Personalmagazin plus 12/2022

Warum genau befürchten Sie einen Generationenkonflikt? Den Anwartschaftsberechtigten drohen aktuell Kaufkraftverluste, weil die Gehaltssteigerungen zumeist nicht die deutlich erhöhte Inflation ausgleichen. Da aber insbesondere die horrend gestiegenen Energiepreise die finanziellen Handlungsräume im Alltag spürbar einengen, sehen wir die Gefahr, dass die Menschen auf der Suche nach Entlastungen verstärkt Entgeltumwandlungen aussetzen. Das vergrößert die Versorgungslücke in der Zukunft. Externe Versorgungseinrichtungen in versicherungsförmigen Durchführungswegen dürften durch die steigenden Zinsen Erträge erwirtschaften. Ist das nicht eine positive Entwicklung? Auf den ersten Blick ja, aber das ist vor allem ein mittel- bis langfristiger Effekt. Pensionskassen und Lebensversicherungen haben infolge der Niedrigzinsen in großem Umfang stille Bewertungsreserven bei ihren Anleihebeständen aufgebaut. Diese Reserven müssen nicht bilanziell ausgewiesen werden, bleiben also als Risikopuffer erhalten. Insbesondere Pensionskassen haben diesen Risikopuffer genutzt, um stärker sachwertorientiert zum Beispiel in Aktien, Infrastruktur oder Immobilien zu investieren. Die Zinswende führt aber nun dazu, dass dieser Risikopuffer durch die steigenden Zinsen abschmilzt. Dieser Effekt ist teils so stark, dass stille Lasten entstehen, weil der Marktwert der Papiere erheblich unter den Buchwert gesunken ist. Angesichts der konjunkturellen Entwicklungen und der unmittelbar bevorstehenden Rezession sind die Arbeitgeber als Trägerunternehmen heute zunehmend weniger in der Lage, den Pensionskassen Kapital zur Verbesserung ihrer Eigenkapitalausstattung nachzuschießen. Deshalb können sich die Handlungsspielräume für manche Pensionskassen infolge der Zinswende zunächst erstmal weiter einengen. Warumprofitieren die Anwartschaftsberechtigten noch nicht von den erhöhten Zinserträgen, die sich jetzt mit demKauf von verzinstenWertpapieren erzielen lassen? Wirtschaftsprüfer haben angedeutet, dass sie einen Wert um die zwei Prozent pro Jahr akzeptieren, da er dem langfristigen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank entspricht. Zusammen mit den zuvor beschriebenen Rentenanpassungen kann der Pensionsaufwand dadurch für Arbeitgeber um den Faktor drei oder vier steigen. Da steckt Sprengstoff drin, gerade für HGB-Bilanzierer. Was gilt für Betriebe, die Pensionsverpflichtungenmit Vermögen hinterlegt und insoweit ausfinanziert haben? Diese Unternehmen könnten sogar noch heftiger getroffen werden. Denn dieses Vermögen wird als Deckungs- oder Planvermögen zu Zeitwerten bilanziert, und die gehen aufgrund der aktuellen Marktturbulenzen und der heftig gestiegenen Zinsen im Moment in den Keller. Diese Wertminderungen sind im handelsrechtlichen Jahresabschluss voll aufwandswirksam und mindern den Gewinn. Da sprechen wir unter Umständen nicht über Faktor drei bis vier, sondern Faktor sechs. Schwenkenwir den Blick von den Rentenanpassungen auf den Inflationsschutz der Anwartschaften. Wie bewerten Sie diesen? Abgesehen von Restbeständen an endgehaltsabhängigen Altzusagen gibt es bei den heute üblichen beitragsorientierten Leistungszusagen nur einen sehr eingeschränkten Inflationsschutz. Hier werden zwar die Beiträge üblicherweise ans Gehalt gekoppelt, das mit der Inflation mehr oder weniger steigt. Die Anwartschaften auf Versorgungsleistungen, die mit diesen Beiträgen erworben werden, wachsen damit aber nur in der Zukunft; die in der Vergangenheit erworbenen Anwartschaften bleiben unverändert. Bei der Beitragszusage mit Mindestleistung ist die Lage diesbezüglich ähnlich. Folglich führt die Inflation bei den Anwärtern zu einer Entwertung ihrer bereits erdienten Ansprüche. Durch diese im Vergleich zu den Rentnern nachteilige Situation vergrößert sich die Versorgungslücke. Hinzu kommt, dass die massiv gestiegene Inflation die Anwärter verstärkt aus der bAV treiben könnte. Da tut sich zunehmend ein Generationenkonflikt auf. Die Pensionskassen können erst einmal nur fällig werdende Papiere und echte Nettozuflüsse zu höheren Zinsen anlegen. Bis sich die Zinserträge positiv bemerkbar machen, wird Zeit ins Land gehen. Außerdem müssen die Kassen zusätzliche Erträge weiterhin vorrangig dafür einsetzen, die Sicherheiten in der Bewertung ihrer Verpflichtungen zu erhöhen sowie ihre Risikotragfähigkeit und Eigenkapitalausstattung zu verbessern. Die Erhöhung der Leistungen aus Überschüssen hat nachgeordnete Priorität. In zurückliegenden Jahren haben viele Pensionskassen aufgrund der niedrigen Zinsen die Überschussbeteiligungen bei ihren Altbeständen deutlich, teils auf null, heruntergefahren. Daher sind wir heute relativ weit davon entfernt, dass sich Versorgungsberechtigte infolge der Zinswende auf höhere Leistungen freuen können. Wie ist die Lage bei Lebensversicherungen? Dort ist die Situation im Prinzip ähnlich. Hier kommt es aufgrund der steigenden Zinsen zusätzlich sukzessive zu einem Abbau der sogenannten Zinszusatzreserve. Diese Deckungsrückstellungen mussten Lebensversicherer in Zeiten der Niedrigzinsen für ihre künftigen Garantiezinsverpflichtungen vor allem aus hochverzinsten Alttarifen aufbauen. Aber auch diese frei werdenden Mittel dürften erst einmal dazu verwendet werden, die Sicherheiten zu erhöhen, um die nach wie vor hohen Garantien dauerhaft erfüllen zu können. Insofern ist auch bei Lebensversicherungen kurzfristig nicht von einer Erhöhung der Überschussbeteiligungen auszugehen und damit sind auch keine diesbezüglichen Rentenerhöhungen zu erwarten. Da hilft auch die Anpassungsprüfungsverpflichtung der Arbeitgeber nicht weiter. Denn für Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds gibt es eine Ausnahmeregelung: Wenn sie sämtliche auf die Rentner entfallenen Überschussanteile zur Leistungserhöhung verwenden, ist der Arbeitgeber nicht zu weiteren Anpassungen, insbesondere nicht zur VPIAufstockung, verpflichtet, selbst dann nicht, wenn die Überschussanteile auf null absinken. 13 Schwerpunkt

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