Personalmagazin 9/2024

HR-Mythen Neun weit verbreitete Überzeugungen, die sich nicht ausrotten lassen Impulse zur Gestaltung der Arbeitswelt Material-Nr. 04062-5287 personalmagazin.de 20.00 € 09/2024 Arbeitsrecht im Wandel Warum neue Zeiten neue Regelungen erfordern 25 Jahre HR-Journalismus Ein Rückblick auf die wichtigsten Themen, Trends und Entwicklungen

d unterstützen. QUALITÄTS-­ JOURNALISMUS BRAUCHT UNTERSTÜTZER

Liebe Leserinnen und Leser, das Personalmagazin feiert seinen 25. Geburtstag und wir haben unser Jubiläum unter das Motto „Qualitätsjournalismus braucht Unterstützer“ gestellt. Als ich diesen Gedanken das erste Mal einer Kollegin erzählte, war ihre Reaktion: Seid ihr jetzt hilfsbedürftig? Geht es euch so schlecht? Keine Sorge, uns geht es nicht schlecht. Wir haben jetzt 25 Jahre auf dem Buckel; wir haben die Disruption der Medienbranche erfolgreich gemeistert. Das Heft, das Sie in Händen halten, zeigt unsere Vitalität: ein Feuerwerk an Beiträgen zu „Früher“ und „Morgen“, erstklassige Autorinnen und Autoren und viele renommierte Werbepartner. Ich könnte zufrieden auf unsere Erfolge verweisen, etwa auf die Marktführerschaft bei der verkauften Printauflage von über 26.000 Exemplaren und auf die Reichweitenführerschaft im Digitalen mit monatlich zwei Millionen Zugriffen auf unser Newsportal. Ich könnte auf die zahlreichen Awards aus der Medienbranche verweisen, mit denen unsere Zeitschrift, die App und das Portal ausgezeichnet wurden. Doch das wäre nur die halbe Wahrheit. Zur Wahrheit gehört auch, dass unsere Erfolge nicht ohne Unterstützerinnen und Unterstützer möglich wären. Ich denke an unsere Autorinnen und Autoren, die häufig zu den Besten ihres Fachgebiets gehören und zur Fachexpertise beitragen. Ich denke an unsere Leserinnen und Leser, die mit ihrem Abo unsere Angebote auf allen Kanälen mitfinanzieren. Ich denke an unsere Werbepartner, die zur HR-Community gehören und uns mit ihrer Expertise und ihren Werbebudgets unterstützen. Und ich denke an die Geschäftsführung von Haufe, die seit 25 Jahren in den HR-Qualitätsjournalismus investiert. Unser HR-Qualitätsjournalismus bleibt auch in Zukunft auf die Unterstützung dieses Ökosystems angewiesen. Wir alle haben unsere Mediennutzung zuerst durch Suchmaschinen, dann durch die sozialen Medien grundlegend verändert. KI wird den nächsten Wandel mit sich bringen. Unser Qualitätsjournalismus ist nicht von Medienkanälen abhängig, aber von Nutzerinnen und Nutzern, die einen Mehrwert in dem sehen, was wir für HR-Fachleute zu bieten haben: verlässliche Orientierung, geprüfte Fachinformationen, ausgewogene Berichterstattung und eine kritische Begleitung der HR-Community. Es dankt Ihnen für Ihre Unterstützung herzlichst Ihr Reiner Straub Herausgeber „Wir feiern 25 Jahre Personalmagazin und danken allen, die unseren Qualitätsjournalismus schätzen und unterstützen.“ Titel: Max Kersting; Foto: Britt Schilling 3 personalmagazin 09.24 Editorial

6 Standortbestimmung Ein Blick auf 25 Jahre HR-Journalismus Sowohl HR als auch die Medienbranche haben sich in den vergangenen 25 Jahren grundlegend verändert. Ein Rückblick, der zugleich Ausblick sein kann 12 Smalltalk Facts Der Arbeitsmarkt früher und heute Was sich seit 1999 verändert hat – und was nicht 16 Forschung vs. Bauchgefühl Mythos wechsel dich Einige Überzeugungen halten sich im Personalwesen hartnäckig, obwohl sie durch die psychologische Forschung längst widerlegt sind. Was Sie nach 25 Jahren Personalmagazin eigentlich besser wissen sollten 24 Führende HR-Köpfe Stars und Sternchen Die Personalmagazin-Redaktion zeichnete 2003 erstmals die „40 führenden Köpfe des Personalwesens“ aus – eine Besonderheit in der damaligen Zeit 28 Buzzwords Quiet Quitting oder Rage Applying? Von Agilität bis Work-Life-Balance: Zehn Modewörter aus 25 Jahren 30 Zukunft Personal Mehr Messe Mit der Zukunft Personal entstand vor 25 Jahren eine neuartige Fachmesse, die zwei Eigentümerwechsel und die Coronapandemie überstand. Bis heute ist sie der wichtigste Treffpunkt der HR-Szene Bild: Max Kersting Früher 4 personalmagazin 09.24

34 Gesundheitsmanagement Zahlen und Fakten zur Gesundheit Wie hoch waren die Google-Suchanfragen zum Begriff „Stress“ im Jahr 2013? Wer macht die längere Mittagspause: Chinesen oder Deutsche? Was sind die größten Herausforderungen im BGM? Nützliches und unnützes Wissen zum Thema Gesundheit am Arbeitsplatz 36 Technologie Wie die Digitalisierung HR verändert hat Von Lochkarten bis zu den Anfängen Künstlicher Intelligenz – die technologische Entwicklung hat die Personalarbeit digitaler, effizienter und facettenreicher werden lassen 41 Impressum 42 Fachliteratur Change war immer Zehn Buchklassiker, an denen kein Organisationsentwickler vorbeikommt 46 Arbeitsrecht Nur wer sich ändert, bleibt sich treu Das Arbeitsrecht hat sich in den vergangenen 25 Jahren dynamisch weiterentwickelt. Dennoch hat der Gesetzgeber noch keine Antworten auf wichtige arbeitsrechtliche Fragen der Zukunft 56 Glosse Die Zukunft von gestern Wenn Sie heute noch so arbeiten müssten wie vor 25 Jahren 58 Rechtsprechung Tanz mit dem rosa Flamingo Vom Absturz auf der Weihnachtsfeier bis zum Sprung vom Partyschiff: Zehn skurrile Gerichtsurteile 60 Pause Auf einen Kaffee mit ... Katharina Heuer, ehemals Vorsitzende der DGFP-Geschäftsführung, heute Aufsichtsrätin, Beraterin und Initiatorin von Projekten für benachteiligte Jugendliche 5

Früher personalmagazin 09.24 6 Ein Blick auf 25 Jahre HR-Journalismus

7 Standortbestimmung Als die „Haufe Mediengruppe“, wie die Haufe Group damals hieß, vor 25 Jahren das Personalmagazin gründete, war die Digitalisierung in den meisten Unternehmen in vollem Gange. Die Lohn- und Gehaltsabrechnungen waren längst automatisiert, HR-Standard-Software auf dem Vormarsch. Das „World Wide Web“ war acht Jahre alt, das E-Recruiting in den Startlöchern. Der Print-Stellenmarkt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war das führende Medium für die Besetzung von Führungspositionen, die aufkommenden Jobbörsen im Internet pulverisierten die Stellenmärkte der Printmedien und brachten diese in mächtige wirtschaftliche Schwierigkeiten. Haufe begann früh mit der Digitalisierung. Das Loseblattwerk „Haufe Personalbüro“, das in keiner Personalabteilung fehlte, gab es bereits in digitaler Form als „Haufe Personal Office“. Die monatliche Zeitschrift Personalmagazin sollte eine „Ergänzung“ zu den digitalen Angeboten werden – aus heutiger Sicht eine weitsichtige Entscheidung der damaligen Verlagsleitung, Der „HR-Journalismus“ bekam damit eine Heimat bei Haufe. Was als Printmedium begann, ist heute eine Medienmarke mit multimedialem Angebot. Unser Anspruch war und ist es, Contentprodukte frühzeitig auf die Veränderungen der Mediennutzung anzupassen. Die Redaktion erstellt heute nicht nur das meistverkaufte HR-Printmedium (verkaufte Auflage 26.430), sie betreibt mit der haufe.de/personal auch das reichweitenstärkste Onlineportal (2 Mio. Visits im Monat), einen Linkedin-Kanal mit über 50.000 Followern und produziert mit „personalmagazin neues lernen“ ein multimediales Schwestermedium inklusive Podcast. In der Redaktion haben wir über die Jahre eine Balance zwischen Erneuerung und Kontinuität hinbekommen. Daniela Furkel, Katharina Schmitt, Brigitte Pelka und Frank Bollinger waren an der Gründung des Magazins beteiligt und sind derzeit noch oder wieder Teil des Teams, ich selbst kam später dazu, war zuvor bei der „Personalwirtschaft“ tätig und habe das Personalmagazin in unterschiedlichen Rollen begleitet. Anbei meine persönlichen Beobachtungen aus 25 Jahren HR-Journalismus, ohne Anspruch auf Systematik oder Vollständigkeit. Von Reiner Straub Das Personalmagazin feiert sein 25-jähriges Bestehen. Auf den ersten Blick spiegelt sich darin Kontinuität wider, doch das täuscht: Die Medienbranche war einer Disruption ausgesetzt, und auch HR hat sich grundlegend verändert. Ein persönlicher Rückblick mit 20 Beobachtungen zu HR und dem Journalismus – der zugleich ein Ausblick sein kann.

Früher personalmagazin 09.24 8 1. Der Mensch im Mittelpunkt. Das ist der Satz, den ich am häufigsten gehört habe. Darin drückt sich bis heute das Selbstverständnis der meisten HR-Fachleute aus. Der Hinweis des Organisationssoziologen Oswald Neuberger, der bereits 1990 den Satz „Der Mensch ist Mittel. Punkt“ formulierte, wurde und wird beiseitegeschoben. Während die Unternehmen nach dem Shareholder- oder Stakeholder-Ansatz gesteuert werden, liebt HR die sozialromantische Vorstellung „Der Mensch steht im Mittelpunkt“. Jede Profession hat eine kleine Lebenslüge, sie sieht sich und ihr Thema stets als Mittelpunkt des Geschehens. 2. Krisen als Sternstunden von HR. Fünf große Krisen hatte Deutschland in den letzten 25 Jahren zu bewältigen: Überwindung der Massenarbeitslosigkeit mit der großen Arbeitsmarktreform (2002), die Euro- und Finanzkrise (2009), die Flüchtlingskrise (2015), die Coronapandemie (2020) und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine (2022). Jede dieser Krisen hatte enorme Auswirkungen auf die Arbeitswelt, HR-Verantwortliche waren nicht nur intern als „Krisenmanager“ gefordert, sie beteiligten sich auch an der gesellschaftlichen Bewältigung der Krisen. 3. Die Profis der Nation. Die größte Arbeitsmarktreform der Nachkriegszeit, die unter den Begriffen „Agenda 2010“ und „Hartz-Gesetze“ in die Geschichtsbücher einging, trug die Handschrift von HR. Die 15-köpfige „Hartz-Kommission“, zu der drei Personalvorstände gehörten, erarbeitete Ideen, die zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit beitrugen und den über zwei Jahrzehnte anhaltenden Wirtschaftsaufschwung beförderten. Tragisch bleibt der spätere Absturz von VW-Personalvorstand Peter Hartz wegen eines Korruptionsskandals, ansonsten wäre er heute eine Ikone von HR. 4. Am Entscheidertisch sitzen. Von sehr vielen Personalverantwortlichen habe ich die Klage gehört, an zentralen Entscheidungen nicht beteiligt zu sein. In den Neunziger- und Nullerjahren war das allgegenwärtig, auch im Personalmagazin haben wir (zu viele) Geschichten dazu geschrieben. In den letzten Jahren habe ich die Klage kaum noch vernommen. Das könnte daran liegen, dass CHROs selbstbewusster geworden sind und häufiger am Entscheidertisch sitzen, möglicherweise bin ich aber auch nur gegenüber solchen Klagen immun geworden. 5. Diskretes Geschäft und schwere Limousinen. Früher waren für Journalisten viele Türen verschlossen. HR sei ein „diskretes Geschäft“, erläuterte mir etwa Heiko Lange, ehemaliger DGFP- und Lufthansa-Vorstand Ende der Neunzigerjahre. Personalangelegenheiten wurden gerne unter der Decke gehalten, an Awards oder Wettbewerben beteiligten sich nur wenige. Die „Personaldirektoren“ fühlten sich wohl in schweren Limousinen und speisten gerne in eigenen Casinos. Diese Phase ist überwunden. Viele CHROs fahren heute Zug und kommunizieren auf Augenhöhe. Das Elitäre ist aber nicht völlig verschwunden, wie der Blick auf manche Armbanduhr oder Handtasche zeigt. 6. Verbände ringen um Haltung. Mein erstes Pressegespräch bleibt ein unvergessliches Erlebnis. Die DGFP hatte die Presse zu ihrem Kongress nach Wiesbaden geladen und ich erwartete Neuigkeiten. Geschäftsführer und Vorstände schafften es, eine Stunde lang mit uns Journalistinnen und Journalisten zu sprechen, ohne zu einer aktuellen Frage Stellung zu beziehen. Das wiederholte sich in den Folgejahren. Manche von uns empfanden das als Arroganz, im Rückblick war diese Haltung ein wesentlicher Grund, warum sich neue Berufsverbände formierten. Thomas Sattelberger, Heinz Fischer und Werner Then gründeten 1999 die Selbst GmbH – die Avantgarde der damaligen Szene. Joachim Sauer hob 2009 den Bundesverband der Personalmanager aus der Taufe, der die DGFP in eine lang anhaltende Abwärtsspirale brachte, von der sie sich erst jüngst befreien konnte. 7. Diversität ist ein Erfolgsfaktor. Das ist ein Glaubenssatz, zu dem sich die allermeisten HR-Fachleute bekennen, auch wir Männer. Vor 25 Jahren war HR noch in Männerhand, heute sind auch HR-Vorstandspositionen mehrheitlich mit Frauen besetzt. Ein großer Fortschritt bezüglich Diversität, allerdings wird gerne verdrängt: Es war nicht Einsicht, die den Wandel brachte, es war die Quote. Unvergesslich bleibt für mich, wie fünf Frauen die Gunst der Stunde erkannten und mit ihrer Kampagne #ichwill die Kanzlerin Angela Merkel zum Kurswechsel brachten. HR war mittendrin, Janina Kugel war eine der Heldinnen. 8. New Work bringt frischen Wind. Das „Personalwesen“ bekam seit den Achtzigerjahren ein unternehmerisches Selbstverständnis und versammelte viele kluge Köpfe. Die Veranstal-

9 Standortbestimmung tungen waren inhaltlich spannend, aber bieder und freudlos. Frische Luft brachte erst die New-Work-Bewegung, die in der Berliner Startup-Szene entstand und eine neue Vorstellung von Arbeit entwickelte. Das Ideal waren Freelancer, die ihre Arbeit im Café verrichten, nicht Konzernangestellte, die vor Vorgesetzten buckeln. HR verstand in den 10er-Jahren die Signale und machte die Arbeitswelt demokratischer und bunter. Der Stuhlkreis ersetzte den Kasernenton. Es war eine Kulturrevolution für die Arbeitswelt, die derzeit teilweise wieder zurückgedreht wird. 9. Von Software zu HR Tech: Unter HR-Fachleuten waren Technologiethemen nie beliebt, ihre Relevanz für die Innovationskraft wurde unterschätzt. Manche mieden das Thema wie der Teufel das Weihwasser, bei HR-Journalisten war das häufig nicht anders. Mit den HR-Startups hat „HR Tech“ Dynamik und Glanz bekommen. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie HR neue Technologien so schnell adaptieren konnte, obwohl HR-Verantwortliche bis heute keine Tech-Enthusiasten sind? Vielleicht ist das den Technologieanbietern zu verdanken, deren Vertriebsleute offenbar einen guten Job gemacht haben. 10. Die Wahrheit gibt es nur im Plural. Was ist der Mensch? In der HR-Community können solche Grundsatzfragen diskutiert werden, unterschiedliche Disziplinen sind hier versammelt. Für Juristen ist er ein „Rechtssubjekt“, für Pädagogen ein „lernfähiges Wesen“ und für Ökonomen ein „Nutzenmaximierer“. Jede Disziplin hat ihre Blickrichtung, die Wahrheit entsteht in der Zusammenschau der Perspektiven. Das macht HR, aber auch unsere Redaktionsarbeit so spannend. 11. Agenda Setting und Trends. Die relevanten Themen zur richtigen Zeit zu setzen, das ist unser Verständnis von Qualitätsjournalismus. 300 Titelgeschichten haben wir in 25 Jahren erstellt und immer wieder versucht, ein aktuelles Thema aus unterschiedlichen Perspektiven auszuleuchten. Häufig ist uns das gelungen, nicht immer. Unsere Geschichte zur Zeiterfassung beispielsweise kam zu früh, die Regierung hat den Gesetzentwurf bis heute nicht verabschiedet. Über die Jahre hat sich eines grundlegend verändert: Früher reichte die Titelgeschichte in der Zeitschrift aus, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Heute müssen wir ein Thema multimedial inszenieren. Gegründet wurde das Personalmagazin 1999 als Printmedium, das einem digitalen Medium „beigelegt“ wurde. Heute ist das Personalmagazin eine Medienmarke mit multimedialen Angeboten.

Früher personalmagazin 09.24 10 Foto: Britt Schilling 12. Fachinhalte bleiben Trumpf. Über die Rückkehr ins Office wird heftig gestritten. Wir Journalistinnen und Journalisten lieben solche Debatten. Doch nach Publikation der Geschichten erfolgt oft die Ernüchterung: Meinungsstücke finden nur ein kleines Publikum, die Mehrheit unserer Leserschaft erwartet praktische Lösungen. Das zeigt der tägliche Blick auf die Seitenabrufe unseres Onlineportals. Die Leserbedürfnisse sind manchmal andere als die Vorlieben von uns Journalisten. Die Auswertung der Daten, die im Online-Journalismus zum Standard gehören, hilft uns, auf der richtigen Spur zu bleiben. 13. Investigativer Journalismus. Missstände werden gelegentlich an uns herangetragen, mit der Bitte, diesen doch mal nachzugehen. Über solche Hinweise freuen wir uns, doch über ein Investigativ-Team verfügen wir nicht. Wir sind eine kleine Fachredaktion, eigentlich nicht ausgerüstet für den investigativen Journalismus. Gleichwohl ist es uns immer wieder gelungen, solche Recherchen durchzuführen, zuletzt etwa zur Rufschädigung von Cawa Younosi, zweifelhaften Methoden von zwei KI-Startups oder zu den dubiosen Machenschaften einer „Erfolgstrainerin“. Für uns als Redaktion sind solche Geschichten das Salz in der Suppe unserer Arbeit. Manche sprechen vom Wächteramt des Journalismus, für mich ist das zu hoch gegriffen. 14. Ein Netzwerk mit den besten Experten: Unsere Redaktion verfasst nur einen Teil der Texte selbst, viele liefern unsere Autorinnen und Autoren aus Beratung, Wissenschaft und Praxis. Dabei arbeiten wir häufig mit den Besten ihres Fachgebiets zusammen, was ich immer als ein Privileg unserer Arbeit betrachtet habe. Dieses Netzwerk macht die Kompetenz des Personalmagazins aus und gehört zum Anspruch an Qualitätsjournalismus. 15. Wettbewerb lohnt sich. Unsere Marktwirtschaft beruht auf dem Prinzip des Wettbewerbs, der die besten Ergebnisse für Kunden hervorbringt. Als Redaktion fordert uns das täglich, das Contentgeschäft ist wettbewerbsintensiv. Es ist anstrengend, aber auch stets ein gutes Gefühl, schneller oder besser als andere zu sein. Wettbewerb hat sich aber nicht nur für uns als Marktführer gelohnt, insgesamt hat die HR-Publizistik vom Wettbewerbsprinzip profitiert, die heute attraktiver als vor 25 Jahren ist. 16. Journalisten sind keine Influencer. Früher war alles besser, sagen manche Branchenkollegen: Redaktionen waren Gatekeeper, Autoren und Werbekunden waren auf uns angewiesen, um Zugang zur Öffentlichkeit zu bekommen. Die Zeit ist glücklicherweise vorbei, das Publizieren ist demokratischer geworden. Jeder und jede kann heute publizieren. Ein gutes Beispiel dafür sind Influencer, die teilweise höhere Reichweiten als wir klassische Medien erreichen. Wir als Journalisten sind keine Influencer, unsere Aufgabe bleibt es, unterschiedliche Perspektiven zusammenzustellen und nur Informationen zu publizieren, die wir vorher auf den Wahrheitsgehalt geprüft haben. Darin liegt die Coolness des Qualitätsjournalismus und es bleibt unser Gegengift gegen Fake News und Informationsbubbles. 17. Disruption der Mediennutzung. Transformation und Disruption sind für uns als Redaktion keine Fremdwörter, wir haben sie durchlebt. Wissen auf Vorrat wurde durch Wissen auf Abruf ersetzt. Die kostenlose Suchanfrage wurde zum Konkurrenten für unser Abomodell, Google & Co. haben die Werbemärkte der Verlage erobert. Das war eine Disruption, die uns zwang, unsere Geschäftsmodelle und Redaktionsarbeit anzupassen. Wir erstellen heute nicht nur Medieninhalte, sondern sorgen dafür, dass diese auf Plattformen wie Google oder Social Media gefunden werden. Die Disruption geht weiter, generative KI bringt die nächste Transformation unseres Geschäfts. Wir bleiben wach. 18. Die Versuchung von Social Media. In der HR-Community hat sich Linkedin zu einem relevanten Kommunikationskanal gemausert, auch wir beteiligen uns und haben eine große Reichweite aufgebaut. Die Versuchungen des Mediums sind groß, soziale Erwünschtheit zu bedienen und bei HR-Themen die Mitarbeiterperspektive einzunehmen. Beides verspricht Klicks und Follower, gefährdet aber unseren Markenkern: Relevanz für die Zielgruppe und Glaubwürdigkeit. 19. Unabhängigkeit der Redaktion. Als Redaktion sind wir Teil der HR-Community, mit HR-Fachleuten, Beratern und Anbietern im Gespräch, die damit auch Einfluss auf unsere Köpfe und die Redaktionsarbeit nehmen. Redaktionelle Unabhängigkeit heißt für mich nicht, jeglichen Einfluss abzuwehren. Das ist gar nicht möglich. Unabhängigkeit heißt, nicht von einzelnen Marktteilnehmern abhängig zu sein, sondern nach eigenem Ermessen handeln zu können. Ökonomisch haben wir unser Geschäft auf einer Vielzahl von Werbepartnern und Abonnenten aufgebaut, wir sind nicht von Großkunden abhängig. Genauso wichtig ist es allerdings, die innere Freiheit und Distanz zu Meinungsmachern und Marktteilnehmern zu bewahren. 20. Ein Lob auf die Stillen. Als Redaktion haben wir vor allem mit den Lauten in der HR-Community zu tun, die über ihre Heldentaten berichten. An die Stillen, die ebenfalls exzellente Arbeit machen, kommen wir eher selten ran, manchmal über Beraterkontakte. Das ist unser Dilemma, das sich nicht auflösen lässt. Es gibt nur einen Ausweg: Die Stillen werden zu Sprechenden, das ist unser Wunsch. Wir sind ansprechbar. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz werden die Publizistik und das Contentgeschäft weiter verändern. Die Zahl der News wird wachsen, neue Angebote entstehen, auch Deep Fakes nehmen zu. Wir als Redaktion haben uns vorgenommen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz haben wir vor einem Jahr eine Redaktionsrichtlinie erarbeitet, die wir fortentwickeln. Neue Angebote sind in Vorbereitung. Die Veränderungen haben Folgen für HR-Fachleute: Die Anforderungen an Medienkompetenz steigen, das betrifft sie selbst als Profession, aber auch den Schulungsbedarf für die Beschäftigten in den Unternehmen. REINER STRAUB schreibt seit 27 Jahren über Wirtschaftsthemen und die HRCommunity. Besonders beeindruckt hat ihn die Vielzahl an klugen Köpfen in HR, denen er begegnen durfte.

Früher 12 personalmagazin 09.24 Vor 25 Jahren war die Arbeitslosigkeit hoch, die Bundesregierung geriet zunehmend unter Druck. Außerdem gab es deutlich weniger Frauen und Akademiker auf dem Arbeitsmarkt als heute. Was sich seitdem verändert hat – und was nicht. Quelle: Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft, 2023 Akademikerquote auf Höchststand Kein berufsqualifizierender Abschluss Beruflicher Bildungsabschluss Meister/Techniker/ Fachschulabschluss Hochschulabschluss 2005 18 57 54 43 9 9 12 15 20 24 16 21 2014 2022 Der Anteil der 25- bis 64-Jährigen, die in Deutschland über einen Hochschulabschluss verfügen, hat sich immer weiter erhöht. Gleichzeitig gibt es heute auch mehr Menschen, die keinen berufsqualifizierenden Abschluss haben. (Angaben in Prozent) Smalltalk Facts Arbeitsmarkt

Smalltalk Facts 13 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2024 Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2024 46 Prozent Ein Mensch, viele Jobs niedriger ist die Arbeitslosenquote heute im Vergleich zum Jahr 1999. Mit 4,1 Millionen Arbeitslosen und einer Arbeitslosenquote von 10,5 Prozent stand die Bundesregierung im Jahr 1999 unter Druck. Für Besserung sorgten auch die sogenannten Hartz-Reformen: Zwischen 2003 und 2005 unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeführt, haben die Reformen den Arbeitsmarkt flexibler gemacht – indem etwa Minijobs geschaffen und Arbeitslose besser unterstützt wurden. Zuletzt waren im Jahr 2023 nur noch 2,6 Millionen Menschen oder 5,7 Prozent der Erwerbsbevölkerung ohne Job. Seit dem Jahr 1999 hat sich die Zahl derer, die mehrere Jobs haben, mehr als verdoppelt. Während vor 25 Jahren noch 1,7 Millionen Menschen in Deutschland mehrfachbeschäftigt waren, sind es heute 4,5 Millionen. Laut den IAB-Forschern Sabine Klinger und Enzo Weber gibt es heute für Mehrfachbeschäftigungen zwei vorrangige Gründe: zum einen der finanzielle Aspekt, dass Menschen in ihren Hauptjobs nicht genug verdienen oder zu wenig arbeiten können, um für den Haushalt ausreichend Geld zu verdienen. Oder sie arbeiten zusätzlich, um ein befriedigendes Job-Portfolio zusammenzustellen, das es ermöglicht, Spaß zu haben, sich weiterzubilden oder das eigene Prestige zu steigern – etwa, wenn jemand abends noch als Musiker auftritt oder wenn eine Forscherin die Politik berät.

Früher 14 personalmagazin 09.24 Klarer Trend zur Teilzeit Im Jahr 1999 hat jede fünfte abhängig erwerbstätige Person in Teilzeit gearbeitet. Heute ist es nahezu jede dritte. Obwohl sich der Geschlechterunterschied verringert hat, arbeiten Frauen auch heute noch fast viermal so häufig in Teilzeit. 50 40 30 20 10 1999 2003 2007 2011 2015 2019 2023 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt 2024 13,3 30,9 49,9 11,5 29,2 48,4 10,6 28,7 48,0 9,6 27,2 46,3 8,9 26,3 46,2 6,0 22,4 41,4 4,6 19,5 37,8 Männer Frauen insgesamt Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung, 2024 so viele Ausbildungsplätze wie vor 25 Jahren sind unbesetzt. Während im Jahr 1999 noch 23.000 Ausbildungsplätze unbesetzt waren, hat sich diese Zahl bis zum Jahr 2023 mit 73.000 mehr als verdreifacht. Dreimal Von 19 auf 18 Prozent hat sich der unbereinigte Gender Pay Gap verringert – in 25 Jahren. Die Gleichstellung der Geschlechter war bereits im Jahr 1999 ein Thema. Bei der Verringerung des Gender Pay Gaps (GPG) ging es seitdem allerdings im Schneckentempo voran: Im Jahr 1999 lag der unbereinigte GPG bei 19 Prozent, seit 2020 stagniert er bei 18 Prozent. Zur Erklärung: Der unbereinigte GPG erfasst auch jenen Teil des Verdienstunterschiedes, der entsteht, weil Frauen schlechtere Zugangschancen zu bestimmten Berufen oder Karrierestufen haben. Quelle: Statistisches Bundesamt, 2024 Quelle: Statistisches Bundesamt, 2024 Langsame Fortschritte bei Equal Pay Frauen sind häufiger erwerbstätig Seit dem Jahr 1999 ist der Anteil der erwerbstätigen Frauen um 30 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Die Erwerbstätigenquote der Männer lag im Jahr 1999 bei 72 Prozent und liegt heute bei 81 Prozent. 1999 2023 57 % 74 % Foto T. Ogilvie: Katrin Binner

Smalltalk Facts 15 Immer mehr Arbeitsmigration 400 300 200 100 2007 2010 2013 2016 2019 2022 77.000 85.000 105.000 148.000 351.000 259.000 Im Jahr 2022 lebten fast fünfmal so viele Menschen in Deutschland, um mit einem befristeten Aufenthaltstitel zu arbeiten, wie 15 Jahre zuvor. Das liegt nicht nur an den Kriegen und wirtschaftlichen Krisen in vielen Regionen, sondern auch daran, dass deutsche Unternehmen ausländische Fachkräfte gezielt anwerben. Die Fachkräfteeinwanderungsgesetze haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt, indem sie den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Ausländer erleichtert haben. Quelle: Destatis, 2024 „ Deutschland ist auf Zuwanderung angewiesen, um Wohlstand und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern. Wichtig ist, dass wir Einwanderung intelligent managen, damit wir im internationalen Wettbewerb um Fach- und Arbeitskräfte attraktiver werden.“ Thomas Ogilvie, Personalvorstand der Deutsche Post DHL Group

Früher 16 personalmagazin 09.24 Von Uwe Peter Kanning Mythos wechsel dich

HR-Mythen 17 Seit Jahrzehnten gibt es in der Psychologie Forschung zu zentralen Themen und Methoden der Personalarbeit. Nicht selten erweisen sich dabei weit verbreitete Überzeugungen als wenig zielführend.

Früher 18 personalmagazin 09.24 Manche Mythen basieren auf jahrzehntealten Traditionen, andere entstehen als vermeintlich zukunftsweisende Trends. Ihnen allen ist gemein, dass sie in der Praxis als „Best Practice“ gelten und daher nicht mehr hinterfragt werden. Im Folgenden werden weit verbreitete Überzeugungen und Praktiken der Personalarbeit als Mythen bezeichnet, die im Widerspruch zu fundierten Forschungsergebnissen stehen. Hier eine Auswahl: 1 Aus Erfahrung wird man klug – so sagt der Volksmund. Auf den ersten Blick ist man geneigt dem zuzustimmen, schließlich bietet die Erfahrung doch die Möglichkeit, aus eigenen Fehlern zu lernen, Arbeitsprozesse zu optimieren und Routinen aufzubauen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass im Bewerbungsprozess Personen mit langer Berufserfahrung besonders gerne gesehen werden und Stellenanzeigen für Führungskräfte kaum ohne den Hinweis auf langjährige Führungserfahrung auskommen. Leider unterstützt die Forschung diese Sichtweise nicht. Die Dauer der Berufserfahrung steht je nach zugrunde gelegter Metastudie in einem Zusammenhang von null bis sieben Prozent zur beruflichen Leistung. Erfahrene Führungskräfte unterscheiden sich in der Ausprägung berufsrelevanter Kompetenzen kaum von Novizen. Personen, die seit Jahren Personalauswahl betreiben, unterliegen in gleicher Weise systematischen Urteilsfehlern wie Personen, die zum ersten Mal in ihrem Leben Auswahlentscheidungen treffen müssen. Berufliche Erfahrung ist leider kein Garant für den Aufbau von Expertise. Die Erfahrung bietet den Betroffenen zwar die Chance, etwas zu lernen, diese Chance wird aber offenbar mehrheitlich nicht genutzt. 2 Wer in seinem Leben viele Menschen kennengelernt hat, dürfte früher oder später versucht sein, sich selbst für einen Menschenkenner zu halten. Irgendwann ist der kritische Punkt erreicht, von dem an andere Personen nach kurzer Interaktion oder auch nur nach dem Lesen eines Anschreibens vermeintlich treffsicher eingeschätzt werden können. Und manch einer bedarf nicht einmal einer solchen Erfahrung, sondern ist quasi von Natur aus ein geborener Menschenkenner. Was Menschenkenntnis im Kern bedingt, ist unklar. Vielleicht ist es so etwas wie Intuition, Bauchgefühl, eine göttliche Gabe oder schlicht das Ergebnis von Lernerfahrungen. All das spielt letztlich aber auch keine Rolle, solange sich die Betroffenen ihrer besonderen Befähigung sicher sind. Ein Blick in die Forschung zeigt, dass Menschen durchaus in der Lage sind, die Persönlichkeit anderer Personen auf der Basis geringfügiger Informationen einzuschätzen, leider gelingt ihnen dies aber nur äußert unvollkommen. Erkauft wird das machtvolle Gefühl der eigenen Menschenkenntnis mit einer Vielzahl Neun (und noch mehr) Mythen geistern weiterhin durch die Personalwelt. Der Überblick zeigt, was Sie nach 25 Jahren Personalmagazin eigentlich besser wissen müssten. Erfahrung ist der beste Ratgeber. M Y T H O S M Y T H O S Menschenkenntnis ist die beste Auswahlmethode.

HR-Mythen 19 an systematischen Urteilsfehlern. So werden beispielsweise Menschen, die gut aussehen, regelmäßig überschätzt. Menschen, die groß und kräftig sind, erscheinen uns intuitiv als führungsstark. Personen mit fremdländischen Namen trauen wir eher zu, eine Bombe zu bauen, als dass sie gute Controller sein könnten. Wer in der Personalauswahl primär auf die eigene Menschenkenntnis vertraut, schädigt damit nachweislich seinen Arbeitgeber. Dummerweise fühlen sich die Fehlentscheidungen sehr gut an und werden daher auch nicht als solche erkannt. 3 Als sich der amerikanische Psychologe Merabian in den 70er-Jahren sehr weit aus dem Fenster lehnte und behauptete, nur sieben Prozent der menschlichen Kommunikation würden auf dem gesprochenen Wort basieren, wart ein Mythos geboren, der auch in 50 Jahren sicherlich noch sein Unwesen treiben wird. Fortan gab es kein Halten mehr. Unzählige Ratgeberbücher, Seminare und Internetvorträge berichten davon, wie leicht wir über die richtige Deutung der Körpersprache einen direkten Zugang zur Persönlichkeit eines Menschen erhalten. Am Ende kennen wir die Person sogar besser als diese sich selbst. Leider werden bei der Deutung der Körpersprache immer wieder zwei unterschiedliche Perspektiven in einen Topf geworfen. Zum einen geht es um die Frage, inwieweit sich in der Körpersprache die Persönlichkeit des Menschen tatsächlich spiegelt, und zum anderen um die Frage, inwieweit wir im Alltag die Körpersprache anderer nutzen, um uns einen Eindruck von ihnen zu verschaffen. Auf der einen Seite zeigt die Forschung, dass die Körpersprache durchaus etwas über die Persönlichkeit oder das Empfinden einer Person verrät. Dies ist jedoch nur zu wenigen Prozent der Fall. Auf der anderen Seite belegen viele Studien, dass Menschen zu einer massiven Überinterpretation der Körpersprache neigen. Wir deuten also weitaus mehr in die Körpersprache hinein, als drinsteckt. Genau deshalb eignet sich die Körpersprache auch bestens dazu, anderen etwas vorzuspielen. Gute Ratgeberliteratur sollte eher vor Überinterpretationen warnen, statt sie noch zu befördern. 4 Zu den eher jungen Mythen des Personalwesens gehört die Annahme, dass Menschen von Generation zu Generation sehr unterschiedlich sozialisiert werden und daher weitestgehend unterschiedliche Sichtweisen auf das Leben haben. Dies soll weitreichende Konsequenzen für die gesamte Personalarbeit, vom Personalmarketing bis zur Führung haben. Aus Sicht der Psychologie sind die im Personalwesen verbreiteten Überzeugungen zu Generationen X, Y und Z nicht viel mehr als eine Karikatur der Realität. Die Probleme des M Y T H O S M Y T H O S Die Körpersprache verrät viel über einen Menschen. DIE EINZIGE GUTE BAUCHENTSCHEIDUNG IN HR, EIN PERSONALMAGAZIN ABO. Besser informierte Entscheidungen mit BAUCH, HERZ UND VERSTAND DER BELEGSCHAFT gibt es nur bei uns. Neue Perspektiven Dank HR.

Früher 20 personalmagazin 09.24 Denkens in Generationen sind sehr grundlegend. Da ist zunächst einmal die Frage, bei welchem Geburtsjahr eine Generation beginnt und wann sie endet. Hierüber besteht keine Einigkeit. In der Folge werden in verschiedenen Definitionen Millionen von Menschen zwischen den verschiedenen Generationen hin- und hergeschoben. Studien, die verschiedene Generationen im Hinblick auf grundlegende Arbeitswerte miteinander vergleichen, zeigen nur sehr geringe Unterschiede, die in der öffentlichen Diskussion maßlos überschätzt werden. Mehr noch, häufig stehen die Ergebnisse sogar im Widerspruch zu weit verbreiteten Überzeugungen. So sind jüngere Menschen im Mittelwert zum Beispiel ein klein wenig leistungsorientierter als ältere und interessieren sich auch mehr für Geld. Eines der stärksten Argumente gegen das Denken in Generationen ergibt sich aus der Vielzahl der Menschen, die in einer Generation zu finden sind. In der Generation Y reden wir über fast 15 Millionen und in der Generation Z über etwa neun Millionen Menschen. Wie wahrscheinlich ist es, dass Millionen Menschen identische Wertvorstellungen und Erwartungen an Arbeitgeber haben? Die Wahrscheinlichkeit ist gleich Null. Millionen Menschen sind extrem heterogen. In jeder Generation gibt es zehntausende Menschen, für die der Beruf ein zentraler Lebensinhalt ist und zehntausende, die am liebsten gar nicht arbeiten würden. Wer (jungen) Menschen angemessen begegnen will, sollte sie vor allem als Individuum wahrnehmen und nicht stereotyp als Vertreterin oder Vertreter einer Generation. 5 Viele Unternehmen investieren wenig Know-how und Mühe in ihre Personalauswahl. Dies gilt für externe Bewerberinnen und Bewerber und erst recht für den Aufstieg innerhalb eines Unternehmens. Selbst bei wichtigen Funktionen fehlen differenzierte Anforderungsanalysen. Über ein weitgehend unstrukturiertes Interview oder eine fragwürdige Beurteilung durch direkte Vorgesetzte kommen die meisten Unternehmen nicht hinaus. Demgegenüber setzen Unternehmen eine große Vielfalt an Personalentwicklungsmaßnahmen – Trainings, Coaching, Mentoring – ein. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als würden die Unternehmen glauben, dass sie sich mäßig geeignete Personen durch Entwicklungsmaßnahmen zurechtbiegen könnten. Aus Sicht der Forschung ist der Glaube an die große Wirksamkeit von Personalentwicklungsmaßnahmen kaum zu begründen – jedenfalls, wenn es darum gehen soll, Menschen in ihren grundlegenden Einstellungen und Verhaltensroutinen zu verändern. Die nachweisbaren Effektstärken von Führungskräftetrainings, Coaching und Mentoring liegen in der Regel unter zehn Prozent. Würde man sich hingegen nur einfach einmal trauen, häufiger Intelligenztests in der Personalauswahl einzusetzen, wäre allein durch diese Verbesserung der Auswahlverfahren mit einem durchschnittlichen Effekt Erfahrung und Menschenkenntnis: Für viele sind das die Grundpfeiler ihrer Personalarbeit. Doch beides steht im Widerspruch zu wissenschaftlichen Fakten. Generationen verändern sich dramatisch. M Y T H O S Personalentwicklung ist wichtiger als Personalauswahl.

HR-Mythen 21 von etwa 25 Prozent auf die berufliche Leistung zu rechnen. Bei hohen Managementpositionen liegt der Wert jenseits der 40 Prozent. Dies ist keineswegs ein Argument gegen Personalentwicklung, wohl aber ein Argument für eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten. Im Bereich der Fachkompetenz sind Weiterbildungsmaßnahmen sicherlich sinnvoll. Wenn es jedoch um Soft Skills geht, sind die Spielräume der Veränderbarkeit deutlich kleiner als viele denken. 6 In Zeiten des Fachkräftemangels neigen viele Unternehmen dazu, die Bedeutung guter Personalauswahl zu unterschätzen. Nach dem Motto: „Ich muss doch froh sein, dass sich überhaupt noch jemand bei mir bewirbt“, glauben Verantwortliche, dass es sich nicht mehr lohnt, in gute Personalauswahl zu investieren. Solange ein Unternehmen jedoch noch mehr Bewerbungen als offene Stellen hat, ist genau das Gegenteil der Fall. Entscheidend ist nicht die Anzahl der Bewerbungen, sondern die Qualität des Bewerbungspools. Dies lässt sich an einem einfachen, fiktiven Rechenbeispiel verdeutlichen. Nehmen wir einmal an, auf eine vakante Stelle gehen zehn Bewerbungen ein, von denen vier Personen für die Stelle geeignet sind. Die Aufgabe der Personalauswahl besteht nun darin, eine dieser vier Personen zu identifizieren. Die Wahrscheinlichkeit, durch ein sehr schlechtes Auswahlverfahren einen Treffer zu landen, liegt bei 40 Prozent. Die gute Qualität der Personalauswahlmethoden (hochstrukturiertes Interview, Intelligenztest, Arbeitsproben et cetera) sorgt dafür, dass dieser Prozentwert nach oben geschraubt wird. In Zeiten des Fachkräftemangels ist nicht nur die Anzahl der eingehenden Bewerbungen gesunken, sondern leider auch der Anteil derjenigen, die für eine Stelle geeignet sind. Heute gehen vielleicht nur noch fünf Bewerbungen auf die vakante Stelle ein, von denen eine Person tatsächlich geeignet ist. Die Zufallswahrscheinlichkeit für einen Treffer liegt jetzt nur noch bei 20 Prozent. Das Auswahlverfahren muss die Schwäche des Arbeitsmarktes ausgleichen. Je geringer die Qualität des Bewerbungspools ausfällt, desto valider muss das Auswahlverfahren sein. Unternehmen müssen in Zeiten des Fachkräftemangels mehr in die Qualität ihrer Personalauswahl investieren, wenn sie eine vergleichbare Qualität bei den Neueinstellungen erreichen wollen. Personalauswahl wird immer unwichtiger. M Y T H O S

Früher 22 personalmagazin 09.24 Foto: Christian Protte PROF. DR. UWE PETER KANNING ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Er zählt als einer der mehrfach ausgezeichneten HR-Köpfe zu den „Big Five“. Sein erklärtes Ziel ist es, mit wissenschaftlichen Fakten über Missstände in der HR-Arbeit aufzuklären. 7 Wer einen unbefangenen Blick auf die Vielfalt verschiedener Personalentwicklungsangebote wirft, kann sich kaum des Eindrucks verwehren, als ginge es hier vor allem darum, sich immer wieder etwas Neues und vor allem etwas Unterhaltsames auszudenken. Keine Methode kann zu verrückt sein, um nicht auch im Personalwesen vermarktet zu werden. Die Bandbreite ist kaum noch zu überblicken. Sie reicht von klassischen Trainings mit fragwürdigen Inhalten (NLP, Imagination von Zielen, Mimikdeutung et cetera), über den Gang in den Klettergarten und diverse esoterische Angebote (Rückführung, Schamanen-Coaching, quantenphysikalische Beratung), bis hin zu Führungskräftetrainings mit Dirigenten oder Pferden. Als Maß für den Erfolg dient dabei die Zufriedenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Und oh Wunder – je unterhaltsamer die Maßnahme war, desto größer ist am Ende die Zufriedenheit. So wird immer weiter am Rad der Bespaßung gedreht. Wir dürfen gespannt sein, wohin all dies noch führen wird. Leider zeigt die Forschung, dass die Zufriedenheit der Betroffenen nichts zu tun hat mit der Frage, ob sie etwas gelernt haben oder später im Berufsalltag Aufgaben besser bewältigen können. Nicht minder traurig ist, dass der Transfer von Lerninhalten umso eher zu erwarten ist, je größer die Nähe der Entwicklungsmaßnahme zum Berufsalltag der Betroffenen ausfällt. Die Emotionalität einer Maßnahme sorgt zwar dafür, dass die Erinnerung an das Erlebte länger wach bleibt. Sie sorgt aber nicht für einen besseren Transfer der Inhalte in den Berufsalltag, wenn es außer Sprüchen nichts zu lernen gab, was sich sinnvoll auf den Arbeitsalltag übertragen ließe. 8 Im Zeitalter der Digitalisierung scheint mehr und mehr auch im Personalwesen die These zu gelten: „Je digitaler, desto besser“. Einstellungsinterviews oder Assessment Center werden digital durchgeführt. Zusätzlich zu den Bewerbungsunterlagen halten die Verantwortlichen nach Daten aus sozialen Netzwerken Ausschau. Mitunter kommen sogar KI-Algorithmen zum Einsatz, um Persönlichkeitsprofile zu erstellen und natürlich finden auch immer mehr Weiterbildungsmaßnahmen über den Computer statt. Die Digitalisierung ist so allmächtig, dass ihr Nutzen kaum noch hinterfragt wird. Dies ist bedauerlich, liefert die Forschung doch zahlreiche Befunde, die zweifeln lassen: Daten aus privaten sozialen Netzwerken erweisen sich als weitgehend nicht valide. Aus der Art, wie jemand spricht, schreibt oder sich bewegt, lassen sich per KI keine sinnvollen Schlussfolgerungen auf die berufliche Eignung ziehen. In digitalen Auswahlverfahren schneiden Bewerberinnen und Bewerber schlechter ab als in Face-to-Face-Verfahren. Auch junge Leute bevorzugen bei wichtigen Lebensentscheidungen den persönlichen Kontakt. Zumindest bei Führungskräftetrainings erzielen digitale Formate schlechtere Ergebnisse als Präsenzveranstaltungen. 9 In vielen Unternehmen hat die Personalarbeit keinen hohen Stellenwert. Das Personalwesen wird zu einer reinen Dienstleistung degradiert – oder degradiert sich im schlimmsten Fall selbst dazu. Ziel der Arbeit ist es, möglichst schnell die Wünsche der Fachabteilungen oder des Managements umzusetzen. Das Einstellungsinterview wird nicht nach den Regeln der Kunst entwickelt und durchgeführt, sondern so, wie eine Führungskraft es sich wünscht. Trainingsmaßnahmen werden nicht bedarfsgerecht entwickelt. Stattdessen wird eingekauft, was gefällt. Wenn Personal eingespart werden muss, geschieht dies am besten im Personalwesen, denn alle anderen Beschäftigten sind ja wichtig für den Erfolg des Unternehmens. – Wer glaubt „Personal kann jeder“, hat nicht begriffen, welche wirtschaftliche Kraft in guter Personalarbeit schlummert. Die geeignete Person für einen Arbeitgeber zu gewinnen, die richtigen Leute an die richtigen Positionen zu bringen und den Aufstieg der Falschen zu verhindern, Talente zu entwickeln und für ein gutes Miteinander zu sorgen, ist wirtschaftlich mindestens so wichtig, wie eine gute Investitionsentscheidung. Dies muss man aber auch belegen und ausstrahlen können. Wer sich selbst klein macht, wird als unwichtig wahrgenommen. Niemand im Unternehmen glaubt, das Ingenieure überflüssig wären oder dass jede beliebige Führungskraft die Aufgaben des Controllings nebenbei übernehmen könnte. Bei der Lösung juristischer Probleme reicht ein „gesundes Rechtsempfinden“ sicherlich nicht aus. Warum glauben aber so viele, dass ein vermeintliches „Menschenkennertum“ für die Personalarbeit vollkommen ausreichend sei? Vielleicht hat dies ja auch etwas damit zu tun, wie weit sich das Personalwesen im eigenen Unternehmen als Profession mit nachweislich wirksamen Methoden, guten Kennzahlen und einem selbstsicheren Auftreten etabliert hat. Hier dürfte mitunter noch viel Luft nach oben sein. Je unterhaltsamer die Personalentwicklung, desto besser. Je digitaler, desto besser. Personalarbeit ist eine Dienstleistung. M Y T H O S M Y T H O S M Y T H O S

Früher personalmagazin 09.24 24 Fotos: Uwe Voelkner/Fotoagentur FOX; Dawin Meckel/OSTKREUZ Früher waren Personal- und Karriereberater diejenigen, die wussten, wie man seine Karriere befördern kann. Heute, im Zeitalter der sozialen Medien, gibt es diese immer noch, hinzugekommen ist aber eine neue Beratungssparte: Personal Branding. „Werde deine eigene Marke und hol dir den Erfolg, den du verdienst“, formuliert Tijen Onaran auf ihrem Buchtitel. Mit dieser Botschaft füllt sie Kongresshallen, auch CEOs und CHROs laden sie gerne ein, um nach dem Vortrag ein Selfie mit ihr zu machen. Die Zusammenarbeit mit Onaran, die schrille Outfits als Markenzeichen einsetzt, verspricht auch die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen. Geltungsdrang ist für Führungskräfte eine starke Motivation, das ist weder verwerflich noch neu. Die sozialen Medien sind nur eine Bühne zum Ausleben. Stars und Sternchen Von Reiner Straub Als die Redaktion des Personalmagazins 2003 erstmals die „40 führenden Köpfe des Personalwesens“ kürte, war das Neuland. Es gab wenige Auszeichnungen, allenfalls Projekte wurden prämiert. Im Zeitalter der sozialen Medien und des Personal Branding stellen sich andere Fragen: Wie lassen sich Stars von Sternchen unterscheiden? An der Preisverleihung der 40 HR-Köpfe (2017 und 2023) zeigt sich der kulturelle Wandel von HR.

40 HR-Köpfe 25 Als die Redaktion des Personalmagazins vor 21 Jahren die erste Titelgeschichte zu den „40 führenden Köpfen im Personalwesen“ publizierte, war das ein Novum in der HR-Szene. Natürlich gab es damals Persönlichkeiten, die auf Kongressen auftraten und das Licht der Öffentlichkeit suchten. Doch das war weniger ausgeprägt als heute. „Der Brisanz einer solchen Personalliste sind wir uns bewusst. Selbstverständlich stehen im Personalgeschäft Fachthemen im Vordergrund“, rechtfertigte sich die Redaktion und hatte die vielen Vorbehalte im Blick, die es damals gegenüber einer Personalisierung von Themen gab. Die HR-Community stand mit dieser Haltung im Abseits, sie bestätigte damit ihr graues Verwalterimage. In der Wirtschaftsberichterstattung war der Trend zur Personalisierung in vollem Gange, beflügelt von der Erfahrung, dass sich damit mehr Aufmerksamkeit auf Wirtschaftsthemen lenken lässt. Das Personalmagazin folgte diesem Trend, der Mut zahlte sich aus. Die Liste der „40 führenden HR-Köpfe“ fand große Resonanz, sodass die Redaktion dieses Projekt fortführte und seither alle zwei Jahre publiziert. Inzwischen handelt es sich nicht nur um das größte Rechercheprojekt der Redaktion, es ist längst auch ein Markenzeichen geworden, an dem sich andere orientieren. „Big Five“ unter den 40 Köpfen Die Redaktion erstellte die Liste der 40 HR-Köpfe bereits elfmal und hat 193 Persönlichkeiten aufgenommen: 39 Prozent kamen aus dem Management, 36 Prozent aus der Beratung und 25 Prozent aus der Wissenschaft. Unter den 193 Ausgewählten befanden sich 101 (52 Prozent), die nur einmal dabei waren. Diese Auswertung hat uns nicht überrascht, suchen wir doch nach Kandidaten, die im Zweijahresrückblick etwas Außerordentliches geleistet haben. Manche stehen für ein Thema, das zwei Jahre später kaum noch Beachtung genießt. Mit dem Thema verschwinden dann auch die Personen aus unserer Liste. Andererseits spiegelt sich darin auch die eine oder andere Fehlnominierung wider, die unsere Redaktion dann zwei Jahre später wieder korrigiert hat. Über die letzten 21 Jahre gab es 29 Persönlichkeiten (15 Prozent), die mehr als fünfmal („Big Five“) nominiert waren und damit mehr als ein Jahrzehnt eine prägende Stellung in der HR-Community einnahmen. Dass unter den „Big Five“ nur vier Manager sind (siehe Tabelle auf Seite 26), zeigt uns, wie schwer es ist, sich auf Toppositionen in Unternehmen zu behaupten. Die durchschnittliche Verweildauer eines Dax-Vorstands liegt bei fünf Jahren. In der Beratung und in der Wissenschaft finden sich dagegen mehr Langstreckenläufer: Wer sich etabliert hat, kann sich offenbar über längere Zeit im Feld behaupten. Topstars unter den Stars Wer zu den „Big Five“ gehört, hat eine außerordentliche Leistung und Reputation vorzuweisen. Da reicht es nicht aus, von früheren Leistungen zu zehren, sondern man muss sich in dieser Zeit mehrmals neu erfinden. Gleichwohl möchte ich an dieser Stelle einige wenige CHROs hervorheben, die nicht alle zu den „Big Five“ zählen, aber besonders tiefe Spuren in der HR-Community hinterlassen haben. Ich habe nicht Veröffentlichungen, Zitationen oder Auftritte ausgezählt, es sind persönliche Einschätzungen. Peter Hartz: Der damalige VW-Vorstand verschaffte sich durch seine Personalpolitik den Ruf eines Pioniers der Arbeitszeitflexibilisierung und Beschäftigungssicherung, sodass er 2003 von Bundeskanzler Schröder beauftragt wurde, Vorschläge für die bislang größte Arbeitsmarktreform auszuarbeiten. Er war einer der 40 HRKöpfe, stürzte später über einen Korruptionsskandal ins Bodenlose. Thomas Sattelberger: Wie kein anderer dominierte er in den Neunziger- und Nullerjahren die Debatten in der HR-Community. Er war ein Trendscout und Innovator, gründete einen eigenen Verband und führte als Personalvorstand bei der Telekom 2010 erstmals eine Frauenquote in einem Dax-Konzern ein. Sein Charisma faszinierte viele in der HR-Community,

Früher personalmagazin 09.24 26 auch uns Journalisten. Sein Verband blieb klein, die Zahl seiner Auftritte und Kooperationsprojekte war groß. Joachim Sauer und Elke Eller: Aus Frustration über die DGFP gründete Joachim Sauer den Bundesverband der Personalmanager (BPM), der die HR-Community mit Frischluft versorgte. Sauer war ein Menschenfänger, der – im Unterschied zu Sattelberger – eine Community aufbauen konnte. Elke Eller, die ihm nachfolgte, gelang es, Wachstum und Einfluss des Verbands auszubauen und die Strukturen zu professionalisieren. Beide zogen sich zu früh aus HR zurück, um in den „Big Five“ gelistet zu werden. Sauer verstarb früh. Janina Kugel: Die Personalvorständin von Siemens war eine Vorkämpferin für mehr Diversität, die dem Thema eine Breitenwirkung verschaffte. Ihr „historischer“ Verdienst bleibt die Mitwirkung an der Einführung der gesetzlichen Frauenquote für Vorstandspositionen, die wir fünf Frauen verdanken, die mit ihrer Kampagne „#ichwill“ Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Umdenken brachten. Sie zählt zu den 40 HR-Köpfen, zog sich aber nach einer Vorstandsperiode aus der CHRO-Funktion zurück. Ariane Reinhart: Die derzeit dienstälteste Personalvorständin im Dax ist die prägende CHRO seit den 2010er Jahren. Ihre Personalpolitik ist innovativ und vorausschauend, ihr politisches Engagement einzigartig: Sie übernahm den Posten als Vorstandsvorsitzende in der kriselnden DGFP und brachte diese wieder auf Kurs; sie initiierte mit der Allianz der Chancen ein Unternehmensnetzwerk, um die beschäftigungspolitischen Auswirkungen der Transformation aktiv zu gestalten. Reinhart ist weiter aktiv und wird vermutlich bald zu den „Big Five“ gehören. CHRO of the Year – der Publikumspreis Seit 2019 verleihen wir mit der Unternehmensberatung Mercer zusammen den „CHRO of the Year“. Hier handelt es sich um einen Publikumspreis der HR-Community. Wer dieses Online-Voting gewinnen will, braucht Präsenz in den sozialen Medien und muss die HR-Community und das eigene Netzwerk mobilisieren können. Unseren redaktionellen Qualitätsanspruch setzen wir auch hier um: Für die Abstimmung nominiert werden nur CHROs, die die redaktionelle Vorauswahl mit Prüfung der Reputation durchlaufen haben. Das gilt für alle bisherigen Gewinner: Julia Bangerth, Datev (2019), Martin Seiler, Deutsche Bahn (2020), Jörg Staff, Atruvia (2021), Frauke von Polier, Viessmann (2022) und Claudia Viehweger, Immobilienscout (2023). Frauen an die Macht Beim Blick auf die Geschichte der „40 HRKöpfe“ wird der Vormarsch der Frauen auf die Machtpositionen sichtbar. Im Management war 2003 mit Juliane Wiemerslage (IBM) gerade mal eine Frau vertreten, in der Wissenschaft mit Gertraude Krell ebenfalls eine und in der Beratung keine. Beim Wettbewerb 2023 lag der Frauenanteil im Management bei 65 Prozent, in der Wissenschaft bei 50 Prozent und in der Beratung bei 30 Prozent. Das Gesicht von HR hat sich stärker gewandelt als die Wirtschaft insgesamt, HR ist diverser geworden und damit Vorreiter im Wandel. Blender als ständige Gefahr Die positiven Seiten der sozialen Medien sind offensichtlich: Die Möglichkeiten der Teilhabe und der Repräsentation sind enorm, das ist eine demokratische Errungenschaft. Über die problematischen Seiten dieser Entwicklung (Mobbing, Hassrede, Echokammern) wurde in jüngster Zeit kontrovers diskutiert, ich möchte an dieser Stelle nur einen Punkt vertiefen: Für Blender und Narzissten sind die Plattformen eine schöne Spielwiese, um viele Follower zu finden, wie wir immer wieder beobachten können. Wenn wir als Redaktion auf Blender hereinfallen, wäre das schon erschreckend genug, doch noch gravierender wäre es, krankhaften Narzissten eine Bühne zu bieten. Bekanntermaßen richten diese in ihrem Umfeld einen enormen Schaden an, indem sie andere manipulieren und für ihre eigene Selbstbestätigung missbrauchen. Diese Gefahr sehen wir und versuchen bei der „Personalauswahl“ auf all die Dinge zu achten, die HR als professionelle Standards setzt. Unserer Verantwortung versuchen wir im Sinne des Qualitätsjournalismus gerecht zu werden: Es geht um gute Recherche, verlässliche Quellen, mehrere Perspektiven, Ausgewogenheit und Fairness. Alle Menschen, die unsere Redaktion als Vorbilder auszeichnet, sollten diesem Bild auch in der Wirklichkeit entsprechen. Management Lauer, Stefan ��������������������� 6 Felder, Rupert �������������������� 5 Olesch, Gunther ����������������� 5 Sattelberger, Thomas ���������� 5 Beratung Gaul, Björn ���������������������� 10 Jochmann, Walter ������������� 10 Jäger, Wolfgang ������������������ 7 Kramarsch, Michael ������������ 7 Strack, Rainer �������������������� 7 Bauer, Jobst Hubertus ��������� 6 Anderson, Kai �������������������� 5 Meifert, Matthias ���������������� 5 Reinhard, Barbara ��������������� 5 Zumkeller, Alexander R. ������ 5 Wissenschaft Bruch, Heike ���������������������� 9 Thüsing, Gregor ����������������� 9 Preis, Ulrich ����������������������� 8 Rump, Jutta ����������������������� 8 Sliwka, Dirk ����������������������� 8 Kabst, Rüdiger ������������������� 7 Rieble, Volker ��������������������� 6 Henssler, Martin ����������������� 6 Schmidt, Ingrid ������������������ 6 Scholz, Christian ���������������� 6 Biemann, Torsten ��������������� 5 Kanning, Uwe P ������������������ 5 Kersting, Martin ����������������� 5 Schuler, Heinz �������������������� 5 „Big Five“ der 40 HR-Köpfe Alle HR-Köpfe mit fünf oder mehr Auszeichnungen seit 2003.

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