Organisationsentwicklung 45 Bürokratie verhindert Erfolg Nur kreative Unternehmen sind wettbewerbsfähig, sagt Gary Hamel, Professor an der London Business School. Damit die Mitarbeitenden ihre Gestaltungsfreude auch wirklich mit zur Arbeit bringen, sollten Unternehmen umorganisiert werden. Die Unternehmen müssen ihre Bürokratie mit den eingebauten Kommandostrukturen abbauen und die Macht an die Peripherie verlagern. In seinem Buch rät Hamel den Chefs zur Dezentralisierung. Die einzelnen Einheiten müssten sich aber intensiv untereinander austauschen, um eventuelle Marktchancen gemeinsam wahrnehmen zu können. Außerdem fordert Hamel im Stil eines Manifests eine Abschaffung von Hierarchiestufen und eine strikte Vereinfachung von Planungs- und Kontrollprozessen. Operative Teams könnten ruhig ihre Budgets selbst aushandeln, solange sie eine Obergrenze nicht überschreiten. Die jährliche Beurteilung der Mitarbeitenden durch die nächsthöhere Managementebene entfällt am besten ganz. Kollegen derselben Ebene sollten sich aber gegenseitig benoten. Im Klartext heißt das: Direkte Entscheidungen auf der operativen Ebene führen zu weniger Abstimmungen. Es bleibt mehr Zeit für die eigentliche Arbeit. Zurzeit berät Hamel laut Harvard Business Manager die Bayer AG. Dort gab es vor einem Jahr elf Hierarchiestufen und bei Entscheidungen waren 84 Grundregeln zu beachten, die im Organisationshandbuch mit 1.362 Seiten standen. Mit ihrem Buch liefern Gary Hamel und Michele Zanini leidenschaftliche Argumente für die gezielte Abschaffung solcher Bürokratie. Gary Hamel, Michele Zanini: Humanocracy, Harvard Business Review Press, 2020 Auf Augenhöhe beraten Edgar H. Schein, Managementprofessor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), gilt als Erfinder der Organisationspsychologie. In seiner zweiten Lebenshälfte befasste er sich mit dem unbefriedigenden Phänomen, dass Organisationsberater von den Menschen in einem Unternehmen oft als Besserwisser und aufdringliche Methodenverkäufer wahrgenommen werden, denen sie mit Widerstand begegneten. Er entwickelte eine Theorie, wie man bei der Hilfe zur Selbsthilfe geschickt vorgehen sollte, und veröffentlichte dazu das Buch „Helping“ (2009). 2017 konkretisierte er seine Methode im Buch „Humble Consulting“. Der Begriff bedeutet, dass man neugierig, wertschätzend und behutsam Problemsituationen erforschen sollte, bevor man an das Intervenieren denkt. Der Beratende sagt zum Kunden sinngemäß: „Ich weiß nicht, wie Ihr System funktioniert, aber ich weiß, wie wir es zusammen herausfinden können.“ Das ist das genaue Gegenteil von einer Vorgehensweise, bei der der Berater nur solche Fragen stellt, die seine vorschnellen Hypothesen bestätigen. Edgar Schein: Humble Consulting – Die Kunst des vorurteilslosen Beratens, Carl-Auer Verlag, 2017
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