Personalmagazin 9/2024

Werte Freiheit, Vertrauen, Verbundenheit und Gewinnermentalität bilden die Basis für unser Handeln – intern wie extern. Wir müssen in Deutschland gegenwärtig erleben, dass Demokratie nichts Selbstverständliches ist. Bei der Allianz der Chancen haben sich 70 Unternehmen mit 2,7 Millionen Beschäftigten verpflichtet, in ihre Ausbildungsprogramme einen großen Baustein „Demokratie erleben“ zu integrieren. Ein entsprechendes Lernmodul haben wir dafür im Juni erarbeitet, das jetzt in der Praxis bei 40.000 Auszubildenden eingesetzt wird. Herr Weber, fördern die Unternehmen nicht auch eine Zweiklassengesellschaft und die Polarisierung in der Gesellschaft? Die Gehaltsspreizung ist erheblich und die Arbeitsbedingungen in Werkshalle und Büroetagen laufen auseinander. Weber: Von einer Zweiklassengesellschaft möchte ich nicht sprechen. Die Schere zwischen hohen und niedrigen Löhnen war über Jahrzehnte auseinander gegangen, das stimmt. In den letzten Jahren ist das nicht mehr so. Die niedrigeren Löhne sind stärker gestiegen, teilweise sogar deutlich. Die Personalknappheit ist für Betriebe eine enorme Herausforderung und sorgt dafür, dass sich die Betriebe auch stärker um die Arbeitsbedingungen im unteren Lohnsektor kümmern. Auch die Einführung des Mindestlohns und die deutliche Erhöhung ist ein Zeichen dafür, dass der Wind sich gedreht hat. Reinhart: In der Gesellschaft brauchen wir mehr Respekt und Wertschätzung für die Beschäftigten in der Produktion, insbesondere bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Büros. Unsere Auszubildenden verbringen deshalb auch einen Teil der Ausbildung in den Fabriken, um den Schichtbetrieb zu verstehen und zu erleben. Eine Zweiklassengesellschaft darf es nicht geben, die Wertschöpfung findet vor allem auch in den Betrieben statt. Das sollte allen im Unternehmen klar sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Büros und in der Produktion sollten sich wie eine Familie verstehen, mit gegenseitigem Respekt und dem gegenseitigen Verständnis. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in HR gehören auch zu den „Büromenschen“, denen die Erfahrung für die Fabrikarbeit fehlt. Ist das nicht auch ein Problem für Personalfunktion? Reinhart: Da sprechen Sie mir aus dem Herzen, wir brauchen in HR mehr Menschen, die Erfahrungen mit der Produktion haben. In einem Industriekonzern sollten Top-Positionen in HR nur mit Menschen besetzt werden, die schon einmal in einer Fabrik gearbeitet haben. Es geht nicht nur um das Wissen, auch die Erfahrung und das Erleben ist wichtig. Die gegenwärtige Situation erinnert an Ende der Neunzigerjahre. Die Regierung war nur noch beschränkt reformfähig, über dem Land lag eine Lehmschicht und es fehlte die Zuversicht. Die neue Regierung schaffte es erst nach langer Anlaufphase eine Arbeitsmarktreform in Gang zu setzen, die zuerst großen Widerstand, aber dann das Land auf einen Wachstumskurs brachte. Reinhart: Die Situation ist schwer vergleichbar. Damals hatten wir Massenarbeitslosigkeit, heute haben wir einen Fachkräftemangel. Damals haben einige CHROs auch gesellschaftliche Verantwortung übernommen, das müssen wir auch heutzutage. Wir dürfen wir nicht neue Industrien gegen die alten ausspielen. Das führende Land in der Dekarbonisierungsindustrie werden wir nicht dadurch, dass wir die energieintensive Produktion aufgeben, sondern indem wir sie halten und damit auch den Transformationsdruck hochhalten. Wo dieser Druck hoch ist und die Anwendungsfelder der Transformation beheimatet sind, da entstehen mit den richtigen Rahmenbedingungen auch die neuen Geschäftsmodelle. Reinhart: Das sehe ich auch so. Ich beobachte die Debatten in Brüssel und Berlin mit Sorge. Wir brauchen die energieintensive Grundlagenchemie, um die Batterietechnologien und die Elektromobilität aufzubauen. Von der Politik erwarten wir dafür verlässliche Rahmenbedingungen. Der Rechtspopulismus ist in Europa und auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Frau Reinhart, Sie haben sich politisch klar dagegen positioniert. Was können Unternehmen tun? Reinhart: Die Demokratie liegt mir am Herzen. Wir haben über 150 Nationen, die bei uns arbeiten, wir sind die Vereinten Nationen. Diversität ist für uns ein Erfolgsfaktor und unsere vier „ Wir müssen uns einmischen und den Menschen klar machen, dass die Viertagewoche in Zeiten des Fachkräftemangels ein Irrweg ist.“ Ariane Reinhart Morgen personalmagazin 09.24 Fotos: Britt Schilling, Mathias Kutt 40

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