personalmagazin plus: Kanzleien 2022 Kanzleien im Arbeitsrecht 10 Prozessvertretung wird auch geboten (soweit es nicht um Spezialgebiete wie Altersversorgung oder Arbeitnehmererfindungsrecht geht), allerdings gibt es regelmäßig einen Tarifvertrag als „Zugabe“ obendrauf (Nicht dass ich mich hier falsch ausdrücke: Ich finde das ausdrücklich gut und richtig, aber nicht für jedes Unternehmen ist ein dickes Tarifsammelwerk das „Richtige“). Oder ist neuerdings Legal Tech oder künstliche Intelligenz die Lösung? Was kann ein Unternehmen selbst stemmen? Wobei braucht es Unterstützung? Fangen wir mal mit Legal Tech an. Neu ist das nicht. Ich selbst habe bereits in den 1990er Jahren eine elektronische Entscheidungshilfe für Kündigungen wegen Arbeitsunfähigkeit programmiert. Ich weiß nicht mehr, wie das Programm hieß, mit dem ich gearbeitet habe, aber man konnte Entscheidungsbäume und Entscheidungsweichen programmieren und in der Tat kamen ganz ordentliche Ergebnisse dabei heraus: Sogar bei der Eingabe „Alkohol ist im Spiel“ hat das Programm empfohlen, erst einmal eine Entziehungskur anzubieten. Heute sind die Programme ausgefeilter, die Entscheidungsbäume komplexer programmiert, aber es bleiben simple Algorithmen, weitab von künstlicher Intelligenz. Dass je Geschlecht oder je Job-Title ein Zeugnisgenerator andere Begrifflichkeiten auswählt, ist nicht wirklich intelligent, sondern die Suche in Wortwolken. Dass ein solches Programm bestimmte Vorlieben des Nutzers erkennt und dann vermehrt dieses Vokabular einsetzt, bleibt ein einfacher Algorithmus, der – übrigens insbesondere im Recruiting – auch gefährlich (weil diskriminierend) sein kann. Aber es sind Algorithmen, die tun, was sie sollen: Zeugnisse erstellen (nicht phantasiereich, aber rechtssicher), Aufhebungsverträge und sogar Kündigungen schreiben, Berechnungen zu Abfindungen und Altersteilzeit erstellen. Und sogar die Abgrenzung von Arbeitsvertrag und Scheinselbstständigkeit gelingt. Will heißen, Legal Tech ist für einen Gutteil von Standard- oder Massenthemen brauchbar. Nun zum HR Business Partner: Für die „Basics“ des HR-Alltags wird man erwarten dürfen, nein müssen, dass diese Kolleginnen und Kollegen geschult und erfahren sind. Wie sollten sie sonst dem Business Partner auf Augenhöhe, so das hehre Ziel, begegnen. Aus meiner Erfahrung ist das Fachwissen zum täglichen Geschäft, wie zum Beispiel Versetzungen, Direktionsrechtsausübung, die tägliche Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat etwa wegen Versetzung oder Mehrarbeit, Abmahnung, Arbeitszeitrecht, Grundzüge im Kündigungsrecht, um das Business beraten zu können, vorhanden. Das ist natürlich nur ein Teil der Tagesaufgaben, beschreibt aber sicher ganz gut, was ich, bezogen auf rechtliche Fragen, meine. Und klar ist: Legal Tech ist bei Weitem noch nicht so weit, den Personalverantwortlichen diese Aufgaben abnehmen zu können! Kommen wir zum Arbeitgeberverband. Hier erwartet uns eine fundierte Beratung im Individual- und Kollektivarbeitsrecht. Kündigungsrechtsstreite zu begleiten (und sie auch vorzubereiten) oder Betriebsvereinbarungen rechtssicher zu gestalten, ist „Pflicht“, die „Kür“ sind komplexere (haus-)tarifvertragliche Regelungen. Die Juristen dort kennen die Gepflogenheiten der lokalen Gerichte und Richter, was ungemein wichtig ist, denn 99 Prozent der Prozesse werden eben nicht aufgrund klarer Rechtslage oder Beweissituation gewonnen oder verloren, sondern unterliegen der Beurteilung, der Wertung durch das Gericht und je mehr Fälle ein Prozessvertreter vor demselben Gericht vertritt, desto besser wird seine Prognose oder Empfehlung, beispielsweise einen Vergleich abzuschließen. Der Vorteil der Juristen der Arbeitgeberverbände ist ihre intensive Arbeit vor eben diesen lokalen Gerichten. Man kennt sich dort aus und weiß über die Wertungsmaßstäbe der Richter bestens Bescheid. Letzteres gilt freilich auch für eine lokale Anwaltskanzlei mit erheblicher Arbeitsrechtserfahrung. Der „Fachanwalt“ ist dazu gar nicht unbedingt erforderlich; vielen Anwaltsjuristen im lokalen Bereich wird lediglich häufig die Erfahrung im Kollektivrecht, also in den Verhandlungen mit den Betriebsräten fehlen, weil viele ihrer oft mittelständischen Kunden schlicht keinen Betriebsrat haben. Hier führt der Weg der Unternehmen gegebenenfalls zur einer überörtlichen Anwaltskanzlei. In einer solchen (Groß-)Kanzlei finden wir das Arbeitsrecht mitunter „angeflanscht“ an eine Kanzlei, die beispielsweise Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht macht, aber auch als reine „Boutique“. Für „Spezialfälle“ ist sicher beides die richtige Wahl. Wobei sich der „Spezialfall“ einmal aus der Materie ergeben kann – etwa Recht der betrieblichen Altersversorgung, Arbeitnehmererfindungsrecht – oder aber aus der Situation heraus, etwa wenn ein besonders bedeutsamer Fall vor Gericht geht (oder vielleicht auch besser nicht). Auch in supranationalen Der Vorteil der Juristen der Arbeitgeberverbände ist ihre intensive Arbeit an den lokalen Gerichten. Sie kennen sich dort aus und wissen über die dortigen Wertungsmaßstäbe Bescheid.
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==