Personalmagazin Plus 6/2021
Rechtsprechungsrückblick 11 Auch beim Bundesarbeitsgericht herrschte 2020 eine Weile „Coronastillstand“. Doch seit die Erfurter Richter wieder Recht sprechen, haben sie einige spannende arbeitsrechtliche Fragen geklärt, andere dem EuGH vorgelegt. Etliche Entscheidungen, die für die tägliche Praxis von großer Bedeutung sind, sollten auch in den HR-Abteilungen bekannt sein. Unser Überblick stellt die wichtigsten Urteile des BAG und die wichtigsten Fälle, über die nun der EuGH zu entscheiden hat, vor. Gibt es einen Anspruch auf Vergütung der Fahrzeiten von Außendienstmitarbeitern? Antwort des BAG: Handelt es sich bei Fahrten eines Außendienst- mitarbeiters zum ersten Kunden und vom letz- ten Kunden zurück nach Hause um vergütungs- pflichtige Arbeitszeit? Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, welche solche Fahrt- zeiten eines Außendienstmitarbeiters als nicht vergütungspflichtig deklarieren, sind wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam, wenn nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungs- pflicht erbringt, mit der tariflichen Grundver- gütung abzugelten sind. Führen die Fahrtzeiten also zu einer Überschreitung der vertraglich geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit, so sind sie gesondert zu vergüten. Urteil vom 22. Januar 2020 - 7 AZR 222/19Ur- teil vom 18. März 2020 - 5 AZR 36/19 Können Crowdworker Arbeitnehmer sein? Antwort des BAG: Zahlreiche Internetplattformen vergeben Kleinstaufträge an soge- nannte Crowdworker, die üblicherweise als Soloselbstständige tätig werden. Zwischen einem Internetplattformbetreiber und einem Crowdworker kann jedoch durchaus auch ein Arbeitsverhältnis zustande kommen. Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses im Einzelfall. Einen Plattform-Jobber, der regelmäßig für ein Unternehmen Waren checkte, stuften die Arbeitsrichter aufgrund der Umstände als Arbeitnehmer ein. Der Plattformbetreiber hatte die Zusammenarbeit so gesteuert, dass der Crowdworker seine Tätigkeit nicht frei gestalten konnte. Urteil vom 27. August 2020 - 8 AZR 62/19 Kündigungsschutzprozess: Besteht eine Auskunftspflicht über unterbreitete Vermittlungsvorschläge? Antwort des BAG: Der Arbeitgeber muss während des Kündigungsschutzverfahrens Annahmeverzugslohn zahlen. Nach § 11 Nr. 2 KSchG kann er diesen Vergütungsanspruch kürzen, wenn der Arbeitnehmer in dem betreffenden Zeitraum aus einer anderen Beschäftigung tatsächlich Einnahmen erzielt oder dies böswillig unterlassen hat. Um dies beurteilen zu können, billigte das BAG dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunftserteilung zu, ob und gegebenenfalls wo sich der gekündigte Arbeitnehmer beworben hat. Urteil vom 27. Mai 2020 - 5 AZR 387/19
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