolierte Talentmanagement- oder Performance-Management- Lösungen werden künftig an Bedeutung verlieren. Bersin prognostiziert Marktwachstum von 70 Prozent und mehr bis 2025 Die Dynamik ist weiter groß. Josh Bersin prognostiziert ausge- hend vom Jahr 2020 weltweit ein Marktwachstum von mehr als 70 Prozent bis 2025. Das dürfte ausreichend Möglichkeiten so- wohl für die etablierten Hersteller als auch für die vielen dyna- mischen Start-ups bieten. Für jeden HR-Verantwortlichen gilt daher mehr denn je: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Es gibt nicht mehr den einen richtigen Ansatz oder das eine perfekte Tool. Da hilft meist nur Ausprobieren, um HR-IT 4.0 im eigenen Unter- nehmen mitzugestalten. Das Mitarbeiter- erlebnis wird künftig im Mittelpunkt aller HR-Bemühungen stehen.
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