Frau Reinhart, der Arbeitsmarktforscher bestätigt Ihnen, dass in Gifhorn ein neuer Weg der Transformation eingeschlagen wurde, der beispielgebend ist. Darüber dürften Sie sich freuen. Reinhart: Die Rückmeldungen sind positiv, darüber freuen wir uns auch. Wir haben noch nicht über den strukturpolitischen Aspekt gesprochen, der mir wichtig ist. Mit der Transformation des Standorts in Gifhorn hinterlassen wir dort keine Industriebrache, sondern den Nukleus für etwas Neues. In einer Region, die vom Automobilbau geprägt ist, entstehen neue Arbeitsplätze in zukunftsträchtigen Industrien wie der Klimatechnik oder der Rüstungsindustrie. Die Region diversifiziert sich, das schafft Zuversicht. Zusammen mit den Sozialpartnern, der IG Metall und IG BCE [Anm. d. Red.: Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie] , haben wir einen neuen Anspruch formuliert: Wir wollen die Transformation nicht mehr nur sozialverträglich, sondern vor allem sozialverantwortlich gestalten. Es geht darum, die Menschen von Arbeit in Arbeit zu vermitteln und ihnen eine Perspektive zu geben. Dazu arbeiten wir in den Regionen eng mit der Agentur für Arbeit zusammen. Die Unternehmen klagen über hohe Lohnkosten und hohe Energiekosten, ein unzureichendes Bildungssystem und politische Unsicherheit durch den Rechtspopulismus. Erwarten Sie, Herr Weber, dass in Zukunft größere Teile der Wertschöpfung abwandern, vielleicht sogar Forschung und Entwicklung? Weber: Die gegenwärtige Lage ist schlecht, die Daten zur Industrieproduktion sind besorgniserregend. Manche reden gar von der Deindustrialisierung. Transformation bedeutet aber nicht Deindustrialisierung – im Gegenteil, keine Transformation würde Deindustrialisierung bedeuten. Bei der Standortdebatte „ Das führende Land in der Dekarbonisierungsindustrie werden wir nicht dadurch, dass wir energieintensive Produktion aufgeben, sondern indem wir sie halten.“ Enzo Weber 39 Transformation
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