Personalmagazin plus 12/2022

Betriebliche Altersversorgung 6 personalmagazin plus: bAV Auf satte zehn Prozent kletterte die Inflationsrate im September 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat. Maßgebliche Preistreiber waren der horrende Anstieg der Energiepreise seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs und die massiv erhöhten Nahrungsmittelpreise, informierte das Statistische Bundesamt. Neben dem Auslaufen des staatlich subventionierten Neun-Euro-Tickets und Tankrabatts sorgten steigende Erzeugerpreise sowie anhaltende Lieferkettenstörungen infolge der Coronapandemie für weiteren Preisauftrieb. Wirtschaft und Gesellschaft stecken mitten in der Energiekrise. Denn die erhöhte Inflation ist gekommen, um zu bleiben. In den ersten Monaten des kommenden Jahres dürfte die Preissteigerungsrate weiter zweistellig ausfallen, erwartet die Bundesbank. Für 2023 prognostizierten die vier führenden Wirtschaftsforschungsinstitute eine erhöhte Inflationsrate von 8,8 Prozent sowie einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent. Dabei gehen die Ökonomen davon aus, dass es im nahenden Winter bei normalen Witterungsbedingungen zu keiner Gasmangellage kommen wird. Alles dies sorgt für massiven Handlungsdruck bei Notenbankern und Politikern: Während die Bundesregierung Unternehmen und Bevölkerung durch Hilfspakete in dreistelliger Milliardenhöhe entlasten will, beendet die Europäische Zentralbank (EZB) die seit über zehn Jahren bestehende Niedrigzinsphase. In nur zwei Schritten erhöhte die EZB den Leitzins kräftig auf 1,25 Prozent, gut drei Monate nachdem die US-Notenbank die Zinswende eingeleitet hatte. Wohin die „Zins-Reise“ gehen wird, wollen die europäischen Notenbankerinnen und Notenbanker von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Viele Ökonomen sind jedoch der Auffassung, dass die Reise nicht so schnell enden wird. Die EZB-Chefin Christine Lagarde ließ jedenfalls einmal mehr keinen Zweifel daran, dass der Leitzins weiter steigen könnte und zwar auf ein Niveau, das die Wirtschaft bremst. In der Wirtschaft mehren sich die Hiobsbotschaften von Produktionsverlagerungen, Stilllegungen von Fertigungsanlagen und Betriebsschließungen. Der Mittelstand berichtet von Liquiditätsengpässen. Erste Insolvenzmeldungen sorgen für Schlagzeilen. Wie steht es in diesen Krisenzeiten um die betriebliche Altersversorgung (bAV)? Sorgen Direktzusagen für zusätzliche Belastungen bei Arbeitgebern? Wie wirkt sich die Zeitenwende an den Kapitalmärkten auf die externen Versorgungsträger aus, allen voran Lebensversicherer und Pensionskassen? Anstieg des Rechnungszinses bringt massive Entlastung bei vielen Direktzusagen Eine gute Nachricht gibt es für Unternehmen, die nach internationalen Rechnungslegungsstandards bilanzieren: Laut Willis Towers Watson (WTW) können sich die Arbeitgeber nach der ersten Hälfte dieses Jahres über einen starken Rückgang ihrer Pensionsverpflichtungen für ihre Direktzusagen im Umfang von 20 bis 30 Prozent freuen. „Denn in dieser Zeit stieg der Rechnungszins bereits um etwa 220 Basispunkte, eine beispiellose Änderungsrate seit Bestehen der Bewertungsstandards“, begründet dies Hanne Borst, die Anfang Oktober die Leitung des Geschäftsbereichs Retirement Deutschland bei der Beratungsgesellschaft übernommen hat. Der Rechnungszins wird marktaktuell auf Basis von langlaufenden Unternehmensanleihen mit AA-Rating gebildet. Steigt dieser Zins, führt dies im Zuge der Abzinsung zu dem Ergebnis, dass heute weniger Kapital aufgewendet werden muss, um eine bestimmte Rentenzahlung in 20 oder mehr Jahren zu leisten. „Je nachdem, wie langfristig die Pensionsverpflichtungen ausgestaltet sind, kann der Rückgang bei manchen Unternehmen sogar die Hälfte des Verpflichtungsumfangs ausmachen“, ergänzt Rainer Bannör, Senior Manager und Aktuar (DAV/IVS) bei Lurse Pension & Benefits Consulting. Dieser Effekt ist aber zumeist bilanzieller Natur, also nicht liquiditätswirksam, erläutert Bannör. Anders sei dies, wenn Vermögenswerte nur für die Pensionsverpflichtungen reserviert wurden, wie es üblicherweise bei Contractual Trust Arrangements, kurz CTA, der Fall ist. Ergibt sich dann eine Überdeckung, weil die Pensionsvermögen die Verpflichtungen übersteigen, könnte sich die Frage stellen, ob die Überschüsse für andere Zwecke verwendet werden sollen. „Dies ist aber an Voraussetzungen geknüpft, und es bleibt die Frage, ob der Zinsanstieg wirklich von Dauer sein wird“, gibt Bannör zu bedenken. Aber: Sofern die Notenbanken ihre restriktive Geldpolitik tatsächlich beibehalten, dürfte sich dieser Trend sogar noch verstärken, meint Borst. „Ich gehe mit großer Wahrscheinlichkeit davon aus, dass der internationale Rechnungszins auch Ende 2022 deutlich über dem Vorjahresniveau liegen wird“, resümiert die WTW-Expertin. Rentenerhöhungen führen zu hohen Belastungen Unternehmen mit Direktzusagen, die nach HGB bilanzieren, lässt die Lage bei der Bewertung ihrer Pensionsverpflichtungen kaum frohlocken. Maßgeblich ist hier ein von der Bundesbank ermittelter zehnjähriger Durchschnittszinssatz. „Daher schlägt der aktuell erhöhte Rechnungszins nicht so stark durch KAY SCHELAUSKE ist Finanz- und Wirtschaftsjournalist. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich Kapitalanlage und Altersvorsorge.

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