Personalmagazin 9/2024

Morgen personalmagazin 09.24 46 Hierbei geht es zunehmend um die effektive Nutzung Hybrider Intelligenz, in der menschliche und Künstliche Intelligenz synergetisch und zielgerichtet zusammenwirken. Die nachhaltige und humanzentrierte Ausrichtung dieser Kollaboration auf individueller, team- und organisationaler Ebene wird ein wesentliches Handlungsfeld von L&D. • Von Bottom-Line zu Sustainability: Spätestens mit Inkrafttreten der EU-Richtlinie 2022/2464 ist deutlich geworden, dass Nachhaltigkeit im Sinne der ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) ein für nahezu alle Organisationen relevantes Thema ist. Die Kompetenzsicherung der Belegschaft und konkreter Rollenträger wird durch die Richtlinie zwingend gefordert und damit transparent. Für die Personalentwicklungsfunktion muss es somit zum einen darum gehen, die Angebote von L&D selbst nachhaltig zu gestalten, zum anderen erhalten die Ausbildung und Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden insgesamt und speziell zu ESG-Themen durch ihre Reporting-Relevanz einen starken Bedeutungszuwachs (Eireiner et. al., 2024). Die dargestellten Aspekte beschreiben übergeordnete aktuelle Entwicklungstendenzen in Organisationen. Daraus lassen sich weitere Fokusfelder für die künftige Gestaltung von L&D ableiten. Denn Startpunkt der Transformation der eigenen L&D-Einheit muss die Analyse der aktuellen Trends mit Bezug auf die eigene Organisation, deren Ziele und Strategie sein. L&D als Gestalter Skill-zentrierter Lernökosysteme Die zunehmende Komplexität, Öffnung und Dynamik der Gesamtorganisation erfordern eine dazu passende Form der Lernorganisation. Für L&D bedeutet das, dass sich die eigene Struktur und das Geschäftsmodell verändern werden. Klassische Strukturmodelle wie Linien- oder Matrixorganisationen werden abgelöst von netzwerkförmigen Strukturen. Damit einhergehend verändert sich auch das Geschäftsmodell von L&D. Der Fokus wird künftig auf der Gestaltung des organisationalen Lernökosystems liegen. In diesem Ansatz wird Lernen in der Organisation ganzheitlich betrachtet und durch die integrierte Gestaltung organisational-sozialer und technologischer Aspekte gefördert. Eine schlanke L&D-Einheit übernimmt hierbei als Orchestrator des Lernökosystems die Governance-Funktion für alle lernbezogenen Themen in zunehmend dezentral aufgestellten Organisationen. Im Fokus wird also nicht mehr die Produktion von Content stehen, sondern die Vernetzung aller Akteure in der Organisation, die sich mit Lernen und Wissensmanagement beschäftigen und sonst keine Verbindung miteinander hätten. Zentrale Aufgabe ist es dabei, im cross-funktionalen GovernanceTeam Purpose, Vision und ein gemeinsames Wertversprechen zu entwickeln, sowie die entsprechende Strategie und Leitlinien, um dieses umzusetzen. Die Gestaltung des Lernökosystems verfolgt dabei mehrere Ziele, darunter die Gestaltung einer kohärenten und hoch personalisierten „Learner Experience“ für eine möglichst schnelle und nachhaltige Skill-Entwicklung, die Förderung der Talentmobilität im eigenen Workforce Ecosystem sowie die Unterstützung organisationaler Anpassungsfähigkeit. Bei der Gestaltung des Lernökosystems wird künftig die engere Verzahnung der organisationalen Aspekte mit den technologischen Aspekten eine wichtige Rolle spielen. Auf organisationaler Ebene sind hierbei Prozesse, Strukturen und die Führung so auszurichten, dass eine lernförderliche Kultur entsteht und das Wertversprechen bestmöglich unterstützt wird. Verzahnt werden muss dies mit der darauf abgestimmten Gestaltung der Systemarchitektur, dem Einsatz passender Technologien sowie einer Datenarchitektur, die das zielführende Sammeln und Auswerten von Daten ermöglicht. Die Gestaltung dieser organisational-sozialen und technologischen Elemente spannt den Rahmen für die optimale Ausrichtung der Lernformate und -inhalte, den Einsatz von Arbeits- und Lerntools, der lernförderlichen Gestaltung von Arbeitsaufgaben und der Förderung der sozialen Interaktionen. Als Gestalter des Lernökosystems werden sich die Rollen von L&D verschieben. Zum einen in Richtung Strategie, Architektur, Governance und Trendscouting, zum anderen auf operativer Ebene vermehrt in Richtung Datenanalyse und Community Management, Lerntechnologie und Experience Design. Beim Trendscouting wird dabei im Vordergrund stehen, Explorationsräume für und mit dem Business zu eröffnen, in denen neue Technologien und Arbeitsweisen in einem sicheren Raum möglichst schnell erprobt werden können. Insbesondere geht es hierbei um die Erprobung von Mensch-Maschine Kollaboration. KI-gestützte Plattformen als Basis Skill-basierten personalisierten Lernens Um der Veränderungsdynamik gerecht zu werden, muss Lernen zukünftig noch stärker personalisiert werden und den Lernprozess des spezifisch Lernenden adaptiv unterstützen. Hierbei rücken die feingranularen Skills der Mitarbeitenden in den Vordergrund. Die wesentlichen Unterschiede dieser Skills-Fokussierung zu früheren Kompetenzmanagementansätzen liegen im Detaillierungsgrad, der KI-gestützten Erfassung und Verwaltung, der Datenbasis und der Aktualität der Skills. Während traditionelle Kompetenzmanagementsysteme oft auf eine überschaubare Anzahl übergeordneter und überdauernder strategisch relevanter Kompetenzen ausgerichtet waren, werden künftige Skill-Management-Systeme eine detaillierte und dynamische Sicht auf die aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Organisation und der vorhandenen Fähigkeiten der Mitarbeitenden ermöglichen. Skillbedarfe werden dabei kontinuierlich aus der Analyse interner und externer Daten ermittelt. Diese organisationalen Bedarfe werden in Bezug gesetzt mit den intern aktuell vorhandenen Skills, die dazu jeweils unter Zugriff auf unterschiedliche Datenquellen fast in Echtzeit erfasst werden. Deutlich wird an dieser Stelle, dass dieser Prozess nur mithilfe von KI-Technologien realisiert werden kann. Der Abgleich der aktuellen Bedarfe mit den intern vorhandenen Skills ermöglicht auf organisationaler Ebene die antizipative Planung von Up- oder Re-Skilling-Initiativen. Auf individueller Ebene ermöglicht er es, automatisiert personalisierter Skill-Entwicklungsvorschläge, entwicklungsförderliche Projekte sowie mögliche Karrierewege aufzuzeigen. Auf technologischer Seite werden im Learning-Ecosystem mit hohem Reifegrad somit künftig AI-Native-Plattformen ins Zentrum rücken, die alle verfügbaren lernrelevanten Daten zusammenführen, analysieren und im Sinne der Mitarbeitenden und der Organisation nutzbar machen: zur Personalisierung des Lernens, zur Förderung der Talentmobilität und Beschäfti-

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