Personalmagazin plus 11/2021

Trends 37 zent erhöht. Es ist hilfreich, sich das bewusst zu machen und immer wieder nach Möglichkeiten zu schauen, wie man regel- mäßig Bewegung in den Alltag bringen kann (siehe Kasten). Wer ständig sitzt, wird krank – selbst im perfekt angepassten Stuhl. Also lieber Stehen statt Sitzen? Schließlich verursacht auch längeres Stehen Beschwerden. Wie so oft liegt die Lösung in der Mitte. In diesem Fall im regelmäßigen Wechsel zwischen Sitzen und Stehen. Unter Bezugnahme der wissenschaftlichen Datenlage sollte dieser möglichst regelmäßig nach etwa 20 bis 30 Minuten stattfinden. Übrigens: Während des Schlafens wechseln wir in diesem Rhythmus unbewusst unsere Schlafpositionen. Stehen mit seinen intuitiven und bedarfsgerechten Lageverän- derungen ist gut für die Funktionsfähigkeit der inneren Organe im Bauchraum, fördert die Blutzirkulation, die Sauerstoffver- sorgung sowie den Muskelstoffwechsel mit seinen positiven molekularbiologischen Wirkprozessen. Auch die kognitive Leis- tungssteigerung wird durch die Ausschüttung neuroplastischer Botenstoffe – Proteine und Hormone, die das Wachstum und die Verschaltung von Nervenzellen anregen – partizipieren. Ein positiver Einfluss auf Arbeitsleistung und Leistungsbereitschaft kann nachgewiesen werden. Doch ist die Erkenntnis nicht neu, schon Goethe äußerte: „Bequeme Sitzmöbel heben mein Denken auf“. Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau schrieb: „[…] ich kann […] nur im Gehen denken; sobald ich Halt mache, ist es mit dem Denken vorbei.“ Diversität braucht Optionen für Gestaltungsfreiheit Um die benötigte Steh-Sitz-Dynamik in das Büro oder auch im Homeoffice zu integrieren, gibt es verschiedene Konzepte. Sei es der klassische Schreibtisch, der eigentlich nur noch mit nut- zerfreundlicher Höhenverstellung zum Einsatz kommen sollte, oder mobile Sitz-Stehpulte sowie solche mit fester Stehhöhe. Je nach Tätigkeit und Arbeitsprozess sollten sie einem gesundheits- förderndem Einrichtungskonzept sinnvoll integriert werden. Das gilt auch insbesondere für spezielle Zonen in Büros, bei- spielsweise für informelle Treffen (Cafeteria), Teambesprechun- gen oder agile Arbeitsprozesse („Agile Working“ in Form von „Stand-up Meetings“). Intelligente Einrichtungskomponenten (Verhältnisse) fungieren als „Bewegungsverführer“, die physio- logische Positionswechsel so ganz nebenbei (intuitiv) abrufen. Bei allen Forderungen nach flexiblen Arbeits-(platz) lösungen darf eins nicht in den Hintergrund treten. Die Diversität der Menschen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Konstitutionen, ihrer unterschiedlichen Bedarfe sowie ihrer unterschiedlichen Tätigkeiten und Arbeitsabläufe benötigen diese unter anderem eine ergonomisch-mobiliare Vielfalt. Die dadurch entstehen- den Optionen – der beste Ort für bestes Arbeiten – unterstüt- zen Mitarbeitende darin, ein physiologisches Arbeitsverhalten ihrem persönlichen Bedarf und Aufgabenstellung angemessen zu gestalten. Darüber hinaus werden spontane und intuitive Verhaltensweisen gefördert und nicht behindert. Die dadurch entstehenden bewegenden „Work Prozesse“ sind der Garant zur Erhaltung der körperlichen, psychischen und kognitiven Gesundheit und somit auch der „Workabilty“, die Gesunderhal- tung von Mitarbeitenden trotz zunehmenden kalendarischen Alters. Es gilt heute aus humanbiologischer und sozialmedi- zinischer Sicht als anerkannt, dass aufeinander abgestimmte physiologische Arbeitsplatzverhältnisse und -verhaltensweisen die Produktivität und die Motivation als auch körperliche-geis- tige Gesundheit von Mitarbeitenden steigert und eine bessere Lebensbalance ermöglicht. Das Büro wird zur Landschaft mit vielen Modulen und verschiedenen Zonen Dieser Trend, der bei einer offenen und innovativen Unterneh- menskultur in Neubauten immer mehr zum obligatorischen Einrichtungsstil wird, zeigt, dass Büroarbeit durch New Work und Homeoffice nicht abgeschafft, sondern neu definiert wird. Offen und vielseitig sollen neue Bürokomplexe sein, um den beschriebenen vielseitigen Arbeitsanforderungen und individu- ellen körperlichen Gestaltungsoptionen gerecht zu werden. Es ist nicht mehr der normale Schreibtisch, an dem Mitarbeitende den ganzen Tag arbeiten. Das Büro wird zu einer Landschaft mit vielen Modulen, die die verschiedenen Tätigkeiten mit den erforderlichen physiologischen Verhaltensweisen ideal unter- stützen. Auf der Grundlage des Prinzips, der beste Platz für bestes Arbeiten, stehen unter anderem folgende Anregungen: • unterschiedliche Sitz- und Tischkonzepte zur Unterstützung intuitiver und bedarfsgerechter Sitz- und Sitz-Steh-Verhaltens- weisen, • „Ich“- und „Wir“-Bereiche für ruhiges, konzentriertes Arbeiten beziehungsweise gewünschte soziale Interaktionen und Kolla- boration, • unterschiedliche Tischkonzepte zum Sitzen und Stehen auch mit platzsparenden Klappsystemen, • mobile vertikale Projektionsflächen sowie beschreibbare und bepinnbare Flächen, • Lounge-Möbel mit akustischer Dämmung als Orte für Rückzug, zur Entspannung oder für geschützte Privatgespräche. DR. DIETER BREITHECKER ist Vorsitzen­ der der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e. V., Wiesbaden Traditionelle Konferenz­ räume sind Kreativitäts­ killer. Stand-up Meetings dagegen bringen Körper und Geist in Schwung.

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