Personalmagazin plus 10/2021
Seit einigen Jahren bewegt uns die Frage, was künstliche Intelligenz (KI) für die Arbeit der Zukunft bringen wird. Im HR-Bereich ist der Einsatz von ler- nenden Systemen gewiss eine besonders sensibele Angelegenheit. Während ein breites Spektrum von unterschiedlichs- ten KI-Anwendungen in betrieblichen Settings als weitgehend unkritisch gilt, stellen sich im Bereich Personalmanage- ment besondere Herausforderungen. Nicht ohne Grund hat die EU-Kommis- sion im Regulierungsentwurf für KI-An- wendungen in Europa vom April 2021 (EUR-Lex - 52021PC0206 - EN - EUR-Lex) den Bereich Arbeit und Beschäftigung – wenn auch mit Einschränkungen – zum „Hochrisikobereich“ mit besonderen Auflagen erklärt. Schließlich geht es bei der Interaktion zwischen Mensch und KI (Human Machine Interaction) um eine Optimierung von Prozessen, die auch die Beschäftigten selbst nachhal- tig betrifft. Zwei Eigenschaften von KI sind dabei von besonderer Relevanz: die datenbasierte Personalisierung und die vorausschauende Analytik hinsichtlich der Leistungs- und der künftigen Arbeits- fähigkeit. Es stellt sich die Frage, wer in welcher Weise profitiert Im Gegensatz zur Predictive Mainte- nance zur Maschinenoptimierung wird es bei einer KI-gesteuerten „Predictive Perfomance“ zur Optimierung mensch- licher Arbeitskraft heikel. Hier liegen neue Potenziale und dies nicht nur für die Personalentwicklung, sondern auch Von Oliver Suchy KI-Anwendungen im Personalmanagement gelten als heikel. Sie bieten Chancen zur Humanisierung der Arbeit, wenn diese holistisch und partizipativ entwickelt und eingesetzt werden. Doch daran hapert es oft. Dabei sollte eine Mitbestimmung selbstverständlich sein. Grenzen und Nutzen der Datenanalytik für die einzelnen Beschäftigten – durch personalisierte Assistenzsysteme, die die Arbeit erleichtern oder persönliche Entwicklungschancen unterstützen kön- nen. Letztlich könnte sich hier eine neue Perspektive für eine Humanisierung der Arbeit entwickeln. Doch bei KI bewegen wir uns auf einem schmalen Grat. So ist die Gestaltung der Interaktion von KI und Beschäftigten, zum Beispiel bei KI-gestütztem Wissens- oder Gesund- heitsmanagement oder Arbeitsassis- tenzsystemen – physisch oder kognitiv – anspruchsvoll (vgl.: AG2_Whitepa- per2_220620.pdf auf www.plattform-ler- nende-systeme.de). Dies gilt insbesonde- re, wenn die Systeme auf das Feedback der Beschäftigten, also die persönlichen Leistungs- und Verhaltens- oder sogar Gesundheitsdaten angewiesen sind. Besonders sensibel sind dabei verhal- tensorientierte KI-Systeme wie People Analytics, Workplace Analytics oder Emotions- und Sentiment-Analysen im betrieblichen Einsatz sowie algorithmi- sche Entscheidungssysteme (ADM). Hier stellen sich vielfältige Gestaltungs- fragen: zum einen nach dem Nutzen und den Grenzen der Datenanalytik; es heißt zwar immer, dass „der Mensch“ im Mittelpunkt stehe, doch gibt es diesen einen Menschen in sozialen Orten wie Betrieben, Verwaltungen oder Organi- sationen nie allein. Es stellt sich also die Frage, wer in welcher Weise profi- tiert – wie sich also unternehmerische, arbeitspolitische Ziele und die Wahrung der Privatsphäre vereinbaren lassen. Es geht dabei nicht nur um ethische Fra- gen, auch wenn zum Beispiel Analyse- verfahren, bei denen Beschäftigtendaten erhoben werden, die willentlich nicht steuerbar sind, verboten werden sollten. Es geht um sehr konkrete Fragen, zum Beispiel um die Einsicht und die Nut- zung der persönlichen Daten. Dafür gibt die Datenschutzgrundverordnung zwar einen Rahmen vor. Dennoch stellen sich angesichts von Datenseen, die in Unter- nehmen entstehen, komplexe Aushand- lungsfragen – nicht zuletzt durch die Vernetzung unterschiedlicher Systeme in einem Unternehmen. Zum anderen geht es auch um das „Level of Automation“, also um die Aus- wirkungen auf die Job- und Beschäfti- gungssituation, Qualifizierungsbedarfe oder neue Belastungssituationen. Nicht ohne Grund wurde dazu eine Initiative 30 HR-Software personalmagazin plus: HR-Software 2021 Foto: Andreas Schebesta
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