Personalmagazin plus 10/2021
Prozess der „kontinuierlichen Reaktion“ zu etablieren. Dabei sollen Tools helfen. Zu den Anbietern von Engagement- und Feedback-Messung zählen Culture Amp, Glint (Linkedin), Leapsome, Medallia, Peakon (Workday), Perceptyx, Qualtrics (SAP) und Quantum Workplace. Vor allem große Unternehmen nutzen diverse Feedback- und Befragungs-Tools für verschiedene Geschäftseinheiten. Da jedoch auch eine End-to-end-Ansicht der „Employee Voice“ gewünscht ist, geht der Trend in Richtung „Aktionsplattfor- men“. Die meisten großen Anbieter haben Feedback Tools mit natürlicher Sprach- verarbeitung – und können in Echtzeit auf Probleme reagieren. Ein Beispiel ist Workday: Anfang dieses Jahres übernahm der Plattformanbieter das dänische Unter- nehmen Peakon für 700 Millionen Dollar, um eine integrierte Umfrage-, Feedback- und Employee-Voice-Lösung anzubieten. Auch andere Anbieter wie Medallia und Qualtrics sind dazu in der Lage. Allerdings sind sie nicht so eng in das HCM-System integriert. Service Now hat mit „Listening Posts“ eine eigene Funktionalität integ- riert. Obwohl das Unternehmen dies nicht als Umfrageplattform positioniert, erin- nert dies stark an Glint, Qualtrics, Medal- lia oder Perceptyx. Die Anwendung ist so konzipiert, dass Mitarbeitende schnelles Feedback zu einem Prozess im Arbeits- ablauf geben können und die Personal- oder IT-Abteilung sofort sehen kann, was funktioniert und was nicht. Auch kleinere Unternehmen und Start- ups bewegen sich auf dem gefragten Markt. So integriert etwa Staffbase mit seiner Mitarbeiter-App, die alle Infos und Services des Unternehmens quasi als In- tranet bündelt, eine Feedback-Funktion, die Employee Experience verbessern soll. Der Experience Hub von FunctionHR bie- tet Befragungen, direktes Feedback und Continuous Listening, aus der KI Hand- lungsempfehlungen ableitet. Experience Intelligence: Wahrnehmung verstehen Employee Listening basiert letztlich auf Mitarbeiterbefragungen und Engagement Surveys, mit denen Arbeitgeber heraus- finden möchten, wie verbunden sich Mit- arbeitende mit dem Unternehmen fühlen, wie sehr sie sich anstrengen und wie stark sie sich für ihren Job begeistern. Auch die Ursachen für hohes oder niedriges Engagement sollen sie aufzeigen: indem Beschäftigte die Aspekte Zusammen- arbeit, Kommunikation, Führung, An- erkennung, Ressourcen, Weiterbildungs- möglichkeiten und Karriereentwicklung bewerten. „Das ist alles sinnvoll, misst aber nicht die Employee Experience“, meint Volker Jacobs, Geschäftsführer von TI People. „Man muss den Kontext kennen, in dem Beschäftigte Feedback geben – also die Bedeutung, die eine be- stimmte Interaktion für sie hat.“ TI People hat deshalb ein Datenmo- dell entwickelt, das entscheidende Mo- mente des Beschäftigungszyklus entlang den Stationen Explore, Consider, Begin, Work, Leave, Reconnect mit verschiede- nen Interaktionstypen verknüpft: Hu- man Touchpoints (Interaktion mit Men- schen), physische Touchpoints (wie das Homeoffice oder die Büroeinrichtung) sowie Digital Touchpoints (Software). TI People nutzt für sein Datenbankmodell auch Engagement Surveys wie etwa Qual- trics, ist aber mit jeder marktgängigen Fragebogen-Software kompatibel – eine Schnittstelle für Microsoft Viva ist in Arbeit. Gefragt wird nicht jährlich, son- dern nur bedarfsorientiert und statistisch signifikant in einzelnen Bereichen oder unter bestimmten Beschäftigtengruppen, um valide Informationen zu erhalten. TI People startete mit Daten von rund 20 globalen Unternehmen und passt sein Modell laufend an. „Wenn Unternehmen ihre Personal- Analysen nicht klar differenzieren, lau- fen sie Gefahr, die Einflussnahme ihrer Softwaretools total zu überschätzen“, warnt Volker Jacobs. „Wir sprechen von Experience Intelligence – das ist mehr als Employee Listening.“ Der Berater hat beobachtet, dass im Moment fast alle Unternehmen ein digitales HR-Projekt betreiben und verbesserte Experience ausflaggen. Die Botschaft „We don’t bring you a new technology, we bring you a new experience“ gehöre zum guten Ton. „Das kann für große Enttäuschung der Beschäftigten sorgen, wenn sie feststel- len, dass sich damit nichts verbessert.“ EX-Plattformen und Engagement Surveys könnten die Experience-Probleme der Unternehmen nur zum Teil lösen. Wie Arbeitgeber EX-Software auswählen Dennoch schreiben aktuell viele Unter- nehmen ihre Survey-Lösungen neu aus. Auf die Suche nach EX-Plattformen ma- chen sie sich bislang noch deutlich sel- tener. Egal, welche Art von EX-Software sie suchen, der Markt ist unübersichtlich. Marc Wagner von Fiducia & GAD gibt die Ausschreibungsanforderungen oft erst kurzfristig an Anbieter, um zu prüfen, ob sie sich mit dem Thema wirklich schon beschäftigt haben. Manche hätten coo- le Lösungen, arbeiteten aber mit einem komplett anderen Datenmodell oder be- säßen keine Implementierungserfahrung in einer komplexen Legacy-Struktur. Vie- le bekannte Namen eigneten sich vor al- lem für Konzerne, da ihre Lizenzmodelle entsprechend teuer seien. Das müsse man sich als KMU gut überlegen. Die Vorgaben der Employee Experience steuert Fiducia über OKRs und setzt für die Analyse auf persönliche Feedback- Kanäle wie Retrospektiven am Ende von agilen Sprints oder Sounding Boards mit People Leads, die die Verantwortung für die Entwicklung der Mitarbeitenden tra- gen. Dort besprechen Kollegen, was gut lief oder verbessert werden kann – und protokollieren noch klassisch mit. „Wir kriegen unser Feedback über diverse Ka- näle. Man muss dabei nicht immer alles softwaremäßig lösen.“ Die Software dürfe nie imMittelpunkt stehen, sondern müs- se den eigenen Strukturen und Prozessen folgen – und diese optimal unterstützen. Selbst Software-Berater Bersin gibt zu, dass EX kein technologisches Problem ist: „Die Anbieter wollen Unternehmen Platt- formen verkaufen. Aber Unternehmen und HR-Teams müssen erkennen, dass sie Lösungen brauchen, wie sie die Art und Weise der Zusammenarbeit neu ge- stalten.“ STEFANIE HORNUNG ist freie Journa listin und schreibt regelmäßig für das Personalmagazin. Neben New Work be schäftigt sie sich derzeit mit dem Trend thema Employee Experience. 17 Employee Experience
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