Personalmagazin Plus 6/2021
personalmagazin plus: Kanzleien 2021 Foto S. 14-15: David Vintiner Kanzleien im Arbeitsrecht 16 bands. „Wir setzen uns ein für einen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen, Rechtssicherheit sowie die Förderung und Er leichterung von Investitionen in Legal-Tech-Unternehmungen“, so Andert weiter. Der rechtliche Rahmen wird neu zugeschnitten Ein entscheidender Faktor für die weitere Entwicklung des Le gal-Tech-Markts in Deutschland ist dessen rechtlicher Rahmen, insbesondere die berufsrechtlichen Regelungen. Darin sind sich alle Beobachter einig. Der Legal-Tech-Verband sieht dementspre chend hier auch eine seiner Kernaufgaben. Andert: „Wir fordern die Liberalisierung der anwaltlichen Vergütungsregelungen, ins besondere die Freigabe von Erfolgshonoraren, und die Schaffung eines Erlaubnistatbestands für außergerichtliche, nicht-anwalt liche Rechtsberatung. Kanzleien sollen mehr Bewegungsfreiheit bei der Entwicklung eigener Legal-Tech-Angebote bekommen. Für moderne Rechtsdienstleister, egal welcher Organisationsform, soll Rechtssicherheit für ihre Geschäftsmodelle herrschen.“ Der Gesetzgeber ist in der Tat bereits dabei, an den Stellschrau ben zu drehen, welche die Verbandsvorsitzende hier anspricht. Noch in dieser Legislaturperiode soll nach demWillen der Bun desregierung das „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ verabschiedet wer den. Im Januar hat das Kabinett einen Entwurf dazu beschlossen und auf den Weg gebracht. Die geplante Neuregelung sieht unter anderem vor, dass auch Rechtsanwälte in Zukunft zumindest bei der außergerichtlichen Einziehung von Forderungen sowie im gerichtlichen Mahnver fahren, wie bislang schon spezialisierte Inkassodienstleister, Erfolgshonorare vereinbaren dürfen. Das heißt: Sie können die Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Be teiligter übernehmen – in der Erwartung, dass sie im Zuge der erfolgreichen Durchsetzung der Forderungen auf ihre Kosten kommen. Dies soll vergleichbare Wettbewerbsbedingungen bei Rechtsanwälten und registrierten Inkassodienstleistern schaffen. Bei Streitwerten bis zu 2.000 Euro sollen Anwälten Erfolgsho norare in Zukunft generell erlaubt sein, auch wenn es sich nicht um eine Inkassoangelegenheit handelt. Aus Sicht des Legal-Tech-Verbands ist das neue Gesetz, das voraussichtlich zum Oktober in Kraft treten wird, ein Schritt in die richtige Richtung, aber keinesfalls der Weisheit letzter Schluss im Hinblick auf Rechtssicherheit für die Legal-Tech-Szene. Viele Legal-Tech-Geschäftsmodelle beruhen auf einer Inkassolizenz. Ein Knackpunkt bei der rechtlichen Bewertung solcher Anbieter sei bislang die Frage gewesen, was im Detail noch als Inkasso definiert werden kann – und damit auch Nichtanwälten erlaubt ist – und was schon nicht mehr. Beim sogenannten Lexfox-Ur teil des Bundesgerichtshofs vom 27. November 2019 (Az. VIII ZR 285/18) etwa war es um diese Unterscheidung gegangen. Der BGH entschied damals, dass das Geschäftsmodell des Legal-Tech-An gebots wenigermiete.de noch von der Inkassolizenz gedeckt sei. Der Gesetzentwurf wolle nun den Rechtsbegriff Inkasso auf die eigentliche Forderungsdurchsetzung zurückführen und eine darüber hinausgehende Beratung als Nebenleistung gemäß § 5 Rechtsdienstleistungsgesetz von der Aufsicht prüfen lassen. Das geplante Gesetz „entkrampfe“ somit den Rechtsbegriff, der heute für fast alles herhalten müsse, was nicht anwaltliche Rechts beratung ist. Aus dem einstigen Legal Tech Hype, gelegentlich sinn- bildhaft verkörpert vom Roboter im Gerichtssaal, ist mittlerweile ein seriöser, solider Arbeitsbereich der Rechtsbranche geworden. Ein großes Manko sieht der Verband allerdings darin, dass die Neuregelung für andere neue Anbieter auf dem Rechtsdienstleis tungsmarkt, die nichts mit Inkasso, also der Durchsetzung von Geldforderungen, zu tun haben, keine Antworten bietet. Darunter fielen zum Beispiel Anbieter von Vermittlungsplattformen für Rechtsdienstleistungen wie Advocado oder Betreiber von „Selbst bedienungsangeboten“ und Vertragsgeneratoren wie Smartlaw. Letzteres Angebot war Gegenstand einer Entscheidung des Ober landesgerichts Köln vom 19. Juni 2020, die in der Legal-Tech-Bran che für Aufsehen sorgte. Denn das Gericht entschied im Gegensatz zur Vorinstanz, dass das Angebot im Kern vom Rechtsdienstleis tungsgesetz gedeckt ist und weiterbestehen darf. Bei Smartlaw handelt es sich um einen vom Fachverlag Wolters Kluwer betrie benen Legal-Tech-Vertragsgenerator, der auf Basis eines Frage- Antwort-Systems automatisiert Rechtsdokumente für Verbraucher erstellt. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg hatte gegen Smartlaw geklagt. Sie war der Auffassung, dass das System der Rechtsanwaltschaft vorbehaltene Rechtsdienstleistungen er bringe und damit unzulässig sei. Auch in diesem Streit wird nun der Bundesgerichtshof höchstrichterlich entscheiden, was Legal- Tech-Lösungen derzeit dürfen und was nicht.
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