Personalmagazin plus 7/2022

personalmagazin plus: Kanzleien 2022 Kanzleien im Arbeitsrecht 6 digt, zur Verhinderung unbegrenzter Kettenbefristungen die Befristung mit Sachgrund beim selben Arbeitgeber auf maximal sechs Jahre zu begrenzen. Ausbau der Mitbestimmung Stärkung der Tarifautonomie Die stark zurückgegangene Tarifbindung in Deutschland soll gestärkt werden. Öffentliche Aufträge soll es nur noch für tarifgebundene Unternehmen geben, Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz sollen nur dort möglich sein, wo ein Tarifvertrag das regelt und nicht zuletzt will die Bundesregierung die Flucht aus geltenden Tarifverträgen bremsen, beispielsweise dadurch, dass bei Betriebsausgliederungen die Fortgeltung der bestehenden Tarifverträge festgeschrieben werden soll. Hier darf man auf die Details gespannt sein. Nicht mehr auf der Agenda stehen Steuervergünstigungen für tarifgebundene Arbeitgeber und eine erweiterte Tariferstreckung durch Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen in Branchen, in denen es bislang keine allgemeinverbindlichen Tarifverträge gab. Mehr Rechte für Gewerkschaften und Betriebsräte Die Betriebsverfassung soll digitaler werden. Digitales Arbeiten der Betriebsräte soll deutlich ausgebaut werden, Betriebsratswahlen sollen nach erfolgreicher Erprobung (dann wohl erstmals bei den Betriebsratswahlen 2026) online stattfinden können. Arbeitgeber, welche die demokratische Mitbestimmung im Betrieb behindern, etwa indem sie innerbetrieblich durch Repressalien die Gründung von Betriebsräten erschweren, werden sich damit künftig strafbar machen. Bei der Unternehmensmitbestimmung soll der missbräuchlichen Umgehung geltenden Rechts ein Riegel vorgeschoben werden. Die Flucht in SE-Gesellschaften soll nicht mehr den Vorteil bieten, so die Mitbestimmung in den Aufsichtsräten vollständig vermeiden zu können. Die Gewerkschaften sollen ein „zeitgemäßes“ Recht auf digitalen Zugang in die Betriebe erhalten. Der digitale Zugang soll die gleiche Reichweite haben wie die bereits bestehenden analogen Zugangsrechte der Gewerkschaften. Europarecht macht neue Gesetze erforderlich Einsatz künstlicher Intelligenz erfordert neue Regeln Bereits im April 2021 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für einen Rechtsrahmen zum Einsatz von KI vorgelegt, der unter anderem auch eine Risikoeinstufung für KI-Systeme hinsichtlich von Grundrechten, Sicherheit und Privatsphäre vorsieht. Hier ist in naher Zukunft damit zu rechnen, dass eine EU-Verordnung in Kraft treten wird, welche die Datenschutzanforderungen beim Einsatz KI-gestützter Software konkretisiert. Dem Dschungel existierender Ethik-Richtlinien, KI-Kodexen und sonstigen Leitlinien zum Einsatz von KI kann es nur guttun, wenn aus Anwendersicht klar ist, welche Regeln zur Anwendung kommen. Verschärfung des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes Schon das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) erlegt den deutschen Unternehmen in den kommenden Jahren eine Reihe von sozialen und ökologischen Pflichten entlang ihrer Lieferketten auf. Deutsche Unternehmen müssen zwar nicht garantieren, dass in den Lieferketten keine Menschenrechte oder umweltbezogenen Pflichten verletzt werden, aber sie müssen nachweisen, dass sie die im Gesetz festgelegten Sorgfaltspflichten eingehalten haben. Die Europäische Kommission hat Ende Februar 2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen angenommen, die auch darauf abzielt, ein nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. Diese neue Richtlinie soll Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, für Verbraucher und Anleger soll sie mehr Transparenz bringen. Die geplanten europäischen Regelungen gehen deutlich über das hinaus, was Deutschland im LkSG bislang umgesetzt hat. Von daher müssen sich die Unternehmen darauf einrichten, dass der deutsche Gesetzgeber hier noch einmal nachbessern muss und dass die Anforderungen an die Unternehmen mittelfristig steigen werden. Ein neues Nachweisgesetz ist in Vorbereitung Die Bundesregierung setzt derzeit die EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union in deutsches Recht um. Ein Gesetzentwurf sieht unter anderem eine Änderung des Nachweisgesetzes und damit der Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsverträgen vor. Das neue Nachweisgesetz legt fest, dass die Entgeltregelung „die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung“ enthalten muss. Künftig werden außerdem Angaben zur Arbeitszeit, zu vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen gefordert. Von den Verbänden heftig kritisiert wird die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung, dass im Nachweis Angaben über „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage“ zu machen sind. Das Hinweisgeberschutzgesetz setzt die WhistleblowerRichtlinie der EU um Deutschland hat es bislang versäumt, die EU-WhistleblowerRichtlinie mit einem Hinweisgeberschutzgesetz umzusetzen. Ein erster, im vergangenen Jahr von der alten Bundesregierung unternommener Versuch, das Gesetz noch pünktlich vor Ablauf der Frist zum 17.Dezember 2021 zu verabschieden, war gescheitert. Die EU-Kommission hat daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Nun liegt ein Referentenentwurf der neuen Bundesregierung vor. Wer entgegen der Verpflichtung keine interne Meldestelle einrichtet oder betreibt, riskiert künftig ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro. Repressalien gegen Whistleblower und eine Behinderung von WhistleblowerMeldungen können mit einem Bußgeld von bis zu einer Million Euro geahndet werden. Während die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen zunächst „nur“ Beschäftigungsgeber und Organisationseinheiten mit mindestens 250 Beschäftigten trifft, gilt diese Pflicht ab dem 17. Dezember 2023 auch für Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten.

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