Personalmagazin 9/2024

53 Arbeitsrecht zulässig ist (das kann man nachher durch die Gerichte prüfen lassen), sondern ob es sinnvoll ist. Dabei hat eine solche Regelung durchaus Tradition – nicht nur in Deutschland. Das erste Gesetz, das Auftragnehmern der öffentlichen Hand vorschrieb, das am Ort vorherrschende Entgelt (die sogenannte prevailing wage) zu zahlen, wurde bereits 1894 im Staat New York erlassen. Gleichzeitig verbot das Gesetz den Auftragnehmern, Einwanderer und Ausländer zu beschäftigen – die Zielrichtung des damals von den Gewerkschaften massiv geforderten Regelwerks war von Anfang an klar. Andere Staaten schlossen sich dem nach und nach an, ein Durchbruch erfolgte dann 1931, als im Zuge der Weltwirtschaftskrise in den USA auf Bundesebene der Davis-Bacon Act verabschiedet wurde. Die Diskussion war bereits damals sehr kontrovers. Der Abgeordnete Blanton stellte fest: „Herr Vorsitzender, wenn dieses Gesetz nicht so massiv von den Gewerkschaften gefordert würde, hätte es keine Chance, dass es hier angenommen würde.“ Dennoch ist dieses prevailing wage statute bis heute gültig – und die gesamte Zeit umstritten. Man schätzt, dass dieses Gesetz und die einzelstaatlichen Parallelvorschriften heute etwa 20 bis 25 Prozent des Markts abdecken. Über die Auswirkungen liegen umfangreiche Studien vor, die die aktuelle politische Diskussion in Deutschland freilich nicht beeinflusst haben. Das ökonomische Schrifttum reicht zurück bis in die 60er-Jahre. Die Argumente, die für und gegen die Beibehaltung angeführt werden, sind vielfältig und komplex. Auch in Deutschland haben wir diese Diskussion schon seit mehr als 20 Jahren. Führende Wirtschaftsinstitute haben sich damals gegen eine Verabschiedung des Gesetzes ausgesprochen, weil zu befürchten sei, dass sich die Ausgabenstrukturen der Gebietskörperschaften zulasten der nach wie vor dringend erforderlichen Investitionen verschieben würden. In der Tat: Wer marktregulierende Gesetzgebung verabschiedet, der muss plausibel darlegen können, dass das Mehr an Verteilungsgerechtigkeit das Weniger an Wirtschaftlichkeit aufwiegt. Dafür ist eine offene Diskussion erforderlich. Die fehlt bislang. Letztlich geht es um die Frage: Verdient die Allgemeinheit, um deren Steuern es geht, oder der – wegen fehlender Vertretung durch eine tarifdurchsetzungsstarke Gewerkschaft – schwächere Teil der in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer stärkeren Schutz? Hierzu muss ein Konsens gefunden werden. Wo der liegen könnte, ist offen. Europäisches Arbeitsrecht Am deutlichsten werden die Veränderungen aber wohl dem, der nach Europa schaut. Als Quelle auch des Arbeitsrechts wird Europa immer dominanter. Dabei entwickelte sich das europäische Arbeitsrecht erst langsam und zögerlich. In den drei Gründungsverträgen der Europäischen Gemeinschaften spielte es nur eine nachrangige Rolle. Ziel der Gemeinschaften war es, eine Harmonisierung der wirtschaftlichen Bedingun-

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