Personalmagazin Plus 6/2021

Fast ebenso häufig nannten die Befragten den Ruf einer Kanzlei als Entscheidungs- kriterium (66 Prozent „sehr wichtig“, 25 Prozent „wichtig“). Empfehlungen hielten sogar 82,4 Prozent für wichtig oder sehr wichtig. Das macht es den renommierten Großkanzleien natürlich leichter, Mandate zu erhalten, und erschwert Kanzleineu- gründungen den Zutritt zum Markt. Manch ein Unternehmen setzt bei der Frage nach der größten Reputation auf die sattsam bekannten Kanzleirankings. Wer dort ganz oben steht, muss doch gut sein. Allerdings ist Ranking nicht gleich Ran- king: Man sollte durchaus darauf achten, wie ein Ranking zustande gekommen ist. Basiert ein solche Liste der Topkanzleien auf der Empfehlung von Fachleuten und Kollegen, darf man annehmen, dass wich- tige Bewertungsfaktoren wie Zuverlässig- keit, Flexibilität und Portfolio berücksich- tigt worden sind. Ob man auf diesem Weg allerdings immer die ideale Kanzlei – mal ganz abgesehen von den Kosten – für das jeweilige Anliegen des Unternehmens fin- det, bleibt offen. Für ein „Standardarbeits- rechtsproblem“, welches ein Unternehmen womöglich nur regional eingeschränkt, vielleicht gar nur an einem Betriebsstand- ort hat, muss es vielleicht nicht immer die internationale Großkanzlei sein. Meist (in 47 Prozent der Unternehmen) kommt ein dreistufiger Auswahlprozess zur Anwendung: Eine engere Auswahl an Kanzleien wird zunächst gebeten, ein Angebot abzugeben („Screening“); anschließend werden einige Kanzleien zur Präsentation ihrer Sozietät und ihres Leistungsspektrums eingeladen („Pitch“), worauf im letzten Schritt die Auswahl erfolgt. Etwa ein Drittel der für die Studie befragten Unternehmen baut mit einem zweiten Auswahlgespräch eine zusätzli- che Stufe ein. Drei Viertel der Unterneh- men nehmen höchstens drei Kanzleien in den Pitch und listen auch nur drei Panel-Kanzleien pro Rechtsgebiet. Zwar reduziert eine solche begrenzte Teilneh- merzahl den Aufwand der Unternehmen, aber sie verengt den Blick auf den Markt und birgt die Gefahr, andere leistungs- starke Anbieter gar nicht erst wahrzu- nehmen. Mangelnde Objektivität durch fehlende Standards In den größeren Unternehmen wird regel- mäßig die Rechtsabteilung in die Man- datierung eingebunden: Bei 84 Prozent der befragten Unternehmen war dies der Fall. Die Unternehmensjuristen haben in der Regel auch die Fäden bei der Auswahl der externen Kanzleien für eine künftige Zusammenarbeit in einem Pitch-Verfah- ren in der Hand. Bemerkenswert ist aber, dass erst in 45 Prozent der Unternehmen ein standardisiertes, objektives Auswahl- verfahren etabliert ist. Über die Hälfte der Befragten haben noch kein solches Verfahren definiert. Bei immerhin knapp 5 Prozent der Unternehmen ist ein Stan- dard-Pitch-Verfahren in Planung. Am häu- figsten (in 54 Prozent der Fälle) erfolgt die Auswahl mithilfe eines Pitch-Prozesses bei der Vergabe von Großprojekten. Dabei würden sich klare Strukturen und Prozesse auch kostenmindernd be- merkbar machen. Sucht eine zentrale Rechtsabteilung nach objektive Auswahl- kriterien eine Kanzlei aus, führt dies auch meist zu klaren Aufgabenbeschreibungen bei der Mandatsvergabe. So können ex- terne Rechtsberater auch bei komplexen Mandaten besser kalkulieren, wie hoch der Bearbeitungsaufwand sein wird, und passgenauere Angebote abgeben. Festzu- halten bleibt, dass in vielen Unternehmen bei der Professionalität des Auswahlver- fahrens noch Luft nach oben ist. Erst in 45 Prozent der Unternehmen ist ein standardi- siertes, objektives Auswahlverfah- ren etabliert. Über die Hälfte der Befragten haben noch kein solches Verfahren. Oft ist es jedoch nur eine Entscheidung über das „Ob“, nicht aber über „an wen“. Die Studie zeigt, dass Anwalts- oder Kanz- lei-Panels sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. So verfügt fast die Hälfte der be- fragten Unternehmen über im Vorhinein bereits festgelegte „Certified Law Firms“, also über eine geprüfte Auswahl an Kanz- leien, an die alle Mandate und Aufträge vergeben werden. Der beliebte Grundsatz „Keine Regel ohne Ausnahme“ bewahrheitet sich aber auch hier. Nur in rund einem Viertel der Unternehmen muss man sich verbindlich an die Panels halten, bei allen anderen Stu- dienteilnehmern, die mit solchen Panels arbeiten, können Mandate abweichend vom Panel auch freihändig vergeben wer- den. Exklusivvereinbarungen zwischen Unternehmen und einzelnen Kanzleien gibt es so gut wie gar nicht. Gut für den freien Wettbewerb, aber möglicherweise eine nicht genutzte Chance, über eine vorteilhafte Ausschließlichkeitsbindung Kostenersparnisse zu realisieren. Anders als bei den meisten anderen Beschaffungsentscheidungen im Unter- nehmen haben die Leitungen von Ein- kauf beziehungsweise Procurement bei der Mandatsvergabe nicht viel zu melden. Nicht einmal jede zweite Einkaufsabtei- lung ist in die Mandatierung eingebunden (nur in rund 45 Prozent der Fälle). Das sehen die Unternehmen selbst zwar auch kritisch. Jedes dritte befragte Unterneh- men hält dies für unzureichend und sieht die Notwendigkeit, den Einkauf bei Be- auftragungen oder Kanzleilisten mitent- scheiden zu lassen. Aber hier kollidieren die Interessen von Rechtsabteilung und Einkauf häufig unauflösbar. Die unter- schiedlichen Interessenslagen – möglichst hohe fachliche Qualität auf der einen, möglichst günstige Angebote auf der an- deren Seite – sind nur schwer unter einen Hut zu bringen und am Ende ist es meist der Einkauf, der den Kampf um die Ent- scheidungshoheit in dieser Frage verliert. Referenzen und Empfehlungen sind entscheidend Referenzen, Reputation und Empfehlun- gen sind die mit Abstand wichtigsten Kri- terien bei der Auswahl einer Kanzlei. Rund zwei Drittel (66 Prozent) der befragten Un- ternehmensentscheider gaben an, Referen- zen seien für sie „sehr wichtig“, immerhin noch 27 Prozent hielten sie für „wichtig“. Anwaltssuche 9

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