Personalmagazin plus 10/2021

zur „Human Friendly Automation“ ge- gründet. Hier geht es um eine frühzeitige Folgenabschätzung von KI-Anwendun- gen, die die Perspektiven der Beschäftig- ten für „gute Arbeit“ einbezieht. Mitbestimmung sollte selbstverständlich sein Wesentlich ist auch der Aspekt der menschlichen Autonomie. Einerseits stellen sich neue Fragen der Aufgaben- allokation, zum Beispiel für die Hand- lungsträgerschaft bei der Interaktion mit intelligenter Robotik oder autonomer Software. Müssen sich Beschäftigte ma- schinellen Optimierungszielen anpassen? Entstehen neue Erwartungshorizonte mit vorgeblich objektivem Charakter? Ande- rerseits stellt sich die Frage, ob der Ein- satz von KI zu einem „Human Enhance- ment“, also zu einer Anreicherung und Aufwertung von Tätigkeiten führt. Oder aber sind Simplifizierungseffekte inklu- diert – haben wir es also mit einer Abwer- tung der menschlichen Arbeit zu tun, die sich letztlich auf die Entlohnung auswirkt und die Arbeitsidentität tangiert? Die skizzierten Fragestellungen zei- gen, dass der Einsatz von KI im Betrieb zweifellos anspruchsvoll ist. Es gibt dazu inzwischen eine ganze Reihe von Guideli- nes, zum Beispiel bei der OECD, wo auch ein innovativer prozessorientierter An- satz des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) gelistet ist. Der Ansatz „Gute Arbeit by Design“ (Konzeptpapier „Künstliche Intelligenz (KI) für Gute Arbeit“), der dem Wesen nach auch von der „Plattform Ler- nende Systeme“ geteilt wird (AG2_White- paper_Change_Management.pdf auf www. plattform-lernende-systeme.de) , geht von vier Grundgedanken aus: (a) frühzeitige Einbindung aller Stakeholder zur Strate- gie- und Zielfindung, (b) Transparenzan- forderungen zur Kritikalitätseinstufung, (c) betriebliche Folgenabschätzung und (d) kontinuierliche Beteiligung und Mit- bestimmung (prozeduraler Ansatz). Für den betrieblichen KI-Einsatz wer- den also holistische, partizipative und präventiv wirkende Verfahren für die Ar- beits- und Technikgestaltung empfohlen. Dabei spielt die Mitbestimmung eine her- vorgehobene Rolle, wie es in Ansätzen auch im Betriebsrätemodernisierungsge- setz deutlich geworden ist. Die Praxis zeigt allerdings, dass die Partizipation der Be- schäftigten in der betrieblichen Realität nicht selbstverständlich ist. So wird bei der Debatte ummenschenzentrierte KI oft die Machtasymmetrie in der Arbeitswelt missachtet. Dies beginnt bei der Formu- lierung strategischer Ziele und betrifft mangelnde Information über KI-Anwen- dungen und deren betriebliche Impacts, die Potenziale und Risiken intelligenter Datenanalytik sowie eine realistische Ab- schätzung möglicher negativer Folgen für die Beschäftigungssituation. Für die nöti- ge Akzeptanz für KI im Betrieb braucht es deshalb ein neues Prozessverständnis, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Komplexität von KI-Systemen sowie der Veränderungsdynamik. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass sich Herausfor­ derungen durch eine innovative, an den Mitarbeitenden orientierte Unterneh- menskultur begegnen lässt. Diese auf ge- genseitiger Offenheit, Partizipation und Kooperation basierende Prozessinnova­ tion ist jedoch für viele Unternehmen Neuland. KI erfordert also ein Umdenken bei allen betrieblichen Akteuren. Hilfreich wäre, die rechtlichen Rahmenbedingun- gen für die Mitbestimmung der Beschäf- tigten prozeduraler auszugestalten. Eine rechtliche Absicherung betrieblicher Pro- zessinnovationen, die auch aus Teilen der Community heraus empfohlen werden, kann sicher dazu beitragen, dass sich mo- derne Arbeits- und Unternehmenskultu- ren entwickeln. OLIVER SUCHY ist Leiter der Abteilung „Digitale Arbeitswelten und Arbeits- weltberichterstattung“ beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschafts- bunds (DGB) und Mitglied des Ethikbeirats HR Tech. 31 Debatte Künstliche Intelligenz

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