Personalmagazin plus 11/2021
7 Schwerpunkt Brehme, bräuchten ein umfassendes Kon- zept und könnten nur in demMaße statt- finden, wie ausreichend Gemeinschafts- flächen zum gemeinsamen Austausch zur Verfügung stünden. Die reine Verkleinerung der bisherigen Bürogebäude, ein Weiterarbeiten wie vor Corona auf weniger Fläche wird den Chan- cen, die sich nun durch die veränderte Arbeitswelt bieten, nicht gerecht werden. Denn, so die einhellige Meinung von Or- ganisationspsychologen wie Beratern, die Rückkehr an den Arbeitsplatz kann auch zum Schritt in eine neue Arbeits- welt gestaltet werden, in der überholte Prozesse und Praktiken der Vor-Corona- zeit buchstäblich keinen Raum mehr ha- ben. Reinhild Fürstenberg, Mitgründerin und Geschäftsführerin des Fürstenberg Instituts, plädiert dafür, die neuen Ge- staltungschancen zu ergreifen: „Durch die massiven Veränderungen der vergangenen eineinhalb Jahre ist auch am Arbeitsplatz beziehungsweise im Büro vieles nicht mehr so wie früher. Alle im Team haben neue Erfahrungen gemacht – mit virtu- eller Zusammenarbeit, mit Selbstorgani- sation, mit einer noch nie dagewesenen Situation in vielerlei Hinsicht.“ Eine Rolle rückwärts in alte Zustände sei deshalb, erklärt sie, weder wünschenswert noch an- gebracht. Im Gegenteil: New Work könne zu „Best Work“ werden, indem Altbewähr- tes mit der neuen Agilität vereinbart und so die Arbeit effizienter und gleichzeitig entspannter gestaltet wird. Fürstenberg: „Es braucht in vielen Fällen eine neue Kultur des Miteinanders am Arbeitsplatz.“ Bei allen Vorteilen, die die erweiterten Möglichkeiten von Homeoffice und mobi- lem Arbeiten in den letzten Monaten ge- bracht haben, wurde doch Unternehmen und Beschäftigten auch klar, dass gemein- same Begegnungen, Austausch in Präsenz und die Interaktion im Büro wichtig sind: Für kreative Prozesse, für das psychische Wohlergehen und zur Identifikation mit dem Team und dem Unternehmen. Auf- gabe in der neuen Arbeitswelt wird sein, Mitarbeitenden eine Arbeitsumgebung zu bieten, die die positiven Learnings aus der Coronazeit weiterführt, Mankos und Entbehrungen aus der Zeit der sozialen Distanz ausgleicht und jetzt entdeckte Bedürfnisse und Möglichkeiten zur neuen Normalität macht. Auch für Volker Nürnberg, Gesund- heitsexperte bei BDO, bietet das Büro- gebäude gerade nach der Pandemie einen emotional, persönlich und sozial wichti- gen Anlaufpunkt für Beschäftigte: „Die Entgrenzung der Arbeit, geringe reale Kontakte und die agile Dezentralität der Teams haben Mitarbeiter und Führungs- kraft über die Maßen gefordert. Corpo- rate Offices bieten nun endlich wieder die Möglichkeit realer Kontakte, darauf wer- den Unternehmen wie Beschäftigte auch in Zukunft nicht verzichten können.“ Zudem, fügt der Gesundheitsexperte an, hätten die gemeinsam gemeisterten Probleme der Pandemie wie Startschwie- rigkeiten im Homeoffice, Kurzarbeit und mangelnde Kontakte einen neuen Zu- sammenhalt innerhalb der Organisation bewirkt und neue Potentiale freigesetzt – das müsse nun genutzt und weiter aus- gebaut werden. Dem Kulturwandel genügend Raum geben Wie sich die Unternehmenskultur durch Corona verändert hat, hat die Züricher Hochschule für angewandte Wissen- schaften ZHAW gemeinsammit dem IAP Institut für Angewandte Psychologie in seiner Teilstudie „Remote Work im New Normal“ untersucht. Dabei wurde heraus- gearbeitet, dass insbesondere dem The- ma Vertrauen durch die Erfahrungen des Lockdowns eine neue, hohe Bedeutung zukommt: In Unternehmen mit einer hohen Vertrauenskultur, so die Studien- autoren, habe diese in der Krise geholfen. In anderen Organisationen habe sich Ver- trauen durch die Krise entwickelt oder verstärkt, insbesondere, weil den hohen wirtschaftlichen Herausforderungen mit Zusammenhalt begegnet werden konnte. In Unternehmen mit milderen wirt- schaftlichen Herausforderungen, so die Studienergebnisse, wirkte die vermehrte Arbeit im Homeoffice häufig als Katalysa- tor einer bereits begonnenen Entwicklung. Als Konsequenzen nennen die Wissen- schaftler ein über den Arbeitsort hinaus- reichendes verändertes Arbeitsparadigma, Hierarchieabbau, agilere Abläufe, die Eta- blierung und Beschleunigung dezentra- lisierter und digitaler Prozesse, Stärkung von Diversität, Intensivierung von Feed- backprozessen, Stärkung von Selbstorga- nisation und einen besseren Fokus auf Führung und neue Führungsrollen. Bei der Rückkehr ins Büro bietet sich für Betriebe nun die seltene Chance, diesen Kulturwandel durch einen ent- Für 70% der Beschäftigten ist der Wegfall des Arbeitswegs Hauptmotivation, um von zuhause aus zu arbeiten. Quelle: Robert Half, 2021
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