Früher personalmagazin 09.24 8 1. Der Mensch im Mittelpunkt. Das ist der Satz, den ich am häufigsten gehört habe. Darin drückt sich bis heute das Selbstverständnis der meisten HR-Fachleute aus. Der Hinweis des Organisationssoziologen Oswald Neuberger, der bereits 1990 den Satz „Der Mensch ist Mittel. Punkt“ formulierte, wurde und wird beiseitegeschoben. Während die Unternehmen nach dem Shareholder- oder Stakeholder-Ansatz gesteuert werden, liebt HR die sozialromantische Vorstellung „Der Mensch steht im Mittelpunkt“. Jede Profession hat eine kleine Lebenslüge, sie sieht sich und ihr Thema stets als Mittelpunkt des Geschehens. 2. Krisen als Sternstunden von HR. Fünf große Krisen hatte Deutschland in den letzten 25 Jahren zu bewältigen: Überwindung der Massenarbeitslosigkeit mit der großen Arbeitsmarktreform (2002), die Euro- und Finanzkrise (2009), die Flüchtlingskrise (2015), die Coronapandemie (2020) und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine (2022). Jede dieser Krisen hatte enorme Auswirkungen auf die Arbeitswelt, HR-Verantwortliche waren nicht nur intern als „Krisenmanager“ gefordert, sie beteiligten sich auch an der gesellschaftlichen Bewältigung der Krisen. 3. Die Profis der Nation. Die größte Arbeitsmarktreform der Nachkriegszeit, die unter den Begriffen „Agenda 2010“ und „Hartz-Gesetze“ in die Geschichtsbücher einging, trug die Handschrift von HR. Die 15-köpfige „Hartz-Kommission“, zu der drei Personalvorstände gehörten, erarbeitete Ideen, die zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit beitrugen und den über zwei Jahrzehnte anhaltenden Wirtschaftsaufschwung beförderten. Tragisch bleibt der spätere Absturz von VW-Personalvorstand Peter Hartz wegen eines Korruptionsskandals, ansonsten wäre er heute eine Ikone von HR. 4. Am Entscheidertisch sitzen. Von sehr vielen Personalverantwortlichen habe ich die Klage gehört, an zentralen Entscheidungen nicht beteiligt zu sein. In den Neunziger- und Nullerjahren war das allgegenwärtig, auch im Personalmagazin haben wir (zu viele) Geschichten dazu geschrieben. In den letzten Jahren habe ich die Klage kaum noch vernommen. Das könnte daran liegen, dass CHROs selbstbewusster geworden sind und häufiger am Entscheidertisch sitzen, möglicherweise bin ich aber auch nur gegenüber solchen Klagen immun geworden. 5. Diskretes Geschäft und schwere Limousinen. Früher waren für Journalisten viele Türen verschlossen. HR sei ein „diskretes Geschäft“, erläuterte mir etwa Heiko Lange, ehemaliger DGFP- und Lufthansa-Vorstand Ende der Neunzigerjahre. Personalangelegenheiten wurden gerne unter der Decke gehalten, an Awards oder Wettbewerben beteiligten sich nur wenige. Die „Personaldirektoren“ fühlten sich wohl in schweren Limousinen und speisten gerne in eigenen Casinos. Diese Phase ist überwunden. Viele CHROs fahren heute Zug und kommunizieren auf Augenhöhe. Das Elitäre ist aber nicht völlig verschwunden, wie der Blick auf manche Armbanduhr oder Handtasche zeigt. 6. Verbände ringen um Haltung. Mein erstes Pressegespräch bleibt ein unvergessliches Erlebnis. Die DGFP hatte die Presse zu ihrem Kongress nach Wiesbaden geladen und ich erwartete Neuigkeiten. Geschäftsführer und Vorstände schafften es, eine Stunde lang mit uns Journalistinnen und Journalisten zu sprechen, ohne zu einer aktuellen Frage Stellung zu beziehen. Das wiederholte sich in den Folgejahren. Manche von uns empfanden das als Arroganz, im Rückblick war diese Haltung ein wesentlicher Grund, warum sich neue Berufsverbände formierten. Thomas Sattelberger, Heinz Fischer und Werner Then gründeten 1999 die Selbst GmbH – die Avantgarde der damaligen Szene. Joachim Sauer hob 2009 den Bundesverband der Personalmanager aus der Taufe, der die DGFP in eine lang anhaltende Abwärtsspirale brachte, von der sie sich erst jüngst befreien konnte. 7. Diversität ist ein Erfolgsfaktor. Das ist ein Glaubenssatz, zu dem sich die allermeisten HR-Fachleute bekennen, auch wir Männer. Vor 25 Jahren war HR noch in Männerhand, heute sind auch HR-Vorstandspositionen mehrheitlich mit Frauen besetzt. Ein großer Fortschritt bezüglich Diversität, allerdings wird gerne verdrängt: Es war nicht Einsicht, die den Wandel brachte, es war die Quote. Unvergesslich bleibt für mich, wie fünf Frauen die Gunst der Stunde erkannten und mit ihrer Kampagne #ichwill die Kanzlerin Angela Merkel zum Kurswechsel brachten. HR war mittendrin, Janina Kugel war eine der Heldinnen. 8. New Work bringt frischen Wind. Das „Personalwesen“ bekam seit den Achtzigerjahren ein unternehmerisches Selbstverständnis und versammelte viele kluge Köpfe. Die Veranstal-
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