Personalmagazin plus 10/2021

HR-Software personalmagazin plus: HR-Software 2021 24 Fotos: Marzena Skubatz Personalmagazin: Frau Hustedt, Sie sind gerade auf demWeg zu einemBewerbungsgespräch. Haben Sie Ihre Bewerbenden mithilfe einer KI-Anwendung analysieren lassen? Carla Hustedt: Das haben wir in diesem Fall tatsächlich nicht gemacht. Wir suchen eine Projektmanagerin oder einen Projekt- manager. Die Arbeit bei uns ist sehr vielfältig, diese Stelle verlangt sehr unterschiedliche Kompetenzen. Digitalisierung ist ein Quer- schnittsthema, das nicht nur technische, sondern auch juristische, politikwissenschaftliche und philosophische Fragen aufwirft. Für einen KI-basierten Auswahlprozess wären die Faktoren, anhand derer gefiltert werden soll, zu schwer zu definieren. Also taugt künstliche Intelligenz bei der Stellenbesetzung doch nur bedingt? Das würde ich so nicht sagen. Es gibt im Recruiting-Prozess grundsätzlich sehr viele Stellen, an denen man algorithmische Systeme einsetzen kann. Etwa bei der Ausschreibung, der ersten Filterung der Bewerbungen, beim Bewerten der CVs oder als Unterstützung in der Gesprächsanalyse. Künstliche Intelligenz ist sehr geeignet für Prozesse, bei denen es um Konsistenz geht, nach standardisierten Profilen gesucht wird oder möglichst klare Kriterien zu erfüllen sind. Um Prozesse zu automatisieren, ist es immer nötig, dass man genau definieren kann, was eine richtige Entscheidung ausmacht. Letztlich kommt es darauf an, wie man die Systeme einsetzt und welches Ziel das Unternehmen hat. Algorithmen richten sich nach den Daten, mit denen sie ge- füttert werden. Kann das nicht auch überkommene Muster stärken? Ja, natürlich. Künstliche Intelligenz ist im Grunde nichts an- deres als ein datenbasierter Rückspiegel unserer Gesellschaft. Die Systeme werden mit Daten aus der Vergangenheit trainiert. Wenn früher beispielsweise bei der Besetzung von technischen Rollen eher Männer bevorzugt wurden, würde die KI diese Ten- denz fortsetzen, wenn sie mit Daten über die bestehende Beleg- schaft gefüttert wurde. Sie kann nicht unterscheiden zwischen Interview Christian Parth „ Technosolutionism ist riskant“ Anbieter von HR-Software vermitteln mitunter den Eindruck, mit KI-Anwendungen komplexe soziale Probleme einfach lösen zu können. Carla Hustedt, Leiterin des Bereichs „Digitalisierte Gesellschaft“ der Mercator Stiftung, beobachtet solche Versprechen mit Skepsis und warnt vor einem „Technosolutionism“.

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