Personalmagazin Plus 6/2021

Viele Unternehmen bauen derzeit Per- sonal ab. Welche Vorbereitungen sollte ein Betrieb treffen, wenn das Thema Sozialplan oder Interessenausgleich auf der Agenda steht? Frank Walk: Wichtig ist, dass bereits in der Konzeptionsphase, ganz zu Anfang, die notwendigen und möglichen arbeits- rechtlichen Schritte, Maßnahmen und Alternativen mit in die Überlegungen ein- bezogen werden. Aktuell ist hier insbeson- dere der Übergang von der Kurzarbeit zum Personalabbau zu beachten. Grundsätz- lich sollte zunächst eine Bestandsanalyse durchgeführt werden: Welche tariflichen, betrieblichen und individuellen Regelun- gen gelten überhaupt? Gibt es Sozialpläne in der Vergangenheit des Betriebs? Welche Schwellenwerte werden erreicht? Anschließend sind ein Zeit- und ein Kostenplan aufzustellen. Frühzeitig ist zu klären, ob sozialversicherungsrechtliche Mittel wie etwa Transferkurzarbeitergeld oder eine Transfergesellschaft genutzt werden können. Für die Verhandlungen mit dem Betriebsrat ist eine gründliche Vorbereitung ebenfalls zwingend. Welche Rolle spielen das EU-Recht und andere internationale Bestimmungen im Arbeitsrecht und wie begegnen Sie diesbezüglichen Anforderungen in der arbeitsrechtlichen Beratung? Axel Bertram: Das deutsche Arbeits- recht wird mehr und mehr geprägt durch EU-Recht. Da entstehen an vielen Stellen Brüche zum deutschen Recht, die man in der Beratung berücksichtigen muss. Als Beispiele seien nur die Anzeige von Mas- den Gesetzgeber bedarf es hier nicht. In diese Gruppe gehört auch das Betriebs- rätestärkungsgesetz, das in weiten Teilen niemand braucht. Handlungsbedarf bestünde dagegen beim Arbeitszeitgesetz, das mit der Le- benswirklichkeit vieler Arbeitnehmer nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Mobiles Arbeiten und Zeitsouveränität funktionie- ren nur mit flexiblen Arbeitszeitmodellen. Starre Höchstarbeits- und Ruhezeiten, die je Tag definiert sind, entsprechen weder den Wünschen der Arbeitnehmer noch den Bedürfnissen der Arbeitgeber. Ebenfalls aus der Zeit gefallen und ein Hemmschuh der Digitalisierung ist die Ausgestaltung der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung von Soft- ware, selbst wenn der Arbeitgeber erklärt, diese nicht zur Kontrolle der Beschäftigten einzusetzen. Hier ist der Gesetzgeber auf- gerufen, eine Abkürzung der innerbetrieb- lichen Verfahren zu schaffen. Ein anderes, ganz aktuelles Beispiel ist die fehlende Harmonisierung der Regelun- gen zum Kurzarbeitergeld mit dem Ur- laubsrecht. senentlassungen und das Urlaubsrecht genannt. Ohne fundierte Kenntnis der maßgeblichen europäischen Richtlinien und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH ist deutsches Arbeitsrecht nicht zu betreiben. Daher beobachten wir die Rechtssetzung und Rechtsprechung auf europäischer Ebene und deren Entwick- lung ganz genau. Nur so lässt sich voraus- schauend beraten. Das BMAS hat es nicht geschafft, in der zu Ende gehenden Legislaturperiode alle arbeitsrechtlichen Gesetzesvor- haben aus dem Koalitionsvertrag zu verwirklichen. In welchen arbeits- rechtlichen Bereichen gäbe es Hand- lungsbedarf durch den Gesetzgeber und warum? Frank Walk: Bei einigen Gesetzesvor- haben ist es aus Sicht von Unternehmen kein Schaden, dass sie (bisher) nicht um- gesetzt wurden. Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Homeoffice ist da ein gutes Beispiel: Regelungen zum Home­ office gehören in die Hand der Arbeits- vertragsparteien. Einer Steuerung durch „ EU-Recht prägt das Arbeitsrecht immer mehr“ Im Interview mit den Partern Axel Bertram und Dr. Frank Walk, EMPLAWYERS Axel Bertram (links) und Dr. Frank Walk EMPLAWYERS 31

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