Früher personalmagazin 09.24 10 Foto: Britt Schilling 12. Fachinhalte bleiben Trumpf. Über die Rückkehr ins Office wird heftig gestritten. Wir Journalistinnen und Journalisten lieben solche Debatten. Doch nach Publikation der Geschichten erfolgt oft die Ernüchterung: Meinungsstücke finden nur ein kleines Publikum, die Mehrheit unserer Leserschaft erwartet praktische Lösungen. Das zeigt der tägliche Blick auf die Seitenabrufe unseres Onlineportals. Die Leserbedürfnisse sind manchmal andere als die Vorlieben von uns Journalisten. Die Auswertung der Daten, die im Online-Journalismus zum Standard gehören, hilft uns, auf der richtigen Spur zu bleiben. 13. Investigativer Journalismus. Missstände werden gelegentlich an uns herangetragen, mit der Bitte, diesen doch mal nachzugehen. Über solche Hinweise freuen wir uns, doch über ein Investigativ-Team verfügen wir nicht. Wir sind eine kleine Fachredaktion, eigentlich nicht ausgerüstet für den investigativen Journalismus. Gleichwohl ist es uns immer wieder gelungen, solche Recherchen durchzuführen, zuletzt etwa zur Rufschädigung von Cawa Younosi, zweifelhaften Methoden von zwei KI-Startups oder zu den dubiosen Machenschaften einer „Erfolgstrainerin“. Für uns als Redaktion sind solche Geschichten das Salz in der Suppe unserer Arbeit. Manche sprechen vom Wächteramt des Journalismus, für mich ist das zu hoch gegriffen. 14. Ein Netzwerk mit den besten Experten: Unsere Redaktion verfasst nur einen Teil der Texte selbst, viele liefern unsere Autorinnen und Autoren aus Beratung, Wissenschaft und Praxis. Dabei arbeiten wir häufig mit den Besten ihres Fachgebiets zusammen, was ich immer als ein Privileg unserer Arbeit betrachtet habe. Dieses Netzwerk macht die Kompetenz des Personalmagazins aus und gehört zum Anspruch an Qualitätsjournalismus. 15. Wettbewerb lohnt sich. Unsere Marktwirtschaft beruht auf dem Prinzip des Wettbewerbs, der die besten Ergebnisse für Kunden hervorbringt. Als Redaktion fordert uns das täglich, das Contentgeschäft ist wettbewerbsintensiv. Es ist anstrengend, aber auch stets ein gutes Gefühl, schneller oder besser als andere zu sein. Wettbewerb hat sich aber nicht nur für uns als Marktführer gelohnt, insgesamt hat die HR-Publizistik vom Wettbewerbsprinzip profitiert, die heute attraktiver als vor 25 Jahren ist. 16. Journalisten sind keine Influencer. Früher war alles besser, sagen manche Branchenkollegen: Redaktionen waren Gatekeeper, Autoren und Werbekunden waren auf uns angewiesen, um Zugang zur Öffentlichkeit zu bekommen. Die Zeit ist glücklicherweise vorbei, das Publizieren ist demokratischer geworden. Jeder und jede kann heute publizieren. Ein gutes Beispiel dafür sind Influencer, die teilweise höhere Reichweiten als wir klassische Medien erreichen. Wir als Journalisten sind keine Influencer, unsere Aufgabe bleibt es, unterschiedliche Perspektiven zusammenzustellen und nur Informationen zu publizieren, die wir vorher auf den Wahrheitsgehalt geprüft haben. Darin liegt die Coolness des Qualitätsjournalismus und es bleibt unser Gegengift gegen Fake News und Informationsbubbles. 17. Disruption der Mediennutzung. Transformation und Disruption sind für uns als Redaktion keine Fremdwörter, wir haben sie durchlebt. Wissen auf Vorrat wurde durch Wissen auf Abruf ersetzt. Die kostenlose Suchanfrage wurde zum Konkurrenten für unser Abomodell, Google & Co. haben die Werbemärkte der Verlage erobert. Das war eine Disruption, die uns zwang, unsere Geschäftsmodelle und Redaktionsarbeit anzupassen. Wir erstellen heute nicht nur Medieninhalte, sondern sorgen dafür, dass diese auf Plattformen wie Google oder Social Media gefunden werden. Die Disruption geht weiter, generative KI bringt die nächste Transformation unseres Geschäfts. Wir bleiben wach. 18. Die Versuchung von Social Media. In der HR-Community hat sich Linkedin zu einem relevanten Kommunikationskanal gemausert, auch wir beteiligen uns und haben eine große Reichweite aufgebaut. Die Versuchungen des Mediums sind groß, soziale Erwünschtheit zu bedienen und bei HR-Themen die Mitarbeiterperspektive einzunehmen. Beides verspricht Klicks und Follower, gefährdet aber unseren Markenkern: Relevanz für die Zielgruppe und Glaubwürdigkeit. 19. Unabhängigkeit der Redaktion. Als Redaktion sind wir Teil der HR-Community, mit HR-Fachleuten, Beratern und Anbietern im Gespräch, die damit auch Einfluss auf unsere Köpfe und die Redaktionsarbeit nehmen. Redaktionelle Unabhängigkeit heißt für mich nicht, jeglichen Einfluss abzuwehren. Das ist gar nicht möglich. Unabhängigkeit heißt, nicht von einzelnen Marktteilnehmern abhängig zu sein, sondern nach eigenem Ermessen handeln zu können. Ökonomisch haben wir unser Geschäft auf einer Vielzahl von Werbepartnern und Abonnenten aufgebaut, wir sind nicht von Großkunden abhängig. Genauso wichtig ist es allerdings, die innere Freiheit und Distanz zu Meinungsmachern und Marktteilnehmern zu bewahren. 20. Ein Lob auf die Stillen. Als Redaktion haben wir vor allem mit den Lauten in der HR-Community zu tun, die über ihre Heldentaten berichten. An die Stillen, die ebenfalls exzellente Arbeit machen, kommen wir eher selten ran, manchmal über Beraterkontakte. Das ist unser Dilemma, das sich nicht auflösen lässt. Es gibt nur einen Ausweg: Die Stillen werden zu Sprechenden, das ist unser Wunsch. Wir sind ansprechbar. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz werden die Publizistik und das Contentgeschäft weiter verändern. Die Zahl der News wird wachsen, neue Angebote entstehen, auch Deep Fakes nehmen zu. Wir als Redaktion haben uns vorgenommen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz haben wir vor einem Jahr eine Redaktionsrichtlinie erarbeitet, die wir fortentwickeln. Neue Angebote sind in Vorbereitung. Die Veränderungen haben Folgen für HR-Fachleute: Die Anforderungen an Medienkompetenz steigen, das betrifft sie selbst als Profession, aber auch den Schulungsbedarf für die Beschäftigten in den Unternehmen. REINER STRAUB schreibt seit 27 Jahren über Wirtschaftsthemen und die HRCommunity. Besonders beeindruckt hat ihn die Vielzahl an klugen Köpfen in HR, denen er begegnen durfte.
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