Personalmagazin plus 11/2021
Arbeitswelten personalmagazin plus: Arbeitswelten 12 stellung, dass die Leute im Silicon Valley auf dem Skateboard arbeiten, nicht ganz richtig ist. In Wahrheit kann das Valley eine Knochenmühle mit mehr oder weniger Freiheiten sein. Wie finden Unternehmen denn „ihren“Weg ins NewNormal? Es gibt Unternehmen, die haben ein fertiges Konzept, das ein Stab entwickelt hat, und das rollen sie jetzt aus. Und dann gibt es die, die sagen: Wir lassen alles auf uns zukommen – wir machen die Büros auf und dann schauen wir mal, was passiert. Beides wird nicht funktionieren. Die Gestaltung der Arbeitswelt nach Corona ist eine Riesenchance, aber wie genau ein hybrides Arbeitsmodell aussehen kann, ist keine ausschließliche Ent- scheidung des Mitarbeiters, sondern eine Entscheidung des Mit- arbeiters mit dem Unternehmen zusammen. Dabei spielen viele Fragen eine Rolle: Wie möchten wir die Leistung bei bestimmten Aktivitäten verbessern? Wie stellen wir Lernen und Entwicklung sicher? Was für eine Kultur wollen wir? Wie gestalten wir Arbeit als soziales Feld? Und dann kommen noch die ökonomischen Fragen: Es ist wirtschaftlich schlicht nicht sinnvoll einen Büro- arbeitsplatz vorzuhalten, der an zwei bis drei Tagen pro Woche verwaist ist. Stichwort „Arbeit als soziales Feld“: Sie haben vorhin die Be- deutung des Zugehörigkeitsgefühls angesprochen. Braucht es dafür das physische Büro? Manche Leute arbeiten seit 25 Jahren sehr loyal und waren noch niemals im Headquarter. Das ist eine Typsache. Für die einen ist der Ort als Bezugspunkt für Kultur, Identität und Zuge- hörigkeit extrem wichtig, für andere nicht. Ich glaube, man kann soziale Aspekte durchaus digital abbilden, aber imMoment sind wir einfach total übersättigt mit Digitalem. In einer komplett digitalen Welt, wie wir sie in der Coronapandemie hatten, ist die Arbeit digital und der Social Drink mit dem Team am Abend ist auch wieder digital. Das ist zu viel, so geht der Effekt verloren. Es ist weniger das fehlende Angebot, sondern der fehlende „Fra- mebreak“. Wir brauchen die Variation. Deshalb bin ich auch ein großer Fan von hybriden Strukturen. Diese hybriden Strukturen machen die Arbeitswelt aber noch komplexer als sie ohnehin schon ist ... Ganz richtig. Hybrid bedeutet ja nicht nur die Aufteilung der Arbeit eines Individuums in Homeoffice und Büro. Richtig spannend wird es, wenn Teams, Meetings und Projekte hybrid werden. Wenn einige im Büro, andere remote arbeiten und an wechselnden Tagen. Dieses mehrdimensionale Hybride schafft noch einmal eine ganz andere Dynamik. Das braucht unglaub- liche Disziplin, aber es ist auch eine Riesenchance. Welche neuen Herausforderungen kommen auf Führungs- kräfte zu? Wie vermeidet man beispielsweise, dass sich eine Art Zweiklassengesellschaft bildet? Die Kernansprüche an Führung bleiben die gleichen – egal ob virtuell, klassisch analog oder eben hybrid. Aber die Prioritäten verschieben sich. Nehmen wir das Beispiel Zweiklassengesell- schaft: Wenn ich möchte, dass meine Mitarbeitenden Synergien entwickeln und ihre Arbeit bestmöglich verrichten, muss ich da- für sorgen, dass alle einen ähnlichen Informationsstand haben. Das war vorher eine nicht so hoch priorisierte Führungsaufgabe, weil das fast automatisch passiert ist, als alle Mitarbeitenden im Büro waren. Jetzt müssen Führungskräfte das ganz gezielt managen, beispielsweise indem sie Regeln einführen, wie das funktionieren kann. „Gleicher Informationsstand“ muss zum Teamziel werden, zu dem alle ihren Beitrag leisten. Diejenigen, die nicht vor Ort sind, müssen gegebenenfalls nachhaken. Und diejenigen, die im Büro sind, müssen Informationen an die Kollegen im Homeoffice weitertransportieren. Ein „Wir sind vor Ort besser informiert“ ist dann sozusagen ein Regelvergehen. Das Büro als Ort des Arbeitens wird seine Rolle verändern. Wie wird sich das auf die Bürogestaltung auswirken? Auch hier sehe ich die Coronapandemie als eine Art Katalysator: Vieles, was wir an Raumkonzepten für die hybride Arbeitswelt brauchen, gab es vorher schon, aber wir haben es gar nicht rich- tig genutzt. Ich kenne Unternehmen, die haben ultramoderne kollaborative Gebäude und arbeiten wie im 19. Jahrhundert. Die Bürogestaltung ist nur die äußere Bedingung. Erst durch einen Kulturwandel füllen wir die Räume auch mit Arbeit. Das ist das Entscheidende. „ Bürogestaltung ist nur die äußere Bedingung. Erst durch einen Kulturwandel füllen wir die Räume auch mit neuen Arbeitswelten.“
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