Personalmagazin Plus 6/2021

Was waren für Sie die größten Verände- rungen der letzten fünf Jahre, die Ein- fluss auf Ihre arbeitsrechtliche Beratung hatten? Marc André Gimmy: Die Digitalisierung der Arbeitswelt hatte den größten Ein- fluss. Zunächst war die Umsetzung des neuen Arbeitnehmerdatenschutzrechts eine Herausforderung für die betriebliche Praxis. Dann wurde die verschärfte so- zialversicherungsrechtliche Prüfung von Unternehmen, die auf Fremdpersonal (v.a. aus der IT-Branche) angewiesen sind, ein Thema. Tausende Verträge mussten ge- prüft, neue Prozesse mit den Mandanten entwickelt, Mitarbeiter geschult und für den rechtmäßigen Einsatz von Fremdper- sonal sensibilisiert werden. Nur so konn- ten wir Haftungsrisiken für Geschäftsfüh- rer und Vorstände reduzieren. Schließlich erfuhr die Digitalisierung der Arbeitswelt durch Corona einen völlig unerwarteten Boost. Nicht nur, dass sich Millionen von heute auf morgen im Homeoffice wie- coronabedingte „Zwangs“-Homeoffice wurde für Arbeitnehmer diese Attrakti- vität entzaubert. Ferner zeigt das jüngs- te BAG-Urteil zum Arbeitnehmerstatus eines Crowdworkers, dass die Rechtspre- chung sehr wohl in der Lage ist, die digi- talisierte Arbeitswelt mit den bisherigen Rahmenbedingungen auf ihre Vereinbar- keit mit deutschem Arbeitsrecht hin zu beurteilen. Nicht alles, was vertraglich vereinbart wurde, verhindert den „Zu- griff“ des deutschen Arbeitsrechts auf digitale Arbeitsformen. Vor allem kommt es darauf an, wie diese in der Praxis tat- sächlich durchgeführt werden. Welche arbeitsrechtlichen Fragen stel- len sich Ihnen beim Thema CSR und Nachhaltigkeit? Unsere englischen Kollegen haben schon vor Jahren ein automatisiertes Tool zur Beurteilung von Unternehmen nach dem Modern Slavery Act entwickelt. In Deutschland befindet sich vieles noch im Fluss. Unternehmen haben sich dem The- ma zwar gestellt und informieren Kunden und Anleger, etwa mittels CSR-Reports. Juristisch steckt der Teufel jedoch im De- tail. Eine pauschale, verbindliche Vorgabe zur Übernahme internationaler Arbeits- rechtsabkommen als verpflichtende Rah- menbedingungen für unternehmerisches Handeln wird zu juristischen Konflikten führen. Eine Verschärfung über das hoch- regulierte deutsche Arbeitsrechtssystem hinaus durch internationale, teils noch weitergehende Arbeitsschutzabkommen, stellt die arbeitsrechtliche Praxis vor gro- ße Herausforderungen. derfanden, auch Verhandlungen mit Be- triebsräten über Betriebsvereinbarungen und Einigungsstellen fanden vorwiegend digital statt. Gerichtsverfahren wurden bis auf Eilverfahren während des ersten Lock- downs ausgesetzt. Diese Entwicklungen lassen sich unabhängig von der befristet zugelassenen digitalen Führung von Be- triebsratsverhandlungen wohl nicht mehr zurückdrehen. Kein Praktiker kann be- haupten, dass Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung oder in einer Ei- nigungsstelle nicht digital durchführbar sind. Allerdings bedarf die Vorschrift noch der ein oder anderen Nachschärfung. Worin sehen Sie die zentralen arbeits- rechtlichen Herausforderungen bei der Digitalisierung der Arbeitswelt? Die zentrale Herausforderung bleibt der Ausgleich der Interessen von Unter- nehmen und Beschäftigten. Homeoffice war früher Markenzeichen für moderne und attraktive Arbeitgeber. Durch das „ Corona war ein Boost für die Digitalisierung“ TaylorWessing Interview mit Marc André Gimmy, Head of Employment, Pensions & Mobility bei Taylor Wessing 49

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