Personalmagazin Plus 6/2021
43 Herr Teigelkötter, die Pandemie hat das Land nach wie vor fest im Griff. Gilt dies auch für die Themen der arbeits- rechtlichen Beratung in 2021? Die Hektik der ersten Wochen und Mo- nate der Pandemie, in denen unter höchs- tem Zeitdruck Antworten auf viele neue Fragen etwa zur Entgeltfortzahlung, zum Betriebsrisiko, zum Arbeiten im Home office und zum Arbeitsschutz gefunden werden mussten, hat sich seit Ende des vergangenen Sommers beruhigt. Wir ha- ben alle gelernt, mit dem Virus im beruf- lichen Alltag irgendwie umzugehen. Was nicht bedeutet, dass nicht immer noch erheblicher Corona-bedingter Beratungs- bedarf besteht. Was steht dabei im Vordergrund? Ganz aktuell beispielsweise die Antigen- Schnelltests und die Frage vieler Arbeit geber, ob derartige Tests für solche Be- tigung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats Impfprämien ausloben oder verstößt dies gegen das Maßregelungs- verbot aus § 612a BGB? Können zumin- dest diejenigen Arbeitgeber der Gesund- heitsbranche, welche gemäß § 23 Abs. 3 IfSG eine erhöhte Schutzpflicht trifft, ihre Arbeitnehmer zur Impfung anweisen und Beschäftigung sowie Entgelt verweigern, falls die Weisung nicht befolgt wird? Neben solchen Spezialthemen bestim- men aber vor allem die deutlich spürba- ren wirtschaftlichen Folgen der Pandemie den Beratungsalltag der Arbeitsrechtler in 2021. Viele Arbeitgeber konnten in 2020 noch größere Entlassungswellen vermei- den, weil ein signifikanter Auftragsbe- stand aus dem Vorjahr abzuarbeiten war. Im Verbund mit demMittel der Kurzarbeit ließ sich 2020 so einigermaßen bewälti- gen. In 2021 fehlt dieser Auftragsbestand aus dem Vorjahr vielerorts, sodass nun vermehrt mit langfristig reduzierten Be- legschaften geplant wird, wodurch Mas- senentlassungen unvermeidbar werden. Das Homeoffice war der Gewinner der Pandemie. In vielen Unternehmen wird es auch nach Ende der Pandemie nicht wieder völlig verschwinden. Welche Punkte sollten Arbeitgeber regeln? Diese verbreitete These teile ich nur sehr eingeschränkt. Zweifellos ist die Ar- beit im Homeoffice seit März 2020 von herausragender Bedeutung sowohl für den allgemeinen Infektionsschutz als auch für das Aufrechterhalten des Geschäftsbe- triebs. Ob sich deshalb aber die Ankündi- gungen zahlreicher Unternehmen bewahr- heiten, auch nach der Pandemie die Mitarbeitenden teilweise im Homeoffice beschäftigen zu wollen, bleibt abzuwarten. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum die großzügigen, modernen Büroplanungen, welche bis Februar 2020 noch en vogue waren und die kreative Schwarmintelli- genz der Mitarbeitenden fördern sollten, nicht mehr attraktiv sein sollen, weil der Mitarbeiter in der Pandemie gelernt hat, auch am Schreibtisch neben dem Kinder- zimmer seine Arbeit erledigen zu können. Solange der Gesetzgeber nach den bislang gescheiterten Versuchen nicht doch noch eine Homeoffice-Pflicht einführt, besteht kein akuter Handlungsbedarf für die meis- ten Arbeitgeber. Betriebsvereinbarungen zum gelegentlichen mobilen Arbeiten wa- ren auch vor der Pandemie bereits in vie- len Unternehmen in Kraft. reiche zur Pflicht für die Mitarbeitenden gemacht werden können, in denen eine Präsenz im Betrieb unumgänglich ist. Erste arbeitsgerichtliche Entscheidungen weisen in diese Richtung. So hat etwa das Arbeits- gericht Offenbach den Eilantrag eines Mit- arbeiters abgewiesen, ihm Zugang zu sei- nem Arbeitsplatz zu verschaffen, obwohl er die durch Betriebsvereinbarung vorge- schriebene Testung ablehnte. Der Ansicht, welche die verpflichtende Einführung von Coronaschnelltests für arbeitsrechtlich zulässig hält, ist zuzustimmen, weil der minimale Eingriff in die körperliche Un- versehrtheit im Rahmen der Abwägung hinter dem betrieblichen Infektions- und Gesundheitsschutz zurücktreten muss. Vergleichbar spannende rechtliche Ab- wägungsfragen stellen sich spätestens, sobald dem Großteil der Bevölkerung ein Impfangebot unterbreitet werden kann. Darf der Arbeitgeber unter Berücksich- „ Massen entlassungen werden unvermeidbar“ McDermott Will & Emery Volker Teigelkötter, Leiter der Praxisgruppe Arbeitsrecht
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==