Arbeitsrecht „dass dem Arbeiter die Mittel zu Gebote stehen, um sein und der Seinigen materielles, soziales, kulturelles und spirituelles Dasein angemessen zu gestalten“, heißt es im Kompendium der Soziallehre der Katholischen Kirche – jedoch eben nur „gemäß der Funktion und Leistungsfähigkeit des Einzelnen, der Lage des Unternehmens und unter Rücksicht auf das Gemeinwohl“. Working poors soll es nicht geben, doch die Produktivität eines Arbeitsverhältnisses kann nicht außen vorgelassen werden. Der alte Zielkonflikt zwischen dem, was sozial wünschenswert ist, und dem, was ökonomisch vertretbar ist, wird klar umrissen, doch bleibt er ohne Lösung. Der deutsche Gesetzgeber hatte diese Lösung bislang in die Hände einer unabhängigen Kommission gelegt. Das war gut so. So hat er die Höhe des Mindestlohns raus aus der Politik genommen und hineingelegt in ein Gremium, das sachnah und ausgewogen auch auf die Kompetenz und Teilnahme der Sozialpartner zählen kann. Diese Kommission bemüht sich, insbesondere nicht in Konkurrenz zu den Tarifpartnern zu treten und durch ihre Beschlüsse Tarifabschlüsse zu präjudizieren. Deshalb hat sie sich eine Geschäftsordnung gegeben, die dies sicherstellen soll. Das ist legitim, und wer daran Hand anlegt, der muss begründen, warum die Festlegung nach Wählergunst besser als nach Sachverstand ist. Demokratisierung der Arbeitswelt Sinnvoller scheint es also, die etablierten Instrumente des Arbeitnehmerschutzes fortzuentwickeln, als mit erratischer Anlassgesetzgebung hier und da einzugreifen. Denn dass gerade die bewährten arbeitsrechtlichen Instrumente heute umso wichtiger sind, zeigt auch die betriebliche Mitbestimmung. Noch einmal älter als das Bundesarbeitsgericht ist die betriebliche Mitbestimmung. Vor mehr als 100 Jahren wurde sie geboren, um der demokratisierten Gesellschaft eine demokratisierte Arbeitswelt an die Seite zu stellen. Und heute? Dem Spiegel war es eine Schlagzeile wert: „Mitbestimmung im Job bewahrt vor rechter Gesinnung – Wer bei der Arbeit mitreden darf, über Betriebsrat oder Gewerkschaft, sieht tendenziell auch die Demokratie positiver. Das zeigt eine Studie über Betriebe in Ostdeutschland.“ Man mag kritisch prüfen, ob das denn so stimmt. Die Studie zeigt gewisse statistische Effekte, aber die in Bezug genommene Studie der OttoBrenner-Stiftung deutet nur vorsichtig auf gewisse Indizien, ein Allheilmittel ist es sicherlich nicht, keine Demokratieimpfung, die gegen den gesellschaftlichen Zeitgeist immun macht. Aber die Demokratisierung der Arbeitswelt ist der Gedanke, aus dem die betriebliche Mitbestimmung heraus geboren wurde. Über 100 Jahre ist es nun her, dass das Betriebsrätegesetz in Kraft trat. Der Gesetzgeber erfüllte damit das Versprechen des Art. 165 Weimarer Reichsverfassung: „Die Arbeiter und Angestellten erhalten zur Wahrnehmung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen gesetzliche Vertretungen in Betriebsarbeiterräten.“ Das neue Recht kam nicht ohne Vorbereitung, gab es doch vereinzelt schon Arbeitnehmervertretungen aufgrund Vereinbarung mit einzelnen Unternehmen und ihren Verbänden. Doch trotz 51
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