Unternehmen werden agiler, Teamstrukturen verdrängen klassische Hierarchien. Passen die alten arbeitsrechtlichen Instrumente noch in die neue Welt? Stehen Teamziele und Teamperformance nicht inWiderspruch zu herkömmlichen Vergütungsstrukturen? Dr. Friederike Jawad: Agile Transformation steht aktuell bei sehr vielen unserer Mandanten ganz hoch im Kurs. In der Praxis hat sich durch die Einführung agiler Methoden insbesondere auch eine hierarchische Umstrukturierung in den Unternehmen etabliert. Doch wenn sich im Transformationsprozess die Arbeitsinhalte wesentlich verändern und etwa einer Stelle Führungsverantwortung entzogen wird oder wenn bestimmte Hierarchieebenen einfach aufgelöst werden, dann kollidiert dies zumeist mit den Regelungen des Arbeitsvertrags, der insoweit nicht einfach einseitig angepasst werden kann. Dr. Nina Bogenschütz: Beim Thema Teamziele und Teamperformance sehe ich keinen Widerspruch zu den herkömmlichen Vergütungsstrukturen – ganz im Gegenteil bilden sie unter bestimmten Voraussetzungen eine gute Ergänzung im Vergütungsbaukasten: Ein motiviertes Team war schon immer der Grundstein für ein produktives Arbeiten und beeinflusst den Unternehmenserfolg entscheidend. Produktivitätsprämien wurden und werden in den Produktionsbereichen der Unternehmen schon immer gezahlt, insofern ist es naheliegend, diesen kollektiven Gedanken auch in die White-Collar-Welt zu übertragen. Allerdings birgt dieser Schritt gewisse Risiken, denn in der Praxis zeigt sich, dass ein Motivationsproblem entsteht, wenn die Topleister aus einem Team im Vergleich zu ihrer Leistung nur einen kleinen Anteil an der Prämie erhalten. Um hier gegenzusteuern, reagieren Unternehmen oft nur noch mit höheren Grundgehältern und Befördedabei die Kommunikation und Umsetzung der Maßnahmen mit den ausländischen Anwaltskanzleien und auch Geschäftsführern der jeweiligen Landesgesellschaften. Zum anderen führen auch die aus der internationalen Aufstellung resultierenden Matrixstrukturen immer wieder zu arbeitsrechtlichen Herausforderungen, da diese Strukturen (über Länder- und Unternehmensgrenzen hinweg) nicht zu den uns landläufig bekannten Regularien und Begriffen des deutschen Arbeitsrechts passen. So ergeben sich hier immer wieder problematische Beratungsthemen im Zusammenhang mit Weisungsrechten, dem Betriebsbegriff beziehungsweise den sich daraus ableitenden kündigungs- und betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen. Die Rechtsformder Societas Europaea (SE) erfreut sich steigender Beliebtheit bei Familienunternehmen. Ist dies auch arbeitsrechtlich motiviert? Dr. Thomas Block, MBA: Absolut. Arbeitsrechtliche Motive sind in der Regel maßgebend für die Gründung einer SE. Die SE hilft, den bisherigen Einfluss auf die Gesellschaft zu sichern, da sie zum „Einfrieren des aktuellen Mitbestimmungsniveaus“ führt. Hierbei ist Eile geboten. Im Koalitionsvertrag haben sich die Parteien darauf verständigt, Mitbestimmung zu stärken und Gestaltungslücken zu schließen. Dies wird voraussichtlich zu einer Herabsenkung der Schwellenwerte nach dem Drittelbeteiligungs- und Mitbestimmungsgesetz sowie zu einer Ausweitung der Zurechnung von Mitarbeitenden in Verbundunternehmen führen. Es ist daher ratsam, möglichst zeitnah über die Umwandlung in eine SE nachzudenken, wenn selbst bei stagnierenden Mitarbeiterzahlen die gesetzliche Pflicht zur Implementierung eines (paritätisch) mitbestimmten Aufsichtsrats vermieden werden soll. rungen. Teamperformance ist immer dann sinnvoll, wenn die Mitarbeitenden wirklich ein gewachsenes Team bilden, in dem das Arbeitsergebnis in einer engen Kooperation entsteht, in dem es also keine individuellen Leistungsmaßstäbe gibt. Viele Unternehmen sind international aufgestellt und agieren auf internationalen Märkten. Wie wirkt sich das auf die arbeitsrechtliche Beratung aus? Dr. Stephan Schwilden, MBA: Zum einen übernehmen wir immer mehr die Rolle eines echten Projekt Management Office (PMO) und steuern in diesem Zusammenhang die Umsetzung grenzüberschreitender Projekte, sei es bei größeren Restrukturierungsvorhaben oder im Zuge von Verschmelzungen, bei denen in mehreren Ländern Mitarbeitende gleichermaßen betroffen sind. Als PMO koordinieren wir „ Teamziele und Teamperformance stehen nicht im Widerspruch zu herkömmlichen Vergütungsstrukturen.“ Interview mit Dr. Stephan Schwilden, MBA, Dr. Friederike Jawad, LL.M., Dr. Thomas Block, MBA und Dr. Nina Bogenschütz act legal Germany 29
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