Personalmagazin Plus 6/2021

Ihre Kanzlei hat eine große Expertise bei UK-Mandaten. Wie schätzen Sie die Entwicklung nach dem Brexit ein? Wel- che arbeitsrechtlichen Fragestellungen sind durch den Brexit neu entstanden? Frank Achilles: Zunächst einmal ist der Beratungsbedarf vor dem Brexit enorm ge- stiegen. Unsere Mandanten mussten sich auf den Brexit und die hieraus resultieren- den Veränderungen im Arbeitsrecht vor- bereiten, insbesondere um weiterhin ihren Zugang zum Binnenmarkt der EU sicherzu- stellen. Von großer Bedeutung waren vor allem Fragen des grenzüberschreitenden Personaleinsatzes zwischen Großbritan- nien und Deutschland als Mitgliedsstaat der EU. Aber auch Fragen zum Schicksal der nach britischem Recht gebildeten euro- päischen Betriebsräte kamen häufig auf. Die Coronakrise hat zu vielen Reorga- nisations- und Umqualifizierungspro- jekten geführt. Können Fortbildung und Qualifizierung ein sinnvoller Weg zum Erhalt von Arbeitsplätzen sein? Frank Achilles: Grundsätzlich lautet die Antwort darauf „ja“. Fortbildung und Qualifikation können ein sinnvoller Weg zum Erhalt von Arbeitsplätzen sein, es kommt jedoch stark auf die Branche und den Arbeitgeber an. Viele Arbeitgeber be- schäftigen überwiegend un- oder lediglich betrieblichen Regelungen vorhanden waren. Was ist zu beachten, wennman das Thema sauber regeln möchte? Bernd Pirpamer: Nahezu alle unsere Mandanten beschäftigen sich mit flexib- len Modellen für die Zukunft. Unabhängig von der strittigen Frage, ob und welche Mitbestimmungsrechte bestehen, werden vorrangig kollektive Regelungen verfolgt, die Stabilität und Rechtssicherheit bieten sollen. Zahlreiche arbeitsrechtliche Einzel- fragen, wie der Umgang mit personenbezo- genen Daten, der Einsatz von IT-Tools oder Kosten- und Auslagenerstattungen, seien als Beispiel erwähnt. Neben der kollektiv- rechtlichen Betrachtung ist darauf zu ach- ten, dass die Arbeitsvertragsgestaltungen korrekt sind oder nachgebessert werden. ImJahr 2021 laufen zahlreiche Tarif- runden in unterschiedlichen Branchen. Welche Bedeutung haben die Ergebnis- se hieraus für Ihr Beratungsgeschäft? Bernd Pirpamer: Sowohl Flächen- als auch Haustarifverhandlungen lösen immer eine starke Beratungsnachfrage aus. Kol- lektive Konflikte mit Betriebsräten und Gewerkschaften gehören zu unserem Be- ratungsfokus und wir beraten insbesonde- re zu kollektiven Arbeitsbedingungen, die sich konkret auf die Lage des Unterneh- mens beziehen. Gerade der aktuelle Tarif- abschluss in der Metall- und Elektroindus- trie zeigt, dass erheblicher Beratungsbedarf entstehen wird. Dort finden sich viele An- sätze für Öffnungsklauseln, die auch in anderen Tarifverträgen zunehmen werden. Damit erhalten die Betriebsparteien und Unternehmen selbst mehr Spielraum, um ihre wirtschaftliche Lage bei den Arbeits- bedingungen zu berücksichtigen. Zu- kunftstarifverträge mit Beschäftigungs- und Standortsicherungselementen, aber auch betriebliche Bündnisse werden zu- nehmen. angelerntes Personal. Hierbei handelt es sich oft um Tätigkeiten, die nicht dem klas- sischen Bild eines Ausbildungsberufs ent- sprechen. Diese Jobs stellen nicht notwen- digerweise besondere Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte, sodass es schwierig sein wird, diese Arbeitsplätze allein durch Fortbildungs- und Qualifizie- rungsmaßnahmen zu erhalten. Bernd Pirpamer: Auf der anderen Seite ist der Bedarf an Fachkräften und fach- lich qualifiziertem Personal nach wie vor enorm hoch. Neben der Coronakrise sind die Digitalisierung und der technologische Wandel große Treiber für Fortbildung und Qualifizierung. Daneben befassen sich Unternehmen mit weitreichenden Trans- formationsprojekten, die Betriebsverein- barungen und Interessenausgleiche zur Überführung und Weiterbildung der Mit- arbeitenden auslösen. Betriebsinterne und -externe Qualifikationsmodelle werden verfolgt, was in Zukunft noch zunehmen dürfte. Dies sind sicherlich aufwendige, aber sinnvolle Schritte, um Mitarbeitende nicht zu verlieren, die nach einem Trans- formationsprozess wieder benötigt und eingestellt werden müssten. Homeoffice ist in vielen Unternehmen jetzt gelebte Praxis, obwohl oft vor Beginn der Pandemie dazu gar keine „ Qualifizierung kann Arbeits- plätze retten“ Im Interview mit den Partnern Frank Achilles (links) und Bernd Pirpamer Eversheds Sutherland 35

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