Wirtschafts und Konsumweisen in den Industrienationen – den Hauptverursachern des Klimawandels – sich die Erderwärmung kaum auf die im Pariser Abkommen festgesetzte Zielmarke von deutlich unter 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 begrenzen lässt. Ein unerlässlicher Baustein zur Erreichung dieses Ziels stellt die Transformation der vorhandenen wirtschaftlichen Strukturen zu einer grünen, CO2-armen und ressourceneffizienten Wirtschaft dar. Einzelne Unternehmen, aber auch ganze Branchen werden sich infolgedessen in den kommenden Jahren einem verstärkten Anpassungsdruck ausgesetzt sehen, der bestehende Geschäftsmodelle grundlegend infrage stellen wird. Durch diese „grüne Transformation“ werden neue Arbeitsplätze entstehen, während andere weniger stark nachgefragt sein werden oder ganz verschwinden. Tätigkeitsprofile werden sich wandeln, da sich neue Anforderungen ergeben und in Form von korrespondierenden Kompetenzen am Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Arbeit und Produktion werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer auch unter dem Blickwinkel der Erreichbarkeit von Dekarbonisierungszielen betrachtet werden. Gerade für den HR-Bereich wird aber nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit wichtig sein, sondern auch die soziale Komponente der Nachhaltigkeit. Es deutet sich jetzt schon an, dass Vereinbarkeitsthemen künftig höher gewichtet werden, dass Mitarbeiterinteressen einen höheren Stellenwert bekommen, dass es gesellschaftlich um gerechte Verteilung von Arbeit und um wirkungsvolle Bekämpfung von Arbeitslosigkeit gehen wird und dass Diversität und Chancengleichheit eine höhere Gewichtung erfahren werden. Die Anforderungen an die soziale Verantwortung in den Lieferketten werden steigen und innerhalb des eigenen Unternehmens werden Fairness- und Gerechtigkeitsgesichtspunkte wichtiger werden. Entgelttransparenz, gleiche Gehälter für gleiche Arbeit, größere Beteiligung der Beschäftigten an unternehmerischem Erfolg, ein durch Mindestlohn und faire Arbeitsbedingungen garantierter Mindeststandard für Basic Worker, all das sind Themenfelder, die bereits heute auf soziale Nachhaltigkeit in den Unternehmen einzahlen. Dieser Entwicklung, mag sie auch teuer sein und die Produktivitätskosten erhöhen, wird sich in einem Markt, in dem Arbeitskräfte ein knappes Gut sein werden, kein Unternehmen verschließen können, das erfolgreich um Bewerber konkurrieren möchte. Arbeitsmarkt und Demografie Eine ausreichende Zahl gut ausgebildeter Fachkräfte war und ist ein zentraler Erfolgsfaktor der deutschen Wirtschaft. Die Genauigkeit der Vorhersagen bei diesem Thema wird darüber entscheiden, wie gut und wie rechtzeitig man dafür sorgen kann, dass auch in 10, 15 und 20 Jahren die Fachkräfte zur Verfügung stehen, die benötigt werden. Relativ einfach ist es, den Schwund an Fachkräften zu berechnen, den der Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren hinnehmen muss. Die Generation der Babyboomer erreicht das Rentenalter. Schon vor dem beginnenden Renteneintritt der Babyboomer werden bis 2025 etwa eine halbe Million mehr Arbeitsplätze neu zu besetzen sein, als Arbeitskräfte nachkommen. In den darauffolgenden zehn Jahren bis 2035 verschärft sich das Problem. Je nachdem, welche Zuwanderungszahlen und welchen Annahmen über die Erwerbsbeteiligung Älterer man zugrunde legt, werden dem Arbeitsmarkt 2035 gegenüber heute 3 bis 4,2 Millionen Fachkräfte fehlen. Hier tut sich also eine riesige Lücke auf. Hinzu kommt, dass 2035 nicht genau die Fachkräfte fehlen werden, die jetzt in Rente gehen. Will man versuchen, dem vorhersehbaren Mangel durch zielgerichtete Ausbildungsangebote entgegenzusteuern, muss man auch eine Vorhersage wagen, welche Berufe infolge der Digitalisierung stärker nachgefragt sein werden und welche weniger. Wie werden sich geplante Klimaschutzmaßnahmen auf den Arbeitsmarkt auswirken? Welche Arbeitsmarktsegmente werden vom Renteneintritt der Generation der Babyboomer besonders betroffen sein? Das Bundesarbeitsministerium wagt zwar alljährlich mit seinem Fachkräftemonitoring eine Vorhersage, kann aber auch keine Fachkräfte auf Bäumen wachsen lassen. Was nutzt es den neuen Bundesländern, schon heute zu wissen, dass die sinkende Zahl der Menschen im jüngeren Alter und die gleichzeitig steigende Zahl älterer Menschen insbesondere ostdeutsche Arbeitsmarktregionen treffen und dort zu verstärkten Fachkräfteengpässen führen wird? Der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte wird härter werden. Für HR heißt das, ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Bewerber zu haben, Arbeitsplätze bieten zu können, die den Anforderungen gerecht werden, und sich in Sachen Employer Branding und Recruiting hochprofessionell aufzustellen. Auch das Thema der Ausbildung des eigenen Nachwuchses wird zweifellos wichtiger werden. Der Staat muss Veränderungen erkennen und begleiten Das Arbeitsrecht setzt die Rahmenbedingungen, welche für die Beschäftigung der Mitarbeitenden maßgebend sind. Sind im Erwerbsleben zunehmend flexiblere Lösungen gefragt, stellt es ein Hemmnis dar, wenn es Politik und Gesetzgebung nicht gelingt, passende Bedingungen zu schaffen. Das Arbeitszeitgesetz darf flexiblen Lösungen nicht im Wege stehen. Vertrauensarbeitszeit muss möglich sein, dem Homeoffice-Worker muss es erlaubt sein, seinen Laptop dann aufzuklappen, wenn es für ihn gerade passt. Der Spagat, auf der einen Seite die Arbeitnehmerrechte zu wahren und auf der anderen Seite flexible Lösungen zu offerieren, ist eine Herausforderung für die Politik. Den Einsatz von KI nicht unnötig zu behindern und gleichzeitig den Arbeitnehmerdatenschutz im Auge zu haben. Entgelttransparenz zu schaffen, ohne die Unternehmen in bürokratischen Regelungen ersticken zu lassen. Es wird Anreize für Unternehmen brauchen, nachhaltig mit ihren Mitarbeitern umzugehen. Hier sind neben dem Gesetzgeber auch die Sozialpartner gefragt. Schreit der Arbeitsmarkt im Zuge der digitalen Transformation nach Arbeitskräften, die es in der benötigten Menge nicht gibt, müssen die Rahmenbedingungen für Umschulungen, Weiterbildungen und Qualifizierung passen. Ein europäischer „Green Deal“ muss die richtigen politischen Schwerpunktsetzungen vornehmen, um den Arbeitsmärkten Impulse zu geben, statt Hindernisse zu schaffen. Eine gelungene Gestaltung der Arbeitswelt von morgen benötigt passende staatliche Leitplanken. Gute Arbeitsbedingungen werden wichtig sein für einen Arbeitsmarkt der Gutqualifizierten. Wie wir morgen arbeiten werden, hängt davon ab, welche Weichen wir heute stellen. Zukunft der Arbeit 25
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